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Internationale Tagung

The Movement Movement, Design: Anne Krieger
The Movement Movement, Design: Anne Krieger
The Movement Movement – Histories of Microanalysis at the Intersection of Film, Science and Art

The Movement Movement: Geschichten der Mikroanalyse an der Schnittstelle von Film, Wissenschaft und Kunst 

Philipps-Universität Marburg, 24.–26. Juni 2021, online (neuer Termin)
                                                       
Das Verlangen, die Bewegung des Menschen und anderer Tiere zu studieren, ist der technologischen, sozialen und ästhetischen Geschichte des Films von Beginn an eingeschrieben. Lange Zeit galt das Interesse vor allem dem individuellen Verhalten und einzelnen Akteur_innen. Dies änderte sich jedoch in den 1950er und 1960er Jahren, als Vertreter_innen der Anthropologie, Psychologie, Linguistik, Soziologie und Ethnologie sich verstärkt dem Film zuwandten, um Bewegung als Element sozialer Interaktionssysteme zu analysieren. Vor dem Hintergrund von Kybernetik, Systemtheorie und struktureller Linguistik suchten Forscher wie Ray L. Birdwhistell, Gregory Bateson, Nikolaas Tinbergen und Adam Kendon nach Mustern im vermeintlich kontinuierlichen, multi-sensorialen Strom des Interaktions- und Kommunikationsverhaltens. Film – wie später auch Video – wurde zum wichtigen Werkzeug, um diesen Strom zu erschließen und so zu stabilisieren, dass eine eingehende Untersuchung kleinster Details durch wiederholtes Sehen kurzer Interaktionsspannen möglich wurde. Die Möglichkeit, mit Film "sichtbare, bislang ungesehene" Phänomene, die manchmal nur Sekundenbruchteile andauerten, ins Bewusstsein zu holen, versprach neue Einsichten in die Mikrozeitlichkeit und die Prozessualität sozialer Systeme. Umgekehrt beeinflussten diese Analysen auch die (Mikro-)Zeitlichkeit des Films selbst. Experimentalfilmemacher_innen machten sich die Beobachtungen zunutze: so entwickelte etwa Hollis Frampton seine theoretischen und ästhetischen Überlegungen zum Film anhand von Studien zur Bewegungsinteraktion.  Auch der Zeitgenössische Tanz und die Performance Kunst partizipierten mit neuen Entwicklungen am Feld der Interaktionswissenschaft. Während sich Choreograf_innen wie Irmgard Bartenieff und Forrestine Paulay der Kommunikationsforschung zuwandten, beeinflussten die wissenschaftlichen Erkenntnisse zugleich auch umgekehrt ästhetische Ansätze in Tanz und Performance.

Die Konferenz hat zum Ziel, diese oft übersehenen Schnittstellen von Sozialwissenschaften, Ethologie, Experimentalfilm und den performativen Künsten in den 1960er und 1970er Jahren über die Disziplinen von Film- und Medienwissenschaften, Wissenschaftsgeschichte, Visueller Anthropologie und Kunstgeschichte hinweg zu erforschen. Es werden Fragen der Wissenschaftspolitik während des Kalten Krieges in Ost und West untersucht, Epistemologien des Bewegtbildes, Beobachtungsmaßstäbe und die Beziehungen zwischen analytischen und ästhetischen Verfahren. Dabei wird es auch um die Frage gehen, auf welche unterschiedlichen Weisen Film in umfassendere Medienzusammenhänge oder Umgebungen eingebunden wurde, darunter etwa Aufzeichnungssysteme, Betrachtungsgeräte, Diagramme und künstlerische Performances. Angesichts der Verschränkung von Bewegung im Film, Bewegungsinteraktionsforschung und künstlerischen Praktiken soll eine historische Perspektive auf aktuelle Debatten über Medienwandel und die Neupositionierung des Films eröffnet werden.

Die Konferenz ist Teil des Forschungsprojekts „Transdisziplinäre Netzwerke des Medienwissens“ am Institut für Medienwissenschaft der Philipps-Universität Marburg.
 
Organisation der Tagung:
Henning Engelke und Sophia Gräfe, DFG-Heisenberg-Projekt „Transdisziplinäre Netzwerke des Medienwissens“, Institut für Medienwissenschaft, Philipps-Universität Marburg
Tagungsassistenz: Nora Neuhaus
Technische Assistenz: Paul Egerlandt

  • Programm

    Thursday, June 24, 2021

    4:00pm–4:15 pm CET
    Welcome Note
    Malte Hagener (Philipps Universität Marburg)

    4:15pm–4:35pm CET
    Introduction
    Sophia Gräfe and Henning Engelke (Philipps-Universität Marburg)

    5:00pm–6:00pm CET
    Session 1: Policies, Practices, and Experiences of Studying Microrealities
    Keynote address
    Heather Love (University of Pennsylvania), “Meticulous student of the real”: Goffman’s Lessons for Queer Studies

    7:30pm–8:30pm CET
    Virtual Reception

    9:00 pm– 10:00pm CET
    Film Screening
    Maring in Motion (Allison Jablonko, 1968, 18 min.) and footage from Allison Jablonko’s and Naomi Faik-Simet’s recent research in Papua New Guinea

    10:00pm–11:00pm CET
    Panel discussion: Movement and Dance Research in Papua New Guinea: Lived Experience, Politics and Pedagogy
    Allison Jablonko (Independent Researcher, Keene, NH) in conversation with Naomi Faik-Simet (Institute of Papua New Guinea Studies, Papua New Guinea)

    Moderator: Henning Engelke (Philipps-Universität Marburg)

    Friday, June 25, 2021

    1:00pm–3:30pm CET
    Session 2: Archiving Movement: the Göttingen Institute for Scientific Film (IWF)

    Igor Karim (Goethe-Universität Frankfurt), Camera Movement as Exploration of the Body – or How Gestures Construct Personhood During Documentary Filmmaking

    Vinzenz Hediger (Goethe-Universität Frankfurt), Series, Comparison, Nature: Biology of Human Behavior and Cinematic Method in Irenäus Eibl-Eibesfeldt’s Human Ethology Film Archive

    Oliver Gaycken (University of Maryland), The Encyclopaedia Cinematographica as Microanalytic Archive
    Moderator: Malte Hagener (Philipps-Universität Marburg)


    4:30pm–7:00pm CET
    Session 3: Politics, Gender, and Therapy

    Katie Joice (Birkbeck, University of London), Mothering in the Frame: Cinematic Microanalysis and the Pathogenic Mother 1945–67

    Whitney Laemmli (Carnegie Mellon University), When Words Fail: Movement Notation, Trauma, and Therapeutic Practice in the Post-WWII United States

    Peter Sachs Collopy (California Institute of Technology), “Pass Through the Barrier of the Skin”: Video and Microanalysis at the Boundaries of the Self

    Moderator: Erhard Schüttpelz (Universität Siegen)


    8:00pm–9:00pm CET
    Artist Talk and Screening
    Hannes Rickli (Zürcher Hochschule der Künste), Videograms of Experimentation: Animal-Human-Media Constellations in Biological Research Films

    Moderator: Sophia Gräfe (Philipps-Universität Marburg)

    Saturday, June 26, 2021

    2:00pm–4:30pm CET
    Session 4: Movement, Art, and Cinematic Ecologies

    Stefanie Bräuer (Universität Basel), Electronics in Experimental Animation: Para-Cinematic Practices and Sites

    Ken Eisenstein (Bucknell University), Row Roe Micro Your Tod: Hollis Frampton and the Currents of Time

    Eszter Polonyi (University of Nova Gorica), Between Film and Graphic Arrangement: Thom Andersen’s flicker

    Moderator: Yvonne Zimmermann (Philipps-Universität Marburg)


    5:00pm–7:30pm CET
    Session 5: Media of Microanalysis

    Michael Lempert (University of Michigan), Small Talk: Media and the Microscopic Science of Conversation

    Seth Barry Watter (eikones, Basel), Minimal Units and Good Vibrations: The Work of Paul Byers

    Moderator: Lena Trüper (University of California, Los Angeles)

    7:45pm-8:30pm CET
    Closing Discussion

    Das Tagungsprogramm zum Download als PDF.

  • Abstracts

    Sie finden die Abstracts der einzelnen Vorträge in diesem PDF.

  • Anmeldung

    Die Tagung findet online statt. Bitte melden Sie Ihre Teilnahme bis zum 21. Juni 2021 unter diesem Link an. Für Fragen kontaktieren Sie bitte