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Umfeld
Die Universität ist auf vielfältige Weise mit ihrem Umfeld verbunden. Dazu gehören städtische Interessen genauso wie personelle Verflechtungen mit Einrichtungen des städtischen Lebens.
Umfeld
Die Marburger Bevölkerung begeht das 400jährige Jubiläum der Philipps-Universität 1927. Der festliche Schmuck in der Oberstadt, hier Ecke Wettergasse / Marktgasse, ist auf dem Bild deutlich erkennbar. Nicht nur in dieser Feierlichkeit, die in den aufgehängten Girlanden ihren sichtbaren Ausdruck in der städtischen Öffentlichkeit fand, zeigt sich die enge Verbindung von Stadt und Universität Marburg. So formulierte z. B. Ernst Koch den Unterschied zwischen Göttingen und Marburg in seinem Roman Prinz Rosa Stramin (1834): „Göttingen hat eine Universität, Marburg ist eine Universität“. In dem strukturschwachen Marburg und einer vom tertiären Sektor geprägten Wirtschaftsstruktur war die Universität das entscheidende Standortmerkmal. Sie war nicht nur wirtschaftlich bedeutend, sondern auch Ort der Elitenbildung und strukturell, z.B. durch die Gesundheits- und Krankenfürsorge, prägend. Die Stadt wiederherum bot der Universität kurze Wege und Handlungsspielräume, z.B. den Ausbau der Gesundheitsfürsorge oder die Zusammenarbeit mit den Behringwerken betreffend.
Die nationale und antidemokratische Haltung vieler Angehöriger der Universität fand sich auch in Marburg, wo die NSDAP bereits vor 1933 große Erfolge erzielte. Grundlegend dafür war u.a. die stark nationale und antidemokratische Haltung der Marburger Einwohnerschaft. Symptomatisch zeigt sich dies lange vor 1933 im Umgang mit den Morden von Mechterstädt. Mitglieder des „Studentenkorps Marburg“ erschossen am 25. März 1920 15 festgenommene Arbeiter auf der Straße von Mechterstädt nach Gotha. Alle Täter wurden freigesprochen. Die Universität stellte sich hinter die beteiligten Studenten und rechtfertigte deren Handlungen als opferbereite Hingabe in der Stunde der Not.
Haben Sie sich mit dem Umfeld der Philipps-Universität Marburg oder auch mit Blicken und Wahrnehmungen aus dem Umfeld auf die UMR im Nationalsozialismus beschäftigt? Dann freuen wir uns auf kurze Texte für diese Webseite.
Zwangsarbeit in Marburg
Braunes Marburg – ein Themenweg
Die Blindenstudienanstalt
Marburger Stadtverordnete
Die Pogromnacht am 9. November 1938 und die Philipps-Universität Marburg
In der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde die Marburger Synagoge in der Universitätsstraße 11 (heute Garten des Gedenkens) von Marburger SA-Männern in Brand gesteckt. Die übriggebliebene Ruine - die tragenden Sandsteinsäulen und die Kuppel - wurde am darauffolgenden Tag auf Kosten der jüdischen Gemeinde gesprengt.
Der vermeintlich spontane Ausbruch des Volkszorns war eine gelenkte Inszenierung der nationalsozialistischen Machthaber, ohne dass ein detaillierter Plan der Umsetzung vorlag. Der Ausgangspunkt für die Übergriffe war das Attentat des jungen polnischen Juden Herschel Grynszpan auf den deutschen Diplomaten Ernst vom Rath in Paris. Mit dem Pogrom am 9. November 1938 war das gewaltsame Ende der jüdischen Gemeinden eingeleitet und oft auch vollzogen. Wie die Universität die Umstände für sich nutze, zeigt der Kauf der Synagogengrundstücks. Nicht ganz ein Jahr nach dem Pogrom, ab Oktober 1939 war der preußische Staat als Träger der Universität Marburg mit dem geänderten Grundbucheintrag neuer Eigentümer. In enger Kooperation mit dem Oberbürgermeister der Stadt Marburg und dem Regierungspräsidium in Kassel verhandelte der Universitätskurator Ernst von Hülsen nach dem Synagogenbrand zielgerichtet über den Kauf des Grundstücks. Er sah darin die einzigartige Gelegenheit für einen Ausbau der Universität. Würde das Synagogengrundstück in Privathand verkauft, rechnete er bei einem späteren notwendigen Erweiterungsbau des Landgrafenhauses der Universität mit einem deutlich höheren Betrag allein für den Erwerb des Grundstücks. So wurde unter aktiver Berufung auf die rechtlich zunehmenden Repressalien gegen die jüdische Bevölkerung schließlich ein Kaufpreis von nicht einmal acht Prozent des damaligen Werts durchgesetzt. Auch aus der Synagoge geraubte Gegenstände gelangten in die Universität. Als Treuhänder jüdischen Besitzes fragte der Leiter des Marburger Finanzamtes 1943 bei der Religionskundlichen Sammlung der Universität an, ob dort zu wissenschaftlichen Zwecken Interesse an Thorarollen und Büchern bestehe. Die übernommenen Bücher und die 19 Thorarollen wurden nach Kriegsende 1945/46 der neu gegründeten jüdischen Gemeinde zurückgegeben. Die Reichspogromnacht zeigt einmal mehr deutlich, dass Gewalt und Ausgrenzung vor der eigenen Haustür zur alltäglichen Normalität im Nationalsozialismus gehörten. Und zu dieser gehörte die soziale Praxis, sich aus verschiedenen Beweggründen heraus, eigeninitiativ und unhinterfragt jüdisches Eigentum anzueignen. Auch die Universität Marburg war daran beteiligt. Vertiefung: Kirschner, Albrecht: Universitätskurator Ernst von Hülsen und der Nationalsozialismus, Marburg 2016. Reichspogromnacht. Zeitgeschichte in Hessen - Daten · Fakten · Hintergründe. Theiß, Inga; Rosenkötter, Bernhard: Synagoge Universitätsstraße, in: Stadtrundgang: Marburg im Nationalsozialismus, digAM Digitales Archiv, Marburg. BArch Berlin: B 323/382 Rück- und Freigabe von Kunstwerken; Rückerstattungs- und Wiedergutmachungsverfahren 1945 – 1970, Einzelfälle – jüdische Kultusgemeinde Marburg, Blatt 230 - 245.