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Das Konzept des Trial-Monitoring Programme

Das Monitoring Programme stellt sich vor - Konzeption, Zielsetzung, Selbstverständnis

Das Monitoring Programme am Internationalen Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse (ICWC)

 

Wissenschaftlich – Unabhängig – Kompetent

Während Monitoring an internationalen und gemischt national-internationalen Gerichten bereits länger üblich war, waren solche beobachtenden Begleitungen eines Strafprozesses in Deutschland lange weitgehend unbekannt. Die Entwicklung des Monitoring Programmes am ICWC begann daher im Wintersemester 2010/11. Mit Eröffnung des Hauptverfahrens wegen Völkermord gegen den Ruander O.R. am Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt entstand zum ersten Mal die Idee, einen solchen Prozess mit internationalem Bezug, der zudem gewissermaßen vor der Haustür stattfinden sollte, zum Gegenstand einer Verfahrensbeobachtung zu machen.

Während der entsprechenden Planungsphase konnte insbesondere auf die Erfahrungen einer Beteiligung an einer solchen Verfahrensbeobachtung an den Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia (ECCC) zurückgegriffen werden, welche im Rahmen einer Kooperation mit dem UC Berkeley War Crimes Studies Center stattgefunden hatte. Auf dieser Grundlage, vor allem aber vor dem Hintergrund des eigenen Anspruchs und Zielsetzung diskutierte und entwickelte die Koordinationsgruppe den Fahrplan für die Vorbereitungen des studentischen Einsatzes am OLG Frankfurt.

Damit war die Grundlage für das Projekt geschaffen und eine konsequente und regelmäßige Prozessbeobachtung konnte umgesetzt werden. Seit dem Wintersemester 2010/11 beobachtet das Projekt zahlreiche Strafverfahren mit terroristischem Hintergrund.

Einen großen Teil machen Strafverfahren gegen syrische Staatsangehörige bzw. (mutmaßliche) begangene Straftaten im Rahmen des syrischen Bürgerkrieges aus; darunter auch das erste Verfahren gegen einen irakischen "IS"-Kämpfer wegen u.a. Völkermordes an den Ezid*innen. Neben geheimdienstlichen Tätigkeiten im indischen Raum konnte das Projekt auch historische Verfahren mit einem lokalen Bezug wie das „Lübcke-Verfahren“ aufzeichnen. Durch den terroristischen Schwerpunkt umfasst die Prozessbeobachtung folgend eine weite Ausbreitung der geografischen Sachverhalte.

Die bisher erworbenen und ausgearbeiteten Fähigkeiten und Methoden konnten in Kooperationen mit internationalen Organisationen wie dem Syria Justice and Accountability Centre (SJAC) aus Washingtion D.C. weitergegeben werden. So wirkt das Trial-Monitoring Programme mit dem SJAC an der Veröffentlichung der Prozessberichte im weltweit ersten Verfahren gegen einen Mitarbeiter des Assad-Regimes, dem Al-Khatib-Verfahren, mit.

Der Marburger Ansatz lässt sich dabei in drei Schlagworten zusammenfassen:

Wissenschaftlich

Die Prozessbeobachtung ist ergebnisoffen, erfolgt auf Grundlage objektiver und transparenter wissenschaftlicher Standards und kann verschiedene Ziele verfolgen. In Betracht kommt hier vor allem die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens und insbesondere der Rechte des Angeklagten, die Rechte von Zeug*innen oder Opfern und die Stellung und Auswirkung eines Nebenklägers im Verfahren. Die Beobachtung selbst kann schon einer Einhaltung der Fair-Trial-Standards dienen, oder auch die Legitimität des Verfahrens selber durch die Dokumentation fördern. Diese Primärziele können zudem um weitere Aspekte ergänzt werden. So etwa der Beantwortung fallspezifischer Fragestellungen in Bezug auf die Anwendung des Prozessrechts oder auch die Heranführung von Studierenden der Rechtswissenschaft an die gerichtliche Praxis.

Das unmittelbare Ergebnis der Verfahrensbeobachtung sind zunächst Berichte, die aufgrund umfangreicher und detaillierter Notizen erstellt werden und das Prozessgeschehen vollständig abbilden. Dazu gehören Informationen zum Verfahrensgang, den in der Verhandlung erörterten Rechtsprobleme, der Umgang mit den Beteiligten durch das Gericht ebenso wie die Organisation und Durchführung des Verfahrens und der Verhandlungsdauer. Diese Berichte werden zum Abschluss eines Verfahrens, anonymisiert, veröffentlicht und dienen als Grundlage einer detaillierten Analyse – sei es durch Mitglieder des Monitoring Programmes selbst oder durch Dritte. Die Zielsetzungen einer solchen Analyse sind vielfältiger Natur, so könnte beispielsweise das materielle und formelle Recht sowie deren praktische Anwendung auf ihre Tauglichkeit, Effizienz oder Vereinbarkeit mit international oder national gültigen Menschenrechtsstandards hin überprüft werden. Zudem dienen die Berichte als Quelle historischer oder soziologischer Forschung.

Unabhängigkeit

Die Unabhängigkeit der Prozessbeobachter*innen ist von besonderer Bedeutung. Die Arbeit der Projektgruppe erfolgt objektiv und unparteiisch ohne dabei eine Position für einen der Verfahrensbeteiligten einzunehmen. Keinesfalls greifen die Monitors in das laufende Verfahren ein, weder innerhalb noch außerhalb des Verhandlungssaals. Aus diesem Grund wird bei allen Veröffentlichungen während der Zeit des Prozesses stets genau geprüft, ob und wie diese sich auf das Verfahren auswirken könnten. Dasselbe gilt für Kontakte zu den Verfahrensbeteiligten, auch hier ist stets auf die Wahrung einer objektiven und unparteiischen Position zu achten. So können ICWC Monitors zwar auch von Dritten beauftragt werden, ein Verfahren zu beobachten, aber auch hier ist die Unabhängigkeit ein wichtiger Grundsatz. Eine Verfahrensbeobachtung, welche schon ein bestimmtes Ergebnis intendiert, kommt daher nicht in Betracht.

Kompetent

Kompetente Monitors sind entscheidend für den Erfolg eines Monitoring Programmes. So gibt es zwar unterschiedliche Formen und Durchführungsmöglichkeiten für eine Verfahrensbeobachtung, die Auswertung des ersten Einsatzes eines vom ICWC entsandten Prozessbeobachters zu den Extraordinary Chambers in the Courts of Cambodia hat jedoch gezeigt, dass die Prozessbeobachter*innen bestimmte, bei jedem Monitoring notwendige, Fähigkeiten mitbringen müssen, um erfolgreich ein Strafverfahren zu beobachten. So müssen sie auf der einen Seite die wissenschaftlichen Grundprinzipien des Monitorings kennen und umsetzen können. Auf der anderen Seite ist ein tiefgehendes Verständnis der historischen bzw. politischen Gegebenheiten, die letztlich zu dem Konflikt führten, welcher nun Gegenstand eines Verfahrens ist unerlässlich. Letztlich muss ein*e Prozessbeobachter*in im relevanten materiellen- und Prozessrecht kundig sein, um das Geschehen vor Gericht einordnen zu können. Zur Ausbildung der studentischen Monitors wurden bereits anfangs auf die ersten Verfahren abgestimmte Reader erstellt, welche durch gezielte Workshops mit den Themen Grundsätze des Monitorings, Hintergrund des Konflikts, die Implementierung von Fair-Trial-Standards in die Strafprozessordnung flankiert. Diese Vorgehensweise wurde mit der Zeit weiter ausgebaut und durch weitere Praxiserfahrungen erweitert und angepasst. Anschließend wird das Erlernte aus den Workshops bei einem Trainings-Monitoring am Landgericht Marburg umgesetzt. In diesem Rahmen schreibt jede*r Monitor einen eigenen Monitoring-Bericht, welcher im Anschluss individuell ausgewertet wird, um so für die Prozessbeobachtung am OLG Frankfurt erprobt zu sein.

Neben diesen vorbereitenden Maßnahmen finden monatliche Projektgruppentreffen statt, bei denen sich die Monitors gegenseitig auf den neusten Stand des Verfahrens bringen und aktuelle im Verfahren aufgeworfene Fragen für die Monitors und Interessierte aufgearbeitet werden. Auch die Tatsache, dass jedes Team neben Studierenden der Rechtswissenschaften aus zahlreichen anderen Studiengängen, wie u.a. Politik-, Orientwissenschaften oder dem Master Internationale Strafjustiz stammen, führt sowohl in den Nachbesprechungen der Prozesstage als auch bei den Projektgruppentreffen zu einem umfassenderen, sachdienlichen Verständnis. Auf diese Weise können die Prozessbeobachter*innen intern grundlegende, aber auch konkret rechtliche, politische oder sprachliche Unklarheiten und Fragen klären. Im Ergebnis entstehen umfangreiche und detailreiche Berichte, die nach Rechtskräftigkeit der Urteile auf unserer Homepage anonymisiert veröffentlicht werden.

Es konnte infolgedessen eine auf Dauer angelegte Ausbildungsstruktur geschaffen werden, die es schafft, speziell vorbereitete, international einsetzbare Prozessbeobachter*innen auszubilden.

Dies wird ermöglicht durch eine langfristige Integration der Ausbildung im bestehenden Lehrbetrieb. Hierbei bilden die regelmäßigen Gastvorträge, die Den Haag-Exkursion 2019 u.a. zum Internationalen Strafgerichtshof (ICC) und vor allem die angebotenen Lehrveranstaltungen im Strafrecht, Strafprozessrecht und Völkerstrafrecht Einführung und Vertiefung die Basis für eine qualifizierte und nachhaltige Ausbildung. Ebenso werden regelmäßig Workshops mit renommierten Erxpert:innen veranstaltet, die spezifische Themenfelder des Prozessmonitorings in den Fokus nehmen - so beispielsweise ein Workshop zum Thema "Trauma und PTBS" mit Diplom-Psychologin Sibylle Rothkegel im April 2023 oder der Workshop "Prozessberichte sicher und ansprechend vortragen" mit Kommunikations- und Rhetoriktrainerin Lisa Fröhlich M.A. im Juni 2023.