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Land- und Umweltkonflikte

Der Klimawandel und die durch ihn angerichtete Zerstörung schafft neue Konfliktlinien und bringt die umweltpolitische Dimension bestehender internationaler Konflikte zunehmend ins Rampenlicht. So haben Klima-AktivistInnen mit verschiedenen teils spektakulären Protesttaktiken in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit erhalten. Doch Land- und Umweltkonflikte haben bereits eine lange Geschichte und betreffen viele Lebensbereiche, insbesondere benachteiligter Gruppen, die von Umweltzerstörung, Landnahme und Ressourcenknappheit exponentiell stärker betroffen sind. Häufig zeichnen sich Umweltkonflikte dadurch aus, dass gleich mehrere Politikbereiche zugleich berührt werden. Im Kontext der Produktionsweise der Rohstoffindustrie entstehen beispielsweise lokale Konflikte am Projektstandort wie Landraub, Umweltverschmutzung, Umsiedlung und die Zerstörung von Lebensräumen und Existenzgrundlagen, die wiederum zu Folgekonflikten um Verteilung führen sowie Ernährungskrisen und Migrationsdruck hervorrufen können. Studien zu sozialen Bewegungen zeigen zunehmend die enorme Mobilisierungsdynamik transnationaler Bewegungen für Klimagerechtigkeit, indem sie beispielsweise deren kollektives Handeln auf internationalen Klimagipfeln und in nationalen/lokalen Arenen im globalen Süden und Norden untersuchen. In den letzten Jahren konvergieren diese Bewegungen und ihre Legitimationsnarrative zunehmend, wie etwa bei den häufigen Waldbesetzungen gegen Infrastrukturprojekte.

Das Ziel der Marburger Forschung zu Land- und Umweltkonflikten ist es, die Verflechtung sozial-ökologischer Konflikte zu untersuchen und der Frage nachzugehen, was wir über den Umweltkontext wissen müssen, um Streit, Protest und Konfliktpotenziale im Zusammenhang mit Klimawandel, Ressourcen- und Umweltkonflikten zu verstehen.  Dabei steht langfristig angelegte empirische Forschung im Vordergrund, insbesondere Feldforschung, die nah an den beteiligten Communities ist und deren Alltagssichten verstehen lernt. Wir bauen dabei auf den Forschungstraditionen der Sozial- und Kulturanthropologie , der Soziologie der Globalisierung  und der politikwissenschaftlichen  Protest- und Bewegungsforschung auf. In diesem Forschungsgebiet liegt der Fokus zumeist auf ländlichen Räumen. Hierbei geht es zum einen darum, die Akteurskonstellationen und politischen Bewegungen auf dem Land zu verstehen. Andererseits werden dabei auch ontologische Konflikte zum Thema, deren Basis in unterschiedlichen Konzeptionen und Verständnisweisen von Umwelt, Wasser, Wald, Landschaft etc. liegen. 

Auch in der Lehre schlägt sich dieser Forschungsschwerpunkt vielfältig nieder. Etwa in Seminaren zu „Anthropology of Social Climate Change Consequences” (Prof. Halbmayer), “Anthropologie des Klimawandels” (Dr. Michaela Meurer), Disputed Waters - Interdisziplinäre Perspektiven auf Wasserkonflikte (Daniela Triml-Chifflard) oder “Environmental and Climate Conflicts”, “Conflicts over Land and Food” (Prof. Anderl) oder Critical Agrarian Studies (Prof. Anderl und Sibt’ul Hassan).