21.12.2006
Parkinson: Gentherapeutischer Ansatz erfolgreich
Im Tierversuch wurden Nervenzellen im Gehirn fast vollständig vor Parkinsongift geschützt – Internationale Kooperation mit US-amerikanischer Columbia University – Ergebnisse in US-Fachjournal PNAS veröffentlicht
Einer der wichtigsten neuen Ansätze in der Therapie der Parkinson-Krankheit, nämlich die Gabe von Wachstumsfaktoren, hat sich in einer großen Studie als nur unzureichend wirksam erwiesen. Nun aber stellte Dr. Vincent Ries, Neurologe am Universitätsklinikum Gießen und Marburg, Standort Marburg, einen vollständig neuen Ansatz vor. Gemeinsam mit Kollegen des Columbia University Medical Center in New York zeigte Ries, dass sich Nervenzellen im Gehirn von Tieren nahezu vollständig vor dem Parkinsongift 6-OHDA schützen lassen. Die Ergebnisse der Forschergruppe erschienen jüngst im US-amerikanischen Fachjournal PNAS (Proceedings of the National Academy of Sciences) unter dem Titel „Oncoprotein Akt/PKB induces trophic effects in murine models of Parkinson's disease“.
Ursache für die Parkinson-Krankheit ist der Untergang von Nervenzellen im Gehirn, die den Botenstoff Dopamin produzieren. So genannte Wachstumsfaktoren indessen – diese Substanzen spielen während der Entwicklung des Gehirns und für den Erhalt der Nervenzellen eine grundlegende Rolle – könnten die Zellen schützen. Als wichtigster Wachstumsfaktor für Dopamin-produzierende Nervenzellen gilt dabei der Faktor GDNF (glial cell line-derived neurotrophic factor). Jüngere Studien zeigten allerdings, dass die Gabe von GDNF direkt ins Gehirn nicht zu dem gewünschten Effekt führt. Ein entscheidendes Problem stellte dabei die Schwierigkeit dar, den Wachstumsfaktor GDNF in ausreichender Menge ins Gehirn zu transportieren.
Vincent Ries und seine Kollegen stellen nun eine Alternative zu
diesem Verfahren vor. Statt den Wachstumsfaktor direkt zu verabreichen,
aktivieren sie die „Signalkette“, die von GDNF in Gang gesetzt wird und
an deren Ende der schützende Effekt steht, auf anderem Wege.
Fast vollständiger Schutz
Diese Signalkette führt unter anderem über die Proteinkinase B (auch als AKT bezeichnet), von der bekannt ist, dass sie im Reagenzglas einen schützenden Effekt auf Nervenzellen hat und zur Regeneration von Nervenfasern führt. Indem sie diese Proteinkinase aktivieren, lösen die Forscher genau dieselben Prozesse aus, die auch von GDNF angestoßen werden. „Mittels viraler Vektoren haben wir eine aktivierte Form der Proteinkinase B in das Gehirn von Mäusen eingebracht“, erklärt Ries, „und zwar direkt in die Substantia Nigra, die Gehirnregion also, in der bei der Parkinson-Krankheit die meisten Nervenzellen untergehen. Dabei gelang es uns, einen nahezu vollständigen Schutz gegen den durch das Parkinsongift 6-OHDA ausgelösten Zelltod zu erreichen.“
Virale Vektoren sind Viren, die ein gewünschtes Gen mit sich führen und in die Zielzelle übertragen. Sie haben die Fähigkeit verloren, sich zu vermehren, sodass ihre Wirkung auf den menschlichen Organismus kontrollierbar bleibt. Im Falle der Arbeit von Ries und Kollegen sorgen diese viralen Vektoren dafür, dass die damit infizierten Gehirnzellen eine aktivierte Form der Proteinkinase B vermehrt produzieren. Virale Vektoren werden derzeit weltweit in Patientenstudien auf ihre Verträglichkeit untersucht.
Auch Zellen des gealterten Gehirns aktiviert
Weil das Alter der Hauptrisikofaktor für die Parkinson-Krankheit ist, untersuchten Ries und seine Mitarbeiter den beobachteten Effekt bei jüngeren wie auch bei alten Tieren. Erstmals konnten sie dabei auch belegen, dass die Proteinkinase B sowohl Nervenzellen des adulten als auch des gealterten Gehirns aktivieren kann, sodass diese unter anderem wachsen und neue Nervenfasern bilden. „Damit haben wir auch die Machbarkeit dieses Therapieansatzes nachgewiesen, der sich ja vor allem an ältere Patienten richten soll“, so Ries. Die Forscher hoffen nun, dass ihre an Tieren gewonnenen Ergebnisse zu Therapien führen, die auch die Nervenzellen im Gehirn von Menschen schützen und wiederherstellen können.
Dr. Vincent Ries ist Arzt am Universitätsklinikum und als wissenschaftlicher Mitarbeiter auch Mitglied des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität. In den vergangenen Jahren forschte er an der New Yorker Columbia University und erhielt im Januar 2005 ein Stipendium der Michael J. Fox Foundation, einer US-amerikanischen Stiftung, die Forschungsarbeiten über Morbus Parkinson fördert.
Was ist Parkinson?
Die Parkinson-Krankheit (Morbus Parkinson) ist eine der häufigsten Erkrankungen des Nervensystems. In Deutschland sind davon zwischen 200.000 und 250.000 meist ältere Menschen betroffen. Zu ihren motorischen Symptomen gehören Bewegungsverlang-samung, Muskelsteifheit und ein charakteristisches Zittern. Ursache der Symptome ist, dass – aus noch ungeklärtem Grund – Dopamin-produzierende Nervenzellen in der Substantia Nigra absterben. Diese Gehirnregion ist der wichtigste Produktionsort des Botenstoffes Dopamin, der von dort über Nervenfasern im Gehirn verteilt wird. Gehen hier Nervenzellen zu Grunde, kommt es zum Dopaminmangel im Gehirn. Die motorischen Symptome der Krankheit werden heute therapiert, indem mit Hilfe Dopamin-artiger Medikamente (L-DOPA, Dopamin-Agonisten) der Dopaminmangel ausgeglichen wird.
Kontakt
Dr. Vincent Ries
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Abteilung für Experimentelle Neurologie, Biomedizinisches Forschungszentrum, Hans-Meerwein-Straße, 35032 Marburg
sowie Klinik für Neurologie (Direktor: Professor Dr. Wolfgang H. Oertel), Rudolf-Bultmann-Str. 8, 35033 Marburg
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