28.04.2006
Ritterkreuz der Ehrenlegion für Hermann Hofer
Marburger Professor für Romanistik wurde in einem Festakt der Französischen Botschaft geehrt
Mit einem feierlichen Empfang durch S.E. Claude Martin, Botschafter der Französischen Republik in Berlin, wurde der Marburger Romanist Professor Dr. Hermann Hofer am 27. April 2006 geehrt. Anlass war die Zuerkennung des Ritterkreuzes des höchsten französischen Staatsordens, der Ehrenlegion (Légion d’Honneur), durch den französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac, die bereits am 2. Juli 2005 stattgefunden hatte. Gestern nun wurde Hofer mit dem Orden dekoriert. Die Ehrung, die erstmals an einen Romanisten vergeben wurde, wurde Hofer für seine Förderung und Pflege der deutsch-französischen Beziehungen und sein wissenschaftliches und künstlerisches Lebenswerk zuteil.
Zu Professor Dr. Hermann Hofers Leben und Werk:
Hermann Hofer verbrachte eine zweisprachige und bikulturelle Jugend in der Franche-Comté, im Jura und in Bern. Früh prägten ihn seine verwandtschaftlichen Einbindungen in die Familien von Romain Rolland und Georges Bernanos. Nach dem Abitur und Aufenthalten in Italien studierte er Romanistik, Germanistik, Philosophie, Musik- und Kunstwissenschaft in Frankreich und in der Schweiz. Zu seinen prägenden Lehrern gehören Minder, Fabre, Alquié, Petit, Messiaen, Walzer, Gauss, Hahnloser, Boutière, Wahl, Kohlschmidt und Heinimann.
Ab 1961 war Hofer Lehrer in Brienz, Signau, Saint-Denis und – bereits summa cum laude promoviert und habilitiert – in Bern bis 1974. Aus der Berner Zeit rührt seine wichtige freundschaftliche Beziehung zu dem Theologen, Autor und späteren Kardinal Hans Urs von Balthasar. In dieser Zeit entwickelte er auch eine intensive literaturkritische Tätigkeit für den Rundfunk (für die Schweizerischen Sender Sottens und Beromünster wie auch für France Musique) und für Zeitungen (Neue Zürcher Zeitung, Le Monde). In Paris hatte er das für ihn entscheidende Glück, Bekanntschaften und Freundschaften schließen zu können mit Sartre, André Malraux, Clara Malraux, Georges-Arthur Goldschmidt, Chabaneix, Marcel und anderen wichtigen Autoren der Zeit.
1968 zeichnete ihn die Académie de la Manche mit dem Prix Barbey d’Aurevilly für seine Verdienste um die Wiederentdeckung dieses Autors aus, dem bis heute Hofers große wisssenschaftliche Neugier gilt.
Von 1974 bis 2004 war Hofer Professor für französische und provenzalische Literaturwissenschaft an der Philipps-Universität Marburg, wo er trotz seiner Rufe nach den USA und Frankreich blieb. Mehrmals wurde er zum Dekan des Fachbereichs Fremdsprachliche Philologien und zum geschäftsführenden Direktor des Instituts für Romanische Philologie gewählt.
1968 zeichnete ihn François Mitterrand für seine wissenschaftlichen Verdienste mit dem Orden der Palmes Académiques (Chevalier) aus. Hofers Unterricht umfasste alle Perioden der französischen Literatur vom 12. bis zum 20. Jahrhundert sowie die altprovenzalische Lyrik der Troubadours. Dazu führte er auch Veranstaltungen über die französische Oper durch, über frankophone Literaturen, über Theaterpraxis und Theaterregie. Darüber hinaus war er stark an vergleichenden Fragestellungen interessiert und bot Veranstaltungen über französisch-deutsche literarische komparatistische Themen mit Kollegen des Fachbereichs Germanistik und Kunstwissenschaften an (Professoren Bänsch, Mattenklott und Pickerodt), ebenso wie Veranstaltungen zur politischen Aktualität in Deutschland und Frankreich am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie (Professoren Deppe, Fülberth, Kühnl und Rupp). Mehrere seiner Schüler unterrichten heute als Professoren in Deutschland, Frankreich und den USA.
Während langer Jahre war Hofer gewählter Korrespondent der Société d’Histoire Littéraire de la France, der Société Française d'Etude du XVIIIe siècle und der Société des Etudes Romantiques, dazu Mitherausgeber der Fachzeitschrift Lendemains sowie der ersten kritischen und kommentierten Gesamtausgabe der Correspondance Générale von Barbey d’Aurevilly in neun Bänden.
Er schrieb Bücher über Barbey d’Aurevilly, Louis-Sébastien Mercier, Charles Nodier, Hector Berlioz, die Literatur der Französischen Revolution, Literatur und Faschismus in Frankreich (1933 bis 1944), Literatur und Musik in Frankreich im 19. Jahrhundert und weitere. Daneben verfasste er zahlreiche Einzelstudien über Balzac, Bernanos, Rolland, Guérin, Stendhal, Offenbach, Meyerbeer, Janin, Gautier, Colette, Voltaire, Diderot, Brod, Hoffmann, Dumas, Magnard, Pascal, Descartes, Nietzsche, Dostojewskij, Richepin, Gotthelf, Villers, Laclos, Brasillach, Sagan, Rétif, Soulié, die Französische Frühromantik, die Librettologie, die Musikkritik und andere.
Auch mit Erstübersetzungen trat Hofer hervor: Barbey und Nodier übertrug er ins Deutsche, Freud und Kafka ins Französische. Er war Organisator oder leitender Mitveranstalter mehrerer Kongresse etwa zu Nodier (Besançon 1980), Barbey (Paris 1989), Werner Krauss (Marburg 2000) und Berlioz (Essen-Werden 2003, zusammen mit M. Brzoska). Viele seiner Großprojekte wurden durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft und das Pariser Centre de la Recherche Scientifique sowie durch den Schweizerischen Nationalfonds finanziell gefördert. Zu den internationalen Forschungsunternehmen, an denen Hofer mitwirkte, gehören das Dictionnaire Berlioz, Musik in Geschichte und Gegenwart, Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, Le Préromantisme und das Lexikon der Oper.
Über seine universitären Verpflichtungen hinaus (die namentlich auch die Betreuung von Thèses d’Etat in Frankreich mit einschlossen) war Hofer künstlerisch tätig und beschäftigte sich mit literarischen, dramaturgischen und musikalischen Gebieten. Französische Romane und Theaterstücke, Konzerte, Inszenierungen (z.B. Berlioz’ La Damnation de Faust) gehören zu seinem Spektrum, zudem war er Mitbetreuer beziehungsweise -verfasser von Programmheften unter anderem für die Opernhäuser von Hamburg und Düsseldorf/Duisburg.
Hofer ist Mitglied der Société des Ecrivains Normands, mit der er durch seine Familie und namentlich seinen Paten Hermann Quéru, Autor und Résistancekämpfer, sehr verbunden ist. Für seine Verdienste um die Erschließung der französischen Barockmusik (etwa Gilles und Couperin) ernannte ihn die Société Marc-Antoine Charpentier (Paris/Versailles) im Jahr 2004 zum Ehrenmitglied.