17.05.2006
Das Marburger Promotionskolleg ist eröffnet!
„Sternstunde der Marburger Geisteswissenschaften“ – Rund dreihundert Doktoranden profitieren bereits von interdisziplinärer Vernetzung – Offizielle Eröffnungsfeier in der Alten Aula
Von den ersten konkreten Planungen bis zur gestrigen offiziellen
Eröffnung dauerte es knapp zwei Jahre: Am gestrigen Dienstag, dem 16.
Mai 2006, wurde das
Marburger Promotionskolleg für Geistes- und
Sozialwissenschaften
eröffnet, das seit wenigen Wochen als neues
Wissenschaftliches Zentrum der Universität fungiert. „Eine der
Sternstunden der Marburger Geisteswissenschaften“, so sagte Professor
Dr. Ulrich Winter, Romanist und Mitglied des als Wissenschaftliches
Zentrum der Universität fungierenden Promotionskollegs, in seiner
Eröffnungsrede. Das „Gesamtkunstwerk“, von dem schon seit Oktober 2005
knapp dreihundert Doktorandinnen und Doktoranden der
Philipps-Universität profitieren, sei das Ergebnis intensiver und
beharrlicher Arbeit vieler Beteiligter: Darunter die
Kunstgeschichtlerin und Vizepräsidentin Professorin Dr. Katharina
Krause, die das Projekt federführend leitet, und Vizepräsident
Professor Dr. Gerhard Heldmaier, der gemeinsam mit der
Forschungsreferentin Dr. Bärbel Grieb das wesentliche formale
Instrumentarium für die Einrichtung einer solchen Institution
geschaffen habe. Insbesondere auch die Koordinatorin des
Promotionskollegs, die Hispanistin Susanne Igler, und ihre beiden
Mitarbeiterinnen Nadine Chmura und Julia Bender-Helfenstein erhielten
für ihr „großartiges Engagement“ Lob von allen Seiten.
Das Promotionskolleg unterstützt Promovierende auf vielfältige Weise.
Zum einen bietet es den organisatorischen Rahmen, um in Arbeitsgruppen
(mit oder ohne Betreuung durch Hochschullehrer) interdisziplinär
zusammenarbeiten zu können, zum anderen offeriert es ein
promotionsbegleitendes Veranstaltungsprogramm (mit Themen wie
„Studieren mit Kind“, „Wissenschaftliches Schreiben“, „Was ist eine
erfolgreiche Disputation?“) und unterstützt – auf Antrag –
Tagungsprojekte oder die Einladung internationaler Gastreferenten. „16
Arbeitsgruppen haben sich bereits gebildet“, so Ulrich Winter, „seit
Oktober haben über fünfzig Gruppentreffen stattgefunden.“ Darüber
hinaus veranstalteten die Promovierenden bereits zwei internationale
sowie zwei interne Tagungen und luden eine Reihe von Gastprofessoren
etwa aus Italien und Griechenland als Gäste nach Marburg ein. Immerhin
jeder dritte ihrer Anträge auf finanzielle Unterstützung konnte
bewilligt werden.
Winters Rede folgte ein Grußwort von Universitätspräsident Professor Dr. Volker Nienhaus. Nienhaus hob vor allem auch auf die weit reichenden Konsequenzen ab, die der europaweite Bologna-Prozess für Promovierende habe. Dem vielfach und auch in Marburg praktizierten „Modell Robinson“, bei dem Doktoranden meist einsam bleiben, weil sie kaum Gesprächspartner mit gleichen wissenschaftlichen Interessen haben, wolle die EU „wohl strukturierte Promotionsstudiengänge“ gegenüberstellen, die ihrerseits aber natürlich andere Einschränkungen mit sich bringen. Ob solche „Studiengänge“ daher die Zukunft seien? Nienhaus selbst sprach sich für einen Mittelweg aus, nämlich „strukturierte Promotionsprogramme“, die die Nachteile beider Varianten vermeiden, ihre Vorteile aber kombinieren. Das Promotionskolleg entspricht seiner Erwartung offenbar in vollem Maße: „Weiter so!“, gab Nienhaus den Organisatoren mit auf den Weg.
Im Anschluss ließ Daniela Arnold, Mitglied des Promotionskollegs, ein „Streiflicht“ über ihre bisherigen Erfahrungen wandern, bei dem sie insbesondere die Förderung des Netzwerkgedankens durch das Kolleg hervorhob, was insbesondere angesichts „bescheidener“ Berufsperspektiven immer wichtiger werde.
Und schließlich hielt Jürgen Kaube, Redakteur für Wissenschafts- und Bildungspolitik der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, den Festvortrag. Kaube, der in der FAZ-Sonntagszeitung auch die Geistes- und Sozialwissenschaften betreut, widmete sich dem Thema "Was ist Marburg? Eine Frage von 1930, wiederaufgenommen 2006". In seinem einstündigen Vortrag („das entspricht etwa zwanzig FAZ-Leitartikeln“) entzog sich Kaube zwar der Antwort auf diese Frage (die ursprünglich vom Romanisten Leo Spitzer gestellt worden war), widmete sich dafür aber umso intensiver einer geistreichen Betrachtung gegenwärtiger und vergangener geisteswissenschaftlicher Forschungslandschaften.
Während sich Katharina Krause wegen ihrer neuen Verpflichtungen als Vizepräsidentin bald aus der Leitung des Promotionskollegs zurückziehen wird, fällt das Promotionskolleg künftig in das Ressort von Professorin Dr. Babette Simon, die seit April ebenfalls als Vizepräsidentin amtiert und für Chancengleichheit und Nachwuchsförderung zuständig ist.
Einen Blick in die Zukunft des Promotionskollegs warf indessen Ulrich Winter: „Der nächste Schritt ist die Wahl eines Direktoriums und die Organisation eines vielfältigen Veranstaltungsprogramms für das kommende halbe Jahr.“ Bereits im Herbst sei zudem ein „Open Space“ geplant, ein Treffen für alle Promovierenden des Kollegs, um bislang unentdeckte Möglichkeiten der Zusammenarbeit zu finden. Mittelfristig, so Winter, wenn eine Kontinuität im Veranstaltungsprogramm gefunden sei, werde es dann vorwiegend um „inhaltliche Schwerpunktbildung und um die Außenrepräsentation auf nationaler und internationaler Ebene gehen.“