31.01.2007
Immun gegen Alzheimer?
Internationales Konsortium unter Marburger Beteiligung erhält hohe EU-Förderung – Bereits in drei Jahren sollen klinische Studien stattfinden – Impfstoff nutzt körpereigene Immunabwehr
Neurologen der Philipps-Universität Marburg sind an einem internationalen Konsortium beteiligt, das binnen drei Jahren einen neuartigen Alzheimer-Impfstoff entwickeln will und von der Europäischen Union nun mit 2,4 Millionen Euro gefördert wird. Das Konsortium namens MimoVax, an dem mit der TU München eine weitere deutsche Institution beteiligt ist, wird von der Wiener Affiris GmbH koordiniert, einem auf peptidbasierte Impfstoffe spezialisierten Unternehmen, das gemeinsam mit Partnern weitere 2 Millionen Euro in das Vorhaben investiert. Leiter des Marburger Teilprojekts ist Dr. Richard Dodel, Professor am Fachbereich Medizin der Philipps-Universität Marburg und Ko-Direktor an der Klinik für Neurologie des Universitätsklinikums Gießen und Marburg, Standort Marburg.
Die Alzheimer-Krankheit wird durch die Bildung und Ablagerung von Beta-Amyloid an Nervenzellen im Gehirn verursacht, es entstehen so genannte Amyloid-Plaques. Beta-Amyloide bestehen aus kleinen Bruchstücken (so genannten Peptiden, also kurzen Eiweißketten) eines größeren Proteins, dem so genannten Amyloid-Präkursor-Protein (APP), die sich als Angriffspunkte für Therapien eignen. Kürzlich wurden erste Versuche mit einer aktiven Immunisierung mit Amyloid–Peptiden durchgeführt.
Überschießende Immunreaktionen
„Die erste bisher durchgeführte Alzheimer-Vakzinierung endete allerdings in einer überschießenden Immunreaktion“, erklärt der Neurologe Dodel. Eine weltweite Studie der klinischen Phase II zeigte, dass eine Impfung mit dem Beta-Amyloid Aß zu starken Entzündungsreaktionen im Gehirn führt (Neuroinflammation) und unter anderem bewirkt, dass sich zerstörerische T-Zellen („Killerzellen“) im Gehirn ausbreiten.
Ziel des MimoVax-Projekts ist nun die Anwendung einer von Affiris entwickelten Technologie, um mit einer neuartigen Impfung seltene, besonders schädliche Formen des plaquebildenden Beta-Amyloids Aß zu reduzieren. Gleichzeitig wird vermieden, dass es zu einer Aktivierung von T-Zellen kommt. Ziel ist, neben dieser aktiven Immunisierung, im Rahmen derer der Organismus eigene Antikörper entwickelt, auch die Möglichkeit der passiven Immunisierung zu untersuchen.Wieviele Antikörper gelangen tatsächlich ins Gehirn?
Richard Dodel gehört zu den ersten Forschern, denen es vor einigen Jahren gelang, aus menschlichem Blut Antikörper gegen die plaquebildenden Peptide zu isolieren. Die Aufgabe seines Teams ist nun unter anderem, zu untersuchen, wie sich die Antikörper im Organismus verteilen: Welcher Anteil davon reichert sich in Organen wie Niere oder Leber an oder wird durch Stoffwechselprozesse abgebaut? Und wieviele davon passieren tatsächlich die „Blut-Hirn-Schranke“, gelangen also ins Gehirn und entfalten dort ihre Wirkung?
Das zweite wichtige Thema der Marburger Forscher ist die mit diesem Vorgang verbundene Verringerung der Neuroinflammation im Zentralen Nervensystem. Nachgewiesen werden soll diese anhand der Aktivität der Microgliazellen. Diese „Fresszellen“ beseitigen normalerweise die Reste entzündeten Gewebes – wenn ihre Aktivität nachlässt, kann also auch auf einen Rückgang der Entzündungsprozesse im Gehirn geschlossen werden.
Erste Ergebnisse in der Therapie von Patienten erwartet das auf drei Jahre angelegte MimoVax-Projekt im Jahr 2009. Dann soll die neue Technologie in einer klinischen Studie der Phase I eingesetzt werden.
Die Alzheimer-Krankheit ist die am weitesten verbreitete Form der Demenz, an ihr leiden derzeit rund 12 Millionen Patienten weltweit. Noch ist kein wirksames Mittel verfügbar, das den Untergang der Nervenzellen im Gehirn stoppen könnte. Gekennzeichnet ist das Krankheitsbild durch Gedächtnis- und Orientierungsstörungen sowie Störungen des Denk- und Urteilsvermögens.
Homepage des MimoVax-Konsortiums
Kontakt
Professor Dr. Richard Dodel
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Medizin, Nervenklinik, Klinik für Neurologie, Rudolf-Bultmann-Straße 8, 35032 Marburg
Tel.:
(06421) 28 66251
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