05.12.2007
Philipps-Universität nimmt erstes deutsches BSL 4-Labor in Betrieb
Das BSL 4-Labor (Biologischer Sicherheitslevel 4) entspricht der höchsten Sicherheitsstufe nach dem Gentechnikgesetz. Dort sollen gefährliche Viren wie zum Beispiel die Erreger von Ebola, Sars oder Vogelgrippe und deren Varianten erforscht werden, um neue Diagnosemethoden, Impfstoffe und Therapien zu entwickeln. Vergleichbare Einrichtungen gibt es gegenwärtig in Europa nur in Lyon und Stockholm.

Das neue, auf einer Grundfläche von 20 mal 20 Metern errichtete Gebäude verfügt über eine Hauptnutzfläche von 663 Quadratmetern, wovon 285 Quadratmeter Laborfläche sind. Es enthält in vier Geschossen nur die Technik, die zur Forschungsarbeit im mittleren Stockwerk unabdingbar ist. Das Laborgeschoss ist faktisch ein Gebäude im Gebäude, ein von den restlichen Stockwerken und von der Außenwelt hermetisch abgekapselter Bereich. Um weder die in dem Labor arbeitenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, noch die Umwelt zu gefährden, wurden höchste Sicherheitsanforderungen verwirklicht.
Etwa die Hälfte der Baukosten von rund 11,5 Millionen Euro, die von Land und Bund finanziert werden, entfiel auf technische Ausstattung. „Der Bau ist nach den technisch neuesten Erkenntnissen und Fortschritten umgesetzt“, freut sich Thomas Platte, Direktor des Hessischen Baumanagements. Zusammen mit renommierten Fachplaner, dem Regierungspräsidium Gießen und Mitarbeitern der Philipps-Universität Marburg und 32 Firmen wurde das Gebäude errichtet. Besonderes Augenmerk wurde auf den technisch dichten Laborraum aus Edelstahl und die Lüftungsanlage gelegt, um bei allen Betriebszuständen eine Gefährdung der Umwelt und der Mitarbeiter auszuschließen.

Pünktlich zur Übergabe des Labors hat Prof. Dr. Stephan Becker am 1.12.2007 seine Arbeit in Marburg aufgenommen. Er übernimmt die Leitung des Instituts für Virologie von Prof. Dr. Hans-Dieter Klenk, der emeritiert wird. Becker, der sich über das "Marburg-Virus" habilitiert hat, ist weltweit einer der führenden Experten für diesen Virus. „Das Ziel unserer Forschungen wird sein, krankheitsauslösende Mechanismen zu verstehen und neue Diagnosemethoden zu etablieren“, so Becker, der mit seiner Arbeitsgruppe bereits einen Antrag auf einen Sonderforschungsbereich bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft vorbereitet hat.
Marburg hat eine vierzigjährige Erfahrung mit hochpathogenen Viren. Der Ausbruch eines schweren hämorrhagischen Fiebers unter Mitarbeitern der damaligen Behring Werke, die mit importierten Affen gearbeitet hatten, löste 1967 in der Bevölkerung und in Fachkreisen große Bestürzung aus. Dieser Ausbruch markierte für Deutschland den Beginn eines Phänomens, das heute „Emerging Viruses“ genannt wird: hochpathogene Viren, die wie aus dem Nichts auftauchen, schwerste Erkrankungen auslösen und wieder verschwinden. Der Erreger der so genannten „Marburger Affenkrankheit“ wurde damals in sehr kurzer Zeit an der Philipps-Universität entdeckt.

Nach wie vor wird auch das neue Labor für die Diagnostik von importierten (z.B. Marburg-, Ebola- und Lassaviren), neuen (z.B. SARS-Coronavirus) und ausgerotteten (z.B. Pockenviren) Viruserkrankungen genutzt. Aufgrund dieser Aufgabe wird eine Betriebsbereitschaft von 365 Tagen, 24 Stunden versichert. Dabei wird großen Wert auf die enge Zusammenarbeit mit dem Behandlungszentrum für hochpathogenen Viruserkrankungen in Frankfurt gelegt, um als Kompetenznetzwerk für diese Aufgabe gewappnet zu sein.

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