09.12.2007
Sichtbare Orientwissenschaften in Marburg
Das Centrum für Nah- und Mittelost-Studien (CNMS) der Philipps-Universität Marburg ist am 11. Dezember 2007 offiziell eröffnet worden. Im Gegensatz zu anderen Orientzentren in Deutschland verbindet es Sprach- und Kulturkompetenz mit gegenwartsbezogenen sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen.
Das Marburger CNMS bezieht eine Vielzahl von Fächern ein: Neben den Sprach-, Literatur- und Geschichtswissenschaften werden Arabistik, Iranistik, Islamwissenschaften sowie Politik und Wirtschaft des Nahen und Mittleren Ostens als neue Fachgebiete etabliert. Die Zahl der Professuren wird von zwei auf sieben erhöht, insgesamt werden hier 20 Personen arbeiten.
„Diese Vielseitigkeit wird das Profil des Centrums für Nah- und Mittelost-Studien prägen und damit auch die Internationalität der Marburger Universität weiter stärken“, hob der Hessische Wissenschaftsminister Udo Corts bei der Feier hervor. Die Studierenden erhielten mehr als früher in diesen Studiengängen üblich eine Vorstellung darüber, wo und wie sie ihre erworbenen Kenntnisse in Zukunft anwenden könnten. Der Bezug zu globaleren Arbeitsorten und die Möglichkeiten, über die klassischen Arbeitsfelder der Orientalisten hinaus auch weiter im Fach tätig sein zu können, erhöhe die Attraktivität des Studiengangs. Schon jetzt verzeichne man mit dem Anstieg der Studierendenzahlen von 35 im Wintersemester 2004/2005 auf 97 im Wintersemester 2007/2008 eine für das Fach Orientwissenschaft ungewöhnliche Steigerungsrate.Universitätspräsident Prof. Dr. Volker Nienhaus verwies darauf, dass es mit dem im CNMS vertretenen Fächerspektrum möglich sein werde, eine moderne und attraktive multidisziplinäre Lehre anzubieten und Forschung zu betreiben; auch für Beratungsaufgaben sei man bestens gerüstet. Die Verbindung von Sprach- und Kulturkompetenz mit sozial- und wirtschaftswissenschaftlichen Kenntnissen werde den Absolventen des CNMS vielfältige Berufsfelder erschließen und Karrierewege eröffnen.
2005 hatte die Philipps-Universität Marburg mit der Universität Bagdad als der größten und bedeutendsten Hochschule des Irak ein Kooperationsabkommen geschlossen, das ihr die Position eines privilegierten Partners für den weiteren Ausbau der Wissenschaftsbeziehungen zwischen der Universität Bagdad und anderen deutschen Universitäten einräumt. In diesem Jahr folgte das Kooperationsabkommen mit der größten syrischen Hochschule, der Universität Damaskus. Die Organisation internationaler Konferenzen ist ein weiteres Anliegen des Centrums für Nah- und Mittelost-Studien; so ist es bereits gelungen, den Deutschen Orientalistentag 2010 nach Marburg zu holen.
Nach dem Gießener Osteuropazentrum ist das Marburger Zentrum nun als zweites Institut eröffnet worden. In Frankfurt entsteht ein Interdisziplinäres Zentrum für Ostasienwissenschaften. „In den Zentren entstehen ganze Forschungsbereiche neu, und diese bieten dem in diesen Fächern stark vertretenen wissenschaftlichen Nachwuchs ad hoc eine gute Entwicklungsmöglichkeit“, sagte Staatsminister Corts.
In den Regionalwissenschaften war wiederholt festgestellt worden, dass die vorhandene Ausstattung – in der Regel mit Ein-Personen-Professuren – der Breite und der im Rahmen der Globalisierung zunehmenden Bedeutung dieser Fächer nicht entspricht. Diese Fächer haben zu wenig Studierende, deren Zahl allerdings nach Einführung der so genannten leistungsorientierten Mittelvergabe für die Finanzierung ausschlaggebend ist. Folglich mussten die Universitäten für den einzelnen Studierenden in diesen Fächern ein Mehrfaches von dem aufwenden, was sie tatsächlich dafür bekommen konnten.
Die Frage, wie die Zukunft der in ihrer Existenz bedrohten kleineren geisteswissenschaftlichen Fächer in Zeiten knappen Geldes garantiert werden kann, ist mithin Ausgangspunkt des Konzepts zur Bildung geisteswissenschaftlicher Zentren, das Wissenschaftsminister Corts in Abstimmung mit den Präsidenten der Universitäten Frankfurt, Gießen und Marburg vorgeschlagen hatte: „Nur so können wir die Kontinuität der Regionalwissenschaften in den Sprach- und Kulturwissenschaften sichern.“ Alle Fächer blieben erhalten, aber nicht mehr an jedem einzelnen Standort. „Dass wir in Hessen dabei auf gutem Weg sind, haben auch die jüngsten Empfehlungen des Wissenschaftsrats zu den Regionalstudien an den deutschen Hochschulen gezeigt.“
Das Hessische Ministerium für Wissenschaft und Kunst unterstützt die Zentrenbildung bis zur Evaluation 2010 mit insgesamt rund 14 Millionen Euro. Allein für den Aufbau des Centrums für Nah- und Mittelost-Studien werden bis dahin 1,2 Millionen Euro pro Jahr zur Verfügung gestellt. In den Jahren 2009 und 2010 werden die Zentren evaluiert und damit auch von einer internationalen Fachwelt überprüft.
Staatsminister Corts hob hervor, dass es in den Diskussionen über die Zentrenbildung praktisch kein Argument gegeben habe, das von Ministerium und Universitätsleitungen außer Acht gelassen worden wäre. „In einer regen Auseinandersetzung mit den Präsidenten, den Professoren und vor allem auch mit der einhelligen Unterstützung des Hessischen Landtags sind die Zentren auf die Beine gestellt worden.“ Im Hinblick darauf, dass vereinzelte Klagen von Studierenden und Professoren gegen das Konzept von den Gerichten abgewiesen worden waren, fügte er hinzu, das Projekt sei auch juristisch anerkannt.
„Die Konzeption, nicht nur die Forschung im
Centrum für Nah- und Mittelost-Studien zu erneuern, sondern die
Umstellung auf konsekutive Studiengänge auch dafür zu nutzen, die
Studieninhalte neu zu orientieren, ist sinnvoll und hier auch
realisiert worden“, sagte der Minister. Die bereits angesprochenen Rufe
für die Professuren werden das Studium noch attraktiver machen.
„Der Transfer der Orientbibliothek von Frankfurt nach Marburg ist
gesichert“, sagte der Minister: Bis 15. Februar 2008 würden die
wesentlichen Bestände, die die Universität Marburg benötige, umziehen.
„Forschung und Lehre, die neuen Berufungen und die neuen Projekte sind
damit in eine Arbeitssituation versetzt, wie sie besser nicht seien
könnte.“ Die neuen Räume des CNMS in unmittelbarer Nachbarschaft der
Elisabethkirche in Marburg seien ein weiterer wesentlicher und
wichtiger Faktor für das neue Zentrum.
Weitere Informationen:
-
Homepage des CNMS: www. uni-marburg.de/cnms
-
Ansprechpartnerin: Dr. Leslie Tramontini, Geschäftsführerin des Centrum für Nah- und Mittelost-Studien Deutschhausstr. 12, 35032 Marburg
Tel. 06421 28- 24946, E-Mail: cnms@staff.uni-marburg.de