19.04.2007
„Herausragende deutsche Neutestamentlerin der Gegenwart“
Die Feministische Theologin Professorin Dr. Luise Schottroff, die derzeit auch durch ihre Herausgeberschaft der „Bibel in gerechter Sprache“ viel Aufmerksamkeit erfährt, wurde mit der Ehrenpromotion des Fachbereichs Evangelische Theologie ausgezeichnet – „Eine der wenigen ihrer Disziplin, die auch öffentlich Gehör finden“
„Ohne Frauen wie Dich könnte ich nicht hier stehen“, so sagte Professorin Dr. Angela Standhartinger, Dekanin des Fachbereichs Evangelische Theologie der Philipps-Universität Marburg, in ihrem Grußwort. Professorin Dr. Luise Schottroff, eine „herausragende deutsche Neutestamentlerin der Gegenwart“, sei zu einer Zeit Professorin geworden, in der die Ordination evangelischer Pfarrerinnen „sich erst ganz langsam und gegen erbitterte Widerstände durchzusetzen begann“, und mit Mut und Beharrlichkeit einen schwierigen Weg gegangen, dessen Mühen auch in der Gegenwart noch zu spüren seien. Standhartinger sei stolz, Schottroffs Namen nun in der illustren Reihe der Marburger Ehrendoktor(inn)en der Theologie zu sehen, zu denen etwa Günther Bornkamm und Ernst Käsemann zählen.
Die Ehrenpromotion Schottroffs, die am 18. April 2007 in der Aula der Alten Universität stattfand, würdigte das reiche Lebenswerk einer auch international renommierten Theologin. Dem Grußwort von Vizepräsidentin Professorin Dr. Katharina Krause folgte die Laudatio von Professor Dr. Rainer Kessler. Schottroffs 25 Buchpublikationen –unter anderem „Jesus von Nazareth“ (2000) mit Dorothee Sölle – deckten allein sechs Fachrichtungen der Theologie ab, so der Marburger Alttestamentler: Altes und Neues Testament, Systematische Theologie, Sozialethik, Hermeneutik und Praktische Theologie.
Als „Grenzgängerin“ habe sie, die bis 1999 als Hochschullehrerin in Kassel tätig war, Fachgrenzen überbrückt, mühelos vor allem auch zwischen Altem und Neuem Testament gewechselt und nach ihrer Pensionierung schließlich auch die geografischen Grenzen zwischen Europa und den USA überquert. Sowohl in Berkeley, Kalifornien, als auch in New York, wo sie einige Jahre als Visiting Professor lehrte, war sie hochwillkommen."Zur feministischen Theologin geworden"
Indem sie Beiträge zur Befreiungstheologie in der BRD formulierte, ihre Kritik an Frauenverachtung und Antijudaismus deutlich machte oder maßgeblich die Kriterien für eine Neuübersetzung der „Bibel in Gerechter Sprache“ (2006) mitfestlegte und praktisch anwandte, habe Schottroff stets breite Wirkung auch außerhalb ihrer Disziplin entfaltet. Sie, die „im Laufe ihres Lebens zur feministischen Theologin geworden“ ist, setzte insbesondere auch maßgebliche Impulse für die Entwicklung der sozialgeschichtlichen Exegese. Stellvertretend nannte Kessler das Werk „Lydias ungeduldige Schwestern“ (1994), in der sie die feministische Sozialgeschichte des frühen Christentums schrieb. Als Mitgründerin der European Society of Women in Theological Research (ESWTR, seit 1986) habe sie zudem ein Netzwerk für Theologinnen aller Fachrichtungen gegründet und mit dem „Wörterbuch Feministische Theologie“ (1991, mittlerweile in 2. Auflage) ein wichtiges theologisches Grundlagenwerk geschaffen.
Nicht zuletzt seien auch „Lebensfragen der Gegenwart“ im Zentrum von Schottroffs Interessen gestanden, ob sie diese nun seit einem Vierteljahrhundert im Rahmen der Evangelischen Kirchentage oder in früheren Jahren auch bei Kasernenbesetzungen und mit prägnant-provokativen Sätzen („Gott will die 35-Stunden-Woche!“) in öffentlichkeitswirksamer Weise beantwortete.
In ihrer wissenschaftlichen Arbeit setzte Schottroff in den
vergangenen dreißig Jahren maßgebliche Impulse für die Entwicklung der
sozialgeschichtlichen Exegese, des christlich-jüdischen Dialogs und vor
allem für die Feministische Theologie. Zuletzt erfuhr sie durch ihre
Herausgeberschaft der „Bibel in gerechter Sprache“ große öffentliche
Aufmerksamkeit. Ihre Verbindung zu Marburg reicht in die 1960er Jahre
zurück, als sie den „Alten Marburgern“ angehörte, einer Studiengruppe
um den Neutestamentler Rudolf Bultmann. Seither unterhält sie
vielfältige Forschungskontakte zur Theologischen Fakultät der
Philipps-Universität.
"Heimat in der akademischen Welt gefunden"
„Mir ist, als habe ich in Marburg mit dieser Auszeichnung eine Heimat in der akademischen Welt gefunden“, so bedankte sich Professorin Dr. D. Luise Schottroff schließlich in ihrem Festvortrag. Neben anderen seien es allein acht Marburger Kolleg(inn)en, die an der „Bibel in gerechter Sprache“ mitwirkten: Darauf sei sie besonders stolz, weil diese neue Heimat nun auch als „Ort der Innovation“ gelten könne.
Ihre Rede „Sehen lernen. Die Gleichnisse Jesu“ widmete sie einem Gleichnis aus dem Neuen Testament, in dem ein König Gäste zu einem Hochzeitsmahl für seinen Sohn einlädt (Mt 22,1-14). Anhand ihrer Neuübersetzung in „gerechter Sprache“ machte Schottroff deutlich, wie die sozialgeschichtliche Kenntnis der „imperialen Gastmahlpolitik“ eine neue Interpretation des Textes erfordere. Durch diese lasse sich etwa verhindern, dass Gott mit einem „brutalen Machtmenschen“ (dem König aus dem Gleichnis) identifiziert werde oder dass die wörtliche Übersetzung des Verses „Denn viele sind berufen, aber wenige sind auserwählt“ als „Schlagwort des christlichen Antijudaismus“ missbraucht werden könne (anders als der neue Text: „Gott ruft alle Völker, aber das schwächste liebt er besonders.“).
Im Rahmen des Festakts wurde auch ein Grußwort von Professorin Dr.
Ilse Müllner, Dekanin des Fachbereichs Erziehungswissenschaft /
Humanwissenschaften der Universität / Gesamthochschule Kassel, wo
Schottroff bis 1999 lehrte, verlesen. Müllner konnte krankheitsbedingt
nicht an der Veranstaltung teilnehmen.
Erst die dritte Ehrenpromovendin
Die Verleihung der Ehrenpromotion des Fachbereichs Evangelische Theologie an Frauen hat noch keine kontinuierliche Tradition. Luise Schottroff ist erst die dritte Ehrenpromovendin, ihre Vorgängerinnen waren Hanna Jursch (1955) und Agnes von Zahn-Harnack (1949). Letztere allerdings, so ließ Angela Standhartinger nicht unerwähnt, sei damals vor allem für ihre Biografie über ihren berühmten Vater, den Theologen Adolf von Harnack (1851 bis 1930), geehrt worden, nicht für ihre interessanten Arbeiten zu Frauenfragen.
Kontakt
Professorin Dr. Angela Standhartinger
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Evangelische Theologie, Lahntor 3, 35032 Marburg
Tel.:
(06421) 28 22441
E-Mail