28.05.2007
Laser und Quantenchaos: Neue DFG-Forschergruppe bewilligt
Arbeitsgruppen deutscher sowie internationaler Universitäten beteiligt – Komplexe Systeme: „Weder regelmäßige Plantage noch unregelmäßiger Wald“ – Marburger Physiker Hans-Jürgen Stöckmann ist Sprecher der Forschergruppe „Scattering Systems with Complex Dynamics“
Für die Etablierung der Forschergruppe „Scattering Systems with Complex Dynamics“ bewilligte die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) insgesamt rund 1,3 Millionen Euro. Im Zentrum des Interesses der sechs beteiligten Arbeitsgruppen – sie stammen von den Universitäten Marburg, Göttingen, Dresden, Bremen, Regensburg und Freiburg – stehen Quantenphänomene und insbesondere das Quantenchaos.
Sprecher der auf mindestens drei Jahre angelegten Forschergruppe ist
Professor Dr. Hans-Jürgen Stöckmann vom Fachbereich Physik der
Philipps-Universität Marburg. Weitere internationale Gruppen werden
sich im Rahmen externer Projekte beteiligen. Ebenfalls fest geplant
sind mehrmonatige Gastaufenthalte von Wissenschaftlern („Fellows“) mit
höchstem internationalen Ansehen auf dem Gebiet der Quantenphysik,
nämlich die Professoren Rodolpho Jalabert (Strasbourg/Frankreich),
Felix M. Izrailev (Puebla/Mexico), Thomas H. Seligman
(Cuernavaca/Mexico), Uzy Smilansky (Rehovot/Israel) und Boris Shapiro
(Haifa/Israel).
Wellenecho gibt Auskunft über Eigenschaften eines Objekts
Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist ein einfaches physikalisches Phänomen: Elektromagnetische Wellen, die auf ein Objekt fallen, werden von diesem zurückgeworfen, „gestreut“. Analysiert man das Muster der gestreuten Wellen, so kann man auf die Eigenschaften des Objekts rückschließen. „Das ‚Wellenecho’ aus einer in regelmäßigen Mustern bepflanzten Obstbaumplantage zum Beispiel unterscheidet sich in charakteristischer Weise von dem Echo, das aus einem Wald stammt“, erklärt Stöckmann. Genutzt wird dieser Effekt zum Beispiel in der Computertomografie und bei der Fernerkennung von Erdölvorkommen.
Die Forschergruppe geht es nun um das „chaotische“ Streuverhalten so genannter komplexer Systeme: „Deren Atome und Moleküle sind weder ganz regelmäßig wie eine Plantage noch völlig unregelmäßig wie ein Wald angeordnet“, sagt Stöckmann. Mikroscheibenlaser zum Beispiel stellen ein solches System dar. Eingestrahltes Licht, das an den Atomen des scheibenförmigen Lasermaterials gestreut wird, wird von diesem als Laserlicht wieder ausgestrahlt. Je besser man die quantenmechanischen Vorgänge versteht, die diesem Prozess zugrunde liegen, desto einfacher ist die Entwicklung effizienterer Laser. Dabei geht es vor allem darum, dass das Licht den Laser nicht in alle Richtungen verlässt – das ist der unerwünschte Normalfall –, sondern gebündelt in eine bestimmte Richtung.
Ein weiteres Thema der Forschergruppe sind Randomlaser. Bei ihnen
erfolgt die Bündelung des eingestrahlten Lichts nicht durch externe
Spiegel, sondern – überraschenderweise – durch zufällig im
Lasermaterial verteilte Lichtstreuer. Normalerweise sind diese bei der
Erzeugung von Laserlicht eher störend. Die spannende Frage ist also:
Warum können selbst zufällige Streuprozesse dazu führen, dass sich hin-
und herreflektiertes Licht innerhalb des Lasermaterials an bestimmten
Stellen stark „konzentriert“?
Grundlagenforschung auch mit Blick auf künftige Quantencomputer
Ein drittes Thema ist die Langzeitstabilität quantenmechanischer Systeme. Während normale Computer mit magnetischen oder elektrischen 0/1-Zuständen arbeiten, werden künftige Quantencomputer auf so genannten Interferenzstrukturen basieren. Dabei sind viele Atome miteinander gekoppelt. Allerdings können solche Interferenzen leicht gestört werden und zerfallen dann durch Streuprozesse. Ziel ist daher, die „Überlebensdauer“ dieser Strukturen zu erhöhen.
Und schließlich werden sich die Forscher auch der Dynamik von ultrakalten Atomen beziehungsweise von Materiewellen (so genannten Bose-Einstein-Kondensaten) widmen. Dabei wird, vereinfacht gesagt, eine große Zahl von Atomen so koordiniert, dass sie sich wie ein einziges großes Atom verhalten. Konkret wird deren Verhalten dann auf der Oberfläche von Mikrochips untersucht, denn in dieser Kombination lässt sich das Phänomen für die Entwicklung hochsensibler Magnetfeld-Detektoren nutzen. Diese spielen unter anderem in Festplatten für die Datenspeicherung eine zentrale Rolle.
„Unser Ziel ist, den verschiedenen quantenphysikalischen Phänomenen,
die wir in unserer Arbeit untersuchen, einen einheitlichen
theoretischen Rahmen zu geben, der Voraussagen über Experimente
erlaubt“, sagt Stöckmann. So wäre es beispielsweise für die Entwicklung
neuer Laser wünschenswert, bereits vor einem Experiment quantitative
Aussagen über das Streuverhalten unterschiedlichster Materialien
treffen zu können. „Um dieses Ziel zu erreichen, müssen wir unsere
experimentellen und theoretischen Arbeiten jetzt eng miteinander
verknüpfen“, so Stöckmann.
Experimente finden mit Mikrowellen statt
Weil Experimente mit Licht allerdings nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten aufwerfen – die zu untersuchenden Strukturen, in denen das Licht gestreut wird, sind zu winzig –, wird die Forschergruppe mit Mikrowellen arbeiten: „Auch dies sind elektromagnetische Wellen, die sich von sichtbarem Licht nur durch die viel größere Wellenlänge unterscheiden“, so Stöckmann. „Weil die beobachtbaren Effekte dieselben bleiben, erlauben sie uns, mit größeren und damit leicht handhabbaren Materialstrukturen zu arbeiten.“
Insbesondere Nachwuchswissenschaftlern soll im Rahmen der Forschergruppe auch die Gelegenheit zur Mitarbeit in anderen Arbeitsgruppen gegeben werden. „Allein 60.000 Euro des bewilligten Koordinierungsbudgets in Höhe von über 200.000 Euro sind für solche Zwecke gedacht“, so Stöckmann. Eine ähnlich hohe Summe wird den Fellows zur Verfügung gestellt, die restlichen Koordinationsmittel dienen unter anderem der Organisation von Konferenzen und Graduiertenworkshops.Kontakt
Professor Dr. Hans-Jürgen Stöckmann
Philipps-Universität Marburg, Fachbereich Physik, Renthof 5, 35032 Marburg
Tel.:
(06421) 28 24137
E-Mail