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08.05.2007

Marburger Studierende diskutieren mit Bundesfinanzminister

Anna Klabunde und Tobias Karzel referierten vor Peer Steinbrück

Hervorragende Leistungen im Studium zahlen sich vielfältig aus: So hatten nun ausgewählte Marburger Studierende der Finanzwissenschaft die Gelegenheit, mit  Bundesfinanzminister Peer Steinbrück zu Mittag zu essen  - und zu diskutieren. Während der anderthalbstündigen Gesprächsrunde im kleinen Kreis von 20 Teilnehmern legte die Studentin Anne Klabunde in einem 10-minütigen Statement dar, warum es sich bei Ausgaben für Bildungs- und Familienpolitik um stark investive Aufgaben handele. In der Diskussion, an der Angehörige des Finanzministeriums und geladene Professoren  des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaften teilnahmen, erklärte Steinbrück, dass das das langfristige Ziel seiner Finanzpolitik die Erhöhung des möglichen Wachstums sei. Derzeit seien fast drei Viertel des Bundeshaushalts politisch nicht beeinflussbar, weil es sich um langfristige Verpflichtungen - vor allem Zinszahlungen – handele. In Zukunft müsse der finanzpolitische Handlungsspielraum durch mehr Investitionen anstelle von konsumtiven Ausgaben erhöht werden. Zukunftsträchtige Politikbereiche wie Kinderbetreuung und Bildung könnten dann besser ausgestattet werden.

Ein zweites Thema brachte der Student Tobias Karzel  ein. Karzel, der ebenso wie Klabunde im vergangenen Semester durch besonders herausragende Leistungen aufgefallen war, bot Reformvorschläge zur langfristigen Ausrichtung der Finanzpolitik an, u.a. die Schaffung einer von der Politik weitgehend unabhängigen Schuldenkontrollkommission. Auf zwei der Vorschläge ging Minister Steinbrück in seiner Antwort besonders ausführlich ein, so auf eine Neufassung des Art. 115 Grundgesetz, der vorschreibt, dass die Nettoneuverschuldung des Bundes nicht höher sein darf als seine Investitionsausgaben, aber auch auf die Einführung einer Schuldenbremse nach Schweizer Vorbild. In Bezug auf Art. 115 gehe es einerseits darum, den zugrundeliegenden Investitionsbegriff anzupassen, aber andererseits auch darum, Umgehungsmöglichkeiten des Artikels deutlich einzuschränken. Trotz derzeit sprudelnder Steuereinnahmen hält Steinbrück einen ausgeglichenen Haushalt bereits im nächsten Jahr für illusorisch. Im Gegenteil: Er verwies auf eine Reihe von Verpflichtungen, die in der Finanzplanung des Bundes bisher nicht ausreichend verankert seien. Dazu gehören u.a. die Kosten der Gesundheitsreform sowie die gestiegenen Kosten der Unterkunft für Arbeitslosengeld 2 („Hartz“)-Empfänger. Der Minister warb weiter dafür, Staatsausgaben in Zukunft einer systematischen Effizienzkontrolle zu unterziehen. Der von Sozialpolitikern häufig zu hörende Satz „viel bringt viel“ müsse in der Realität überprüft werden.

Steinbrück war auf Einladung der Marburger Gesellschaft für Ordnungsfragen der Wirtschaft, die die Forschungsstelle zum Vergleich wirtschaftlicher Lenkungssysteme in ihrer wissenschaftlichen Arbeit unterstützt, nach Marburg gekommen. Der erste Vorsitzender der Gesellschaft, Prof. Dr. Alfred Schüller, freute sich über den Besuch, vor allem auch weil Steinbrück sich so offen gegenüber den Analysen der ausgezeichneten Studierenden zeigte.