17.03.2008
Spektakuläres Briefkonvolut entdeckt
Brieffundus hessischer Offiziere reflektiert unzensiert den amerikanischen Unabhängigkeitskrieg
„Der Fund ist einzigartig, vor allem weil sich die private Briefsammlung zusammenhängend über den gesamten Kriegsverlauf spannt“, erklärt Dr. Holger Gräf vom Hessischen Landesamt für geschichtliche Landeskunde. Als der Historiker zusammen mit einem Nachfahren der von Gilsa vergangenes Jahr in dessen familiärem Schloss die über zweihundert Jahre alten Briefbündel im Pappkarton entdeckte, erkannte er sofort deren Potenzial. Schon nach der ersten flüchtigen Sichtung des Materials sei klar, dass die Reflexion über den Kriegsgegner sehr schnell in eine wachsende Hochachtung gegenüber der „amerikanischen Nation“ umschlage, so Gräf.
Insgesamt wurden die Briefe von zwölf Personen geschrieben, besonders intensiv von fünf Kriegsteilnehmern, darunter ein Feldprediger, Kommandeure und Leutnants. „Diese jungen hessischen Offiziere erlebten in Nordamerika erstmals ein Laboratorium der neuen Ideen. Wo sie zuerst hinabschauten auf die aufbegehrenden Bauernsöhne, da schrieben sie bald von einer besonderen und eigenen Dynamik eines jungen Volkes“, sagt Prof. Dr. Christoph Kampmann, Professor für Geschichte an der Philipps-Universität Marburg. Der Fund sei hervorragend geeignet, um abstrakte Themen wie Selbstverständnis von Adel, Nation und Demokratie plastisch zu veranschaulichen, nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Lehre.
In den nächsten zwei Jahren werden die Briefe mit Unterstützung der Deutschen Forschungsgemeinschaft editiert. „Weniger die Abschrift des schwer lesbaren Textes ist zeitaufwändig als die Identifizierung der Personen und Ortschaften“, erklärt die zukünftige Bearbeiterin Lena Haunert, die derzeit bei Kampmann promoviert. Eine englische Übersetzung wird wahrscheinlich folgen, weil historische Quellen dieser Art in den USA sehr nachgefragt sind. „Tatsächlich ist es sehr überraschend, dass solche Briefe noch entdeckt werden konnten“, weiß Kampmann. Bereits im 19. Jahrhundert schrieb der damalige amerikanische Botschafter in Berlin, John Bancroft, ein Standardwerk zum Unabhängigkeitskrieg, nachdem er systematisch alle erhältlichen Quellen zum Unabhängigkeitskrieg, die heute in der Public Library in New York aufbewahrt werden, zusammengetragen hatte. Nach dem zweiten Weltkrieg suchten die Amerikaner erneut nach deutschen Archivalien zu ihrer Gründungsgeschichte.
Weitere Informationen:
Dr. Holger Gräf, Hessisches Landesamt für geschichtliche
Landeskunde
Tel. 06421 28-24579, E-Mail: graef@staff.uni-marburg.de
Prof. Dr. Christoph Kampmann, Philipps-Universität Marburg
Tel. 06421 28-24604, E-Mail:
christoph.kampmann@staff.uni-marburg.de