06.03.2008
Neue Ausstellung informiert über Zinn-Gebrauchsgeräte
Umfassende Schau von Liturgischem Zinn, Gebrauchs- und Edelzinn und Zunftzinn
Wer kennt ihn nicht, den Zinnbecher oder Zinnteller als Jahresgabe zum Sammeln? Abgesehen von dieser vor zwei, drei Jahrzehnten „modischen Dekoration“ in so manchem deutschen Wohnzimmer scheint Zinngerät heute wenig gefragt. Tatsächlich ging die Bedeutung des Zinngießerhandwerks im frühen 19. Jahrhundert zurück, als sich die traditionellen Zünfte auflösten und Fayence- und Porzellanmanufakturen immer stärker auf den Markt drangen. Zinngerät verlor damit seine große Bedeutung, die es über Jahrhunderte hatte: Bereits seit dem 14. Jahrhundert war es als hochwertiges Gut mit Stadt- und Meistermarken gekennzeichnet worden.
Eine neue Ausstellung im Marburger Landgrafenschloss zeigt vom 7. März bis zum 25. Mai 2008 einen Überblick über Gebrauch, Handwerkskunst und künstlerischer Formensprache von Zinngerät aus vier Jahrhunderten: Das älteste Objekt entstand um 1570, das jüngste ist 1834 datiert. „Kaum ein Museum kann dieses Spektrum an Zinngerät präsentieren“, erklärt die Leiterin des Universitätsmuseums, Dr. Agnes Tieze. Die 130 Exponate stammen aus einer Privatsammlung, die in über 50 Jahren zusammengetragen wurde und die alle Nutzungsbereiche umfasst. Entsprechend gliedert sich die Ausstellung in die Themenbereiche liturgisches Zinn, Zunftzinn, Gebrauchszinn und Edelzinn.
Zu den ältesten Zinngeräten gehören die Objekte des kirchlichen Gebrauchs wie Abendmahlskelche oder Taufgeschirre. Im Jahre 895 wurde auf der Synode von Trebur ausdrücklich beschlossen, dass Abendmahlskelche nicht nur aus Gold und Silber, sondern auch aus Zinn verwendet werden durften. Anderes liturgisches Gerät wie Hostiendosen, Messweinflachen oder Leuchter unterscheidet sich oft nur durch seine religiösen Motive von Formen profanen Zinns. Das Titelmotiv der Ausstellung, ein Augsburger Schokoladen- oder Kaffeekännchen, gehört beispielsweise zum Gebrauchszinn. Es ist auf Silberart hergestellt, um die für den Adel entstandenen Silbererzeugnisse in Form und Erscheinungsbild nachzuahmen.
Ein dritter Bereich ist das Edelzinn: Gravierte Prunkteller und Reliefplatten dienten im Gegensatz zum Gebrauchsgerät zu rein repräsentativen Zwecken. Solche Edelzinngeräte sind erstmals um 1550 in der damaligen Handelsmetropole Lyon nachweisbar und erreichten im folgenden Jahrhundert ihren künstlerischen Höhepunkt. Für die Herstellung wurde das teuere Feinzinn in einer speziellen Legierung verwendet, um eine hellere Farbe und einen besonderen Klang zu erzielen. Die aufwändige Verzierung bestand in dekorativen Mustern, in floralen und figürlichen Motiven sowie in mythologischen und biblischen Szenen. "Diesen Dekor legten die Zinngießer entweder bereits in der Gussform mit dem Sichel an oder sie gravierten die Zinnplatten", so Tieze.
Die Zinngießer waren als eine eigene Handwerkergruppe in einer Zunft organisiert, wie sie ab dem 12. Jahrhundert zur Regelung der Berufsausbildung und der Qualitätssicherung gegründet wurden. Zur Meisterprüfung der Zinngießer gehörte das Anfertigen eines Meisterstücks und zwar in der Form einer Kanne oder eines Gießfasses. Gießgefäße waren nicht nur als Meisterstücke, sondern auch als Auftragsarbeiten nachgefragt, denn bei ihren Zeremonien und Trinkgelagen verwendeten die anderen Zünfte gerne Kannen aus Zinn. Von verschiedenen Zünften haben sich auch mit Inschriften und Symbolen gravierte Zunftschilder erhalten.
Weitere Informationen:
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Wo: Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Marburg, Schloss 1, 35037 Marburg
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Wann: 7. März bis 25. Mai 2008 , Öffnungszeiten bis März: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 16 Uhr, ab April: Dienstag bis Sonntag, 10 bis 18 Uhr
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Ausstellungskatalog: Dirk Bauer, Katja Wehry „Zinn – Gebrauchsgerät des 16. bis 19. Jahrhunderts aus einer Privatsammlung“, Universitätsmuseum für Kunst und Kulturgeschichte Marburg, Marburg 2008, (ISBN 3-925430-52-0)
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Begleitprogramm zur Ausstellung: Führungen mit Dirk Bauer jeweils sonntags: 16. März 2008 (14 Uhr), 6. April 2008 (15 Uhr), 20. April 2008 (15 Uhr), 25. Mai 2008 (15 Uhr)
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Informationen zur Ausstellung: Tel. 06421-28-22355, E-Mail: museum@verwaltung.uni-marburg.de , Internet: www.uni-marburg.de/uni-museum