21.04.2008
Kannte die Antike keine Aufklärung?
Tagung zu Ehren des 65. Geburtstag von Arbogast Schmitt
Zu Ehren des Marburger Altphilologen Professor Dr. Arbogast Schmitt organisierte die Marburger Leibniz-Preisträgerin Professorin Dr. Gyburg Radke (jetzt Institut für Griechische und Lateinische Philologie der Freien Universität Berlin) gemeinsam mit dem Seminar für Klassische Philologie der Philipps-Universität eine Tagung über kritische Erkenntnisbegründungen in Antike und Moderne. Die Veranstaltung der Gruppe „Literatur und Erkenntnis“ fand vom 24. bis 26. April 2008 im Fürstensaal des Marburger Landgrafenschlosses statt.
Unter dem Titel „Denken ist Unterscheiden“ sollte das Thema von verschiedenen Disziplinen aus ins Auge gefasst werden, um einen Beitrag zur Aufklärung moderner Vorurteile über die Antike zu leisten. Es gehört zu unserem Selbstverständnis als moderne Menschen, zu meinen, wir seien kritisch und aufgeklärt. Wir betrachten diese Eigenschaften als Errungenschaften, die wir der Neuzeit und der Aufklärung verdanken. Denn erst die Neuzeit habe den Menschen aus der Unmündigkeit gerettet und von der Naivität befreit, unter der er in Antike und Mittelalter noch gelitten habe.
Die Tagung befasste sich mit diesem Vorurteil und seinen Konsequenzen für die Philosophiegeschichte, für Literatur und Kunst, Literaturtheorie und Hermeneutik. Dafür wird eine Grundeinsicht in den Mittelpunkt gerückt, die Platon und Aristoteles ihren Philosophien zugrunde gelegt haben: Dies ist die Einsicht, dass jede Form des Denkens und Erkennens immer ein Akt des Unterscheidens ist, des Festhaltens von etwas Bestimmtem.
Daneben gab es in der Antike aber in den drei Philosophenschulen des Hellenismus - Stoa, Epikureismus und Skepsis - eine ganz andere Denkweise: Als Grundakt des Denkens galt nun die kritische Repräsentation von passiv rezipierten Anschauungsbildern. Die Wiederentdeckung der hellenistischen, bewusstseinsphilosophischen Antike in der Frühen Neuzeit hat diese Gegenbewegung gegen den antiken Platonismus und Aristotelismus zu der prägenden Figur modernen Denkens und Selbstverständnisses werden lassen. Hier liegen die Wurzeln unserer Vorstellung von dem Beginn der wahren Aufklärung nach dem Ende des Mittelalters.
Es war Arbogast Schmitt, der in seinen Arbeiten die eben skizzierten wirkungsgeschichtlichen Zusammenhänge in der modernen philosophiegeschichtlichen und klassisch philologischen Forschung aufgezeigt, die erkenntnistheoretischen Grundlagen durchdacht und in ihren Konsequenzen für Wissenschaft und Literatur thematisiert hat. Arbogast Schmitt ist diese Grundlagentagung daher gewidmet.
Weitere Informationen:
Gruppe Literatur und Erkenntnis:
www.geisteswissenschaften.fu-berlin.de/gruppe_literatur_und_erkenntnis/tagungmarburg08
Tagungsprogramm: www.uni-marburg.de/fb10/klassphil/index_html