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04.04.2008

Komplexe Kehrtwende

Molekularbiologen klären Mechanismus der Genkontrolle auf

Molekularbiologen der Philipps-Universität Marburg haben einen neuen Mechanismus weitgehend aufgeklärt, der dem Abschalten von nicht benötigten Genen dient. Die Forscher identifizierten in einer genomweiten Analyse 120 Erbanlagen, die dazu beitragen, dass keine unerwünschten Genprodukte entstehen.

Da alle Zellen eines Individuums über dieselben Erbanlagen verfügen, ist es lebensnotwendig, die Genaktivität zu kontrollieren, also Gene an- oder abzuschalten. Diese Schalterfunktion übernehmen spezielle Proteine, die so genannten Transkriptionsfaktoren; sie können die Gene aktivieren oder hemmen, indem sie an die Erbsubstanz DNA binden, die Trägerin der Erbanlagen. Die Eigenschaften einiger Transkriptionsfaktoren können durch die Verknüpfung mit einem kleinen Protein namens SUMO verändert werden: Die SUMOylierung eines Transkriptionsfaktors kann diesen von einem Aktivator für Gene zu einem Repressor verwandeln, der das Ablesen des Gens und die Bildung des Genprodukts unterdrückt.

Warum das Anhängen des SUMO-Proteins zu dieser funktionellen Kehrtwende führt, war bisher nicht bekannt. Die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Guntram Suske konnte jetzt weitgehend aufklären, welche molekularen Mechanismen dafür verantwortlich sind, dass das Ablesen der Gene – die Transkription - durch SUMOylierte Transkriptionsfaktoren unterdrückt wird. Mit Unterstützung der kooperierenden Arbeitsgruppe von Dr. Michael Boutros am Deutschen Krebsforschungszentrum in Heidelberg wurden zu diesem Zweck über zwanzigtausend Gene in einem Hochdurchsatzverfahren untersucht. Die Wissenschaftler bedienten sich dabei des neuen Verfahrens der RNA-Interferenz: Sie erzeugten modifizierte Kopien der DNA-Abschnitte; jede dieser Kopien bewirkt eine Inaktivierung des zugehörigen Gens.

Anschließend testeten die Forscher für jedes einzelne Gen, ob sein Ausfall die Transkriptionshemmung aufhebt, die durch SUMO hervor gerufen wird. Auf diese Weise wurden 120 Faktoren identifiziert, die an der SUMO-vermittelten Repression beteiligt sind. Das Ergebnis ist erstaunlich: Es stellte sich heraus, dass der Prozess weitaus komplexer ist, als ursprünglich angenommen. Durch das Anhängen von SUMO an einen Transkriptionsfaktor wird eine Kaskade von Ereignissen ausgelöst, an der zahlreiche weitere Proteine beteiligt sind. Die weitergehende  Untersuchung einiger dieser Komponenten hat ergeben, dass die SUMO-Modifikation letztlich zu einer dichten Verpackung der Gene führt, die dadurch nicht mehr abgelesen werden können. Ein Teil der Ergebnisse erschien am vergangenen Freitag in dem renommierten Fachjournal „Molecular Cell“.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Professor Dr. Guntram Suske
Tel: 06421 28-66697
E-Mail: Suske@imt.uni-marburg.de

Originalveröffentlichung:
B. Stielow, A. Sapetschnig, I. Krüger, N. Kunert, A. Brehm, M. Boutros, and G. Suske: Identification of SUMO-dependent chromatin-associated transcriptional repression components by a genome-wide RNAi screen, Mol. Cell 29 (2008), 742-754 (28. März 2008).