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06.06.2008

100 Jahre Dermatologie in Marburg

Leistungsträger in Krankenversorgung, Forschung und Lehre

Die Dermatologie an der Philipps-Universität feiert ihr 100-jähriges Bestehen: Grund zum Feiern sind nicht nur die Tradition, in der sie eine Reihe berühmter Fachvertreter nach Marburg geholt oder aus der Marburger Schule hervorgebracht hat, sondern ebenso die eindrucksvolle Entwicklung der Dermatologie seit Beginn des 20. Jahrhunderts.

Dermatologie Haus Inzwischen gehöre die Marburger Dermatologie eindeutig zu den Leistungsträgern in Krankenversorgung, Forschung und Lehre, lobt der Dekan des Fachbereichs Medizin, Prof. Dr. Matthias Rothmund. „Drei Sonderforschungsbereiche der Deutschen Forschungsgemeinschaft und insgesamt etwa 20 Millionen Euro Drittmittel weisen bei guter klinischer Leistung auf einen stabilen Zustand von Fakultät und Klinikum hin“, sagt Rothmund. Seit 2004 leitet Prof. Dr. Michael Hertel die Hautklinik. Hertl setzt seinen klinischen und wissenschaftlichen Schwerpunkt in der Immunologie, d.h. in der Behandlung von Immundermatosen und chronisch entzündlichen Hauterkrankungen. Dabei baut Hertl die interdisziplinäre Behandlung chronisch entzündlicher und onkologischer Erkrankungen aus und kombiniert Grundlagenforschung mit klinischer Forschung unter Bewahrung der klinischen Breite des Faches .

Die Hautmedizin hat sich in den vergangenen hundert Jahren stark verändert und steht derzeit erneut vor weiteren Neuausrichtungen: „Die universitäre Dermatologie wird sich mit immer schwereren, teilweise seltenen Krankheitsbildern beschäftigen müssen wie den bullösen Immundermatosen, die in Marburg in letzter Zeit mit aufwendigen Immunadsorbtionsverfahren erfolgreich behandelt werden können“, so Prof. Dr. Rainer Moosdorf, Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Gießen und Marburg. Zunehmen werden darüber hinaus die Hautkrebserkrankungen, so Moosdorfs Prognose, denn klimatische Veränderungen lassen nach Expertenmeinung einen Anstieg der Neuerkrankungen an die Spitze maligner Neubildungen erwarten.

Beim Festakt „100 Jahre Dermatologie in Marburg“ am 7. Juni 2008 stand jedoch ausnahmsweise die Vergangenheit im Vordergrund: Mit Gründung der Philipps-Universität und damit auch der Medizinischen Fakultät 1527 waren Dermatologen zunächst nicht vertreten. Allerdings spielten Hautkrankheiten auch damals schon eine große Rolle, sie wurden aber noch überwiegend von Internisten und Chirurgen mitbehandelt. In Marburg bestand so beispielsweise eine sehr frühe, schon im 17. Jahrhundert beginnende Expertise in der plastisch-chirurgischen Behandlung cutaner Gewebsdefekte, häufig infolge einer cutanen Tuberkulose.

Dermatologie
Klinik für Dermatologie in den 1950er Jahren
Während sich in Marburg noch Widerstand gegen eine Verselbstständigung der Dermatologie regte, da entwickelten sich in Österreich und vereinzelt auch an deutschen Universitäten erste eigenständige dermatologische Abteilungen. An der Philipps-Universität Marburg war es 1908 schließlich der berühmte Internist Professor Dr. Ludolph Brauer, der eine erste Spezialabteilung für Hautmedizin an seiner Klinik einrichtete. Er übertrug die Leitung Dr. Hans Wilhelm Hübner, der jedoch erst vier Jahre später einen vergüteten Lehrauftrag erhielt, während er sich zuvor ohne festes Gehalt ausschließlich von seiner Privatliquidation unterhalten musste. Dem Privatdozenten Hübner folgte 1920 der außerplanmäßige Professor Alfred Ruete, der schließlich 1934 auf eine Ordentliche Professur berufen wurde. Zusätzlich wurde 1920 die Hautklinik in der Deutschhausstraße mit 62 Betten und vier Liegehallen für Tuberkulosekranke errichtet. Zirka 2010/11 wird sie ihr altes Gebäude verlassen, um auf die Lahnberge zu ziehen.

Chronologie: 100 Jahre Dermatologie in Marburg

(von Michael Hertl)

1228
Gründung des Franziskus-Hospital durch den Deutschen Orden in der Nachfolge der Hlg. Elisabeth (Ruine der Krankenhauskapelle steht noch am Pilgrimstein); Pflege von Hautkranken und Aussätzigen

1527
An der Philipps-Universität lehrten bis zum Ende des 18. Jahrhunderts keine Mediziner mit dermatologischem Schwerpunkt

1811
Elisabeth-Hospital geht auf Initiative der französischen Regierung in den Besitz der Universität mit eingeschränkten Mitteln über.

Ab 1823
Kasuistische Berichte von Hautkranken in der Chirurgie und Inneren Medizin.
Statistik von 1834: Erysipel, Skabies, Varizellen, Psoriasis, Syphilis.
Neubau der Medizinischen Kliniken (Mannkopf), aber keine Isolierung der Hautkranken (Zimmer zwischen Werkstatt und Weinkeller).
Zunahme venerischer Erkrankungen. STD bis 1901 vom Versicherungsschutz ausgenommen, da selbstverschuldet.

nach 1890
Gründung erster eigenständiger, dermatologischer Fachabteilungen in Wien, Berlin, Breslau, Bonn. Billroth Sprecher der Partei gegen eigenständige Dermatologie

1901
neue Prüfungsordnung mit dem Ziel der besseren Ausbildung in den kleineren Fächern

1908
Ludolph Brauer , Direktor der Medizinischen Klinik richtet dermatolog. Spezialabteilung mit 15-20 Betten getrennt für Frauen und Männer ein unter der Leitung von Dr. Hans Wilhelm Hübner , zuvor OA an der Univ.-Hautklinik Frankfurt: ohne Gehalt, kein Vertrag, mäßige Einnahmen aus Privatpraxis

1912
persönl. Lehrauftrag (PD) an Hübner mit 1500 Mark Jahresgehalt

1920
Selbstständige Abteilung und Extraordinariat an Prof. Alfred Ruete , der Klinik fast 30 Jahre leitet. Schüler: KEINING (Mainz), SCHUBERT (Frankfurt), SCHUERMANN (Würzburg), BOHNSTEDT (Gießen); Bau der Hautklinik; Schwerpunkt: Therapie von Hautkrankhgeiten (Syphilis, Tbc, Gonorhoe)

1934
Einrichtung eines Ordinariats (ohne Wissen von Ruete)

1920-23
Bau der neuen Hautklinik mit 62 Betten, 4 Liegehallen für Tbc-Kranke

1950
Berufung von Karl Wilhem Kalkoff als Ordinarius; erhielt 1960 Ruf nach Freiburg. Umbau der Klinik in den 50er Jahren. Einrichtung klinischer Labore (Histologie, Serologie, Andrologie, Klinische Chemie). Schüler: IILIG (später Giessen), MACHER (später Münster). Schwerpunkt: Chemotherapie der Hauttuberkulose, Sarkoidose, Mykologie

1961
Otto Braun-Falco , Ordinarius für Dermatologie und Venerologie, Direktor der Hautklinik. Ausbildung bei KEINING in Mainz (gemeinsam Lehrbuch für Dermatologie und Venerologie). Schüler in Marburg: Salfeld, Petzold (Melanom), Meinhof (pathogene Pilze), Rassner (Zellphysiologie der Akanthose), Marghescu (Immunglobuline und Komplement), später Zaun, Christophers, Weidner, Vakilzadeh.
Ruf nach München 1967 (Nachfolge von Marchionini).
SCHWERPUNKTE: Einführung der Grundlagenforschung in die Dermatologie, insbes. Biochemischer und histochemischer Methoden und der Elektronenmikroskopie (Labor in der Frauenklinik), Einrichtung eines Tierstalls, Ausbau der Poliklinik (heutige Barracke). Morphologische, histochemische und biochemische Forschung, u.a. auch bei blasenbildenden Dermatosen.

1967
Kommissariat Prof Friederich (damals Tübingen, GOTTRON))

1968-1969
Carl-Georg Schirren (Marchionini-Schüler), Erweiterung der Allergieabteilung und Strahlenabteilung. SCHWERPUNKT: Strahlentherapie, Hautphysiologie. Einsatz von Tetrazyklinen bei der Akne; Ausbau der wissenschaftlichen Dermatologie

1970-1991
Hugo Constantin Friederich , Gottron-Schüler (zuvor bereits komm. Leiter), Klinik mit 70 Planbetten. Einführung und Ausbau zum Zentrum operativen Dermatologie. Pluralismus des Fachgebietes mit Aufbau der Subdisziplinen Histopathologie incl. EM (Prof Rupec ) und Andrologie (Prof. Krause ) als eigenständige Abteilungen.
Probleme: geplante Verlegung der stationären Dermatologie nach Gießen,
Umzug der Hautklinik in die alte Chirurgie. Zuletzt umfangreiche Renovierung der Hautklinik, v.a. Neubau der operativen Abteilung. Räuml. Neuorganisation der Poliklinik und des Funktionsbereiches Allergologie, der Lichttherapie durch Prof Effendy, Einrichtung eines modernen mykologischen Labors.
Neustrukturierung der Stationen mit kleineren Zimmern, Radio und Fernsehen und pro Station ein Raucherzimmer.
Ausbau der Psyochosomatik durch Prof. Gieler im Dachgeschoss des Ostflügels! Ferner Ultraschall-Labor, Photolabor, medizin. Ästhetische Einheit für Aknetherapie, Dermabrasio, Epilationsgerät. SCHÜLER: Gieler (später Gießen), Effendy (jetzt Bielefeld), Gloor (später Heidelberg, Karlsruhe), Vakilzadeh (später Hildesheim)

1991 - 2004
Rudolf Happle , Zentrum f. Hautkrankheiten, später Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie. Schwerpunkt Genodermatosen, Haarerkrankungen, genetische Mosaike (CHILD-Syndrom), pädiatrische Dermatologie, Gegner der Homöopathie;
internationale Kontakte.
Renovierung der Hautklinik.
SCHÜLER: Küste r (TOMESA-Klinik, Bad Salzschlirf), König, Löffler (jetzt Heilbronn), Hoffmann (jetzt Freiburg), Freyschmidt-Paul (jetzt Schwalmstadt)

1962 - 1993
Mladen Rupec , Direktor der Abteilung für Dermatologie mit dem Schwerpunkt Histopathologie und EM (SCHÜLER:.Vakilzadeh, Mittag)

1991 – 2005
Walter Kr ause , Direktor der Klinik für Andrologie und Venerologie;
Weiterbildungsermächtigung Andrologie ( SCHÜLER: Habermann, Krisp , Skrzypek)

Seit 2004
Michael Hertl , Direktor der Klinik für Dermatologie und Allergologie. Immundermatosen, Allergologie, Ausbau der Onkologie mit E. Schultz, interdisziplinäre Arbeit, z.B. Allergiezentrum Hessen, geplantes Hautkrebszentrum im Comprehensive Cancer Center. Wechsel von Prof. Löffler nach Heilbronn, Prof. Schultz nach Nürnberg.