Zurück zur Übersicht

28.07.2008

Ohne Ziel unterwegs

Mediziner finden Risiko-Gen für das Restless Legs-Syndrom

Ein internationales Konsortium unter Marburger Beteiligung hat ein neues Risiko-Gen für das Restless Legs-Syndrom (RLS) entdeckt. Die Krankheit äußert sich in nächtlichen Beschwerden in den Beinen und führt zu Schlafstörungen. Die Identifizierung des Gens der Protein-Tyrosin-Phosphatase PTPRD als Risikofaktor stützt die Vermutung, dass eine frühe Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems für die Krankheit verantwortlich sein könnte.

Patienten mit unruhigen Beinen, wie das Syndrom im Volksmund genannt wird, leiden unter meist nächtlichen Missempfindungen in den unteren Extremitäten. Sie berichten von einem starken Bewegungsdrang, der erholsamen Schlaf unmöglich macht. "Ich bin hundemüde, trotzdem zwingen mich meine Beine zum Aufstehen. Nur durch Umhergehen verschwindet das unangenehme Ziehen und Reißen in den Waden": So oder so ähnlich berichten RLS-Patienten von ihren nächtlichen Beschwerden, die auch tagsüber in Ruhephasen auftreten können. Der gestörte Schlafrhythmus mit den entsprechenden Folgen am Tage wird für viele Betroffene zur Belastung im Beruf und in der Partnerschaft. Obwohl das RLS zu den häufigsten neurologischen Krankheitsbildern zählt, wird es nach wie vor häufig nicht erkannt oder falsch diagnostiziert.

Seit Jahren versuchen Ärzte und Wissenschaftler, die Ursachen der Erkrankung mit Hilfe genetischer Untersuchungen zu klären. Die Marburger Neurologen Professor Dr. Wolfgang Oertel und Professorin Dr. Karin Stiasny-Kolster sowie ihre Kollegen sind dabei jetzt einen großen Schritt weiter gekommen, wie sie in der gestrigen Online-Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Genetics“ berichten. Das von ihnen identifizierte Gen der Protein-Tyrosin-Phosphatase PTPRD ist der bislang vierte RLS-Risikofaktor, der durch genomweite genetische Studien entdeckt werden konnte. Träger von Risiko-Varianten in diesen Genen haben ein erhöhtes Risiko, an RLS zu erkranken.

Die Wissenschaftler untersuchten insgesamt 2.458 RLS-Patienten und als Kontrollgruppe 4.749 gesunde Probanden. Analysiert wurden Sequenz-Varianten, die über das gesamte Genom verteilt sind. Beim Vergleich der Sequenzen zwischen Patienten und Kontrollen konnten Varianten im PTPRD-Gen identifiziert werden, die vermehrt bei RLS-Patienten auftreten, aber seltener bei den gesunden Probanden vorkommen.

Der Genname PTPRD steht für Protein-Thyrosin-Phosphatase-Rezeptor Typ Delta. Die entsprechende Verbindung ist im Tiermodell untersucht; dort ist sie daran beteiligt, dass die Nervenzellfortsätze ihren Weg zu den so genannten Motorneuronen finden. Diese Neurone steuern direkt oder indirekt die Muskulatur, beispielsweise der Beine. Damit ist auch PTPRD, wie bereits die zuvor identifizierten RLS-Risiko-Gene MEIS1, BTBD9 und LBXCOR1 wichtig für die frühe Embryonalentwicklung des Organismus'. Das ist ein weiterer Hinweis, dass es sich beim RLS um eine sehr frühe Entwicklungsstörung des zentralen Nervensystems handeln könnte.

Mit den identifizierten RLS-Risiko-Genen ist erstmalig eine gezielte molekulargenetische Ursachenforschung für das Restless Legs-Syndrom möglich geworden und eine Grundlage zur Verbesserung der Therapie geschaffen.

Originalveröffentlichung: Barbara Schormair & al.: (PTPRD) protein tyrosine phosphatase receptor type delta is associated with restless legs syndrome. Nature Genetics, Advance Online Publication, 27.7.2008, DOI: 10.1038/ng.190, http://dx.doi.org/10.1038/ng.190

Weitere Informationen:

Ansprechpartnerin: Professorin Dr. Karin Stiasny-Kolster
Zentrum für Nervenheilkunde
Tel.: 06421 58-65475
E-Mail:
stiasny@staff.uni-marburg.de