28.10.2009
"Bologna in Marburg“
Uniweiter Workshop klärt Chancen im Bologna-Prozess
"Fragen Sie nicht als erstes nach den Beschränkungen, sondern sprechen Sie über das, was Sie erreichen möchten!" gab Prof. Dr. Ulrich Bartosch (KU Eichstätt-Ingolstadt) das Motto der Tagung vor. Auf dem ganztägigen Workshop "Bologna in Marburg" diskutierten am 26. Oktober Universitätsangehörige aller Gruppen und geladene Experten über die Bologna-Reform und über Tragweite und Funktion universitärer Bildungsziele. Da an der Philipps-Universität Marburg viele gestufte Studiengänge zur Re-Akkreditierung anstehen, sollten Erfolge und Fehlentwicklungen der durch die Bologna-Erklärung angestoßenen Studienreform aufgezeigt werden, um notwendige Korrekturen einzuleiten.
"Wir haben nicht Bologna umgesetzt, sondern unsere Vorurteile", meinte Studiendekan Prof. Dr. Thorsten Bonacker. Das Besondere an Hochschulen sei, dass sie im Gegensatz zu allen anderen Bildungseinrichtungen wissenschaftsimmanente Kompetenzen vermitteln, so Präsident Prof. Dr. Volker Nienhaus: „In ihrem Anspruch, diese Kompetenz in den Vordergrund zu stellen, dürfen Hochschulen sich angesichts verbreiteter Missverständnisse über die angebliche Negierung dieses Bedarfs durch den Arbeitsmarkt nicht irritieren lassen." Vizepräsident Dr. Michael Schween sagte, der Workshop habe gezeigt, dass Fortbildungsangebote für Lehrende und Verwaltungspersonal im Bereich der Kompetenzmessung und -didaktik nun mit hoher Priorität verfolgt werden müssten. Der Kompetenzerwerb im universitären Studium wurde als zentrales Thema der Veranstaltung gewählt, weil dieser als Schlüsselbegriff des Bologna-Prozesses identifiziert wurde. Die bisher fehlende Auseinandersetzung mit Kompetenzorientierung, auf die die Strukturen der neuen Bachelor- und Masterstudiengänge ausgelegt sind, sei eine wesentliche Ursache für bestehende organisatorische Probleme in den Bachelor- und Masterstudiengängen und den einhergehenden Prüfungsmarathon, so die Organisatoren. Weniger Prüfungen und eine größere Vielfalt an Prüfungsformen sowie eine grundsätzlich bessere Abstimmung von Prüfungsformen auf didaktische Konzepte und Lernziele seien anzustreben.Kompetenzerwerb ist ein Lernziel, das in der herkömmlichen Auseinandersetzung mit universitären Bildungszielen eine geringe Rolle spielt. In der Taxonomie der Lernziele befindet sich die Stufe des Könnens (Kompetenz) zwischen der Wissensaneignung und der eigenständigen Reflexion und Produktion neuen Wissens. Ein Paradigmenwechsel setzte für die deutschen Hochschulen mit der Sorbonne-Erklärung 1998 und mit der Bologna-Erklärung von 1999 ein. Hierin brachten die europäischen Unterzeichner-Hochschulen die Notwendigkeit zum Ausdruck, Hochschulabsolvent/inn/en "die notwendigen Kompetenzen für die Bewältigung der Herausforderungen des neuen Jahrtausends" zu vermitteln. Kompetenzen sollten modulweise abgeprüft werden. Module sind thematisch zusammengefasste Lehrveranstaltungen mit verschiedenen Lehrformen, die heutzutage in der Regel noch einzeln abgeprüft werden.
Mit rund 120 Teilnehmern gegen Ende der ganztägigen Veranstaltungen und mit über 60 Teilnehmern an einzelnen der parallelen Arbeitsgruppen war die ganztägige Veranstaltung gut besucht. Zu Beginn hielt der Experte Bartosch einen Fachvortrag zum Verhältnis von Kompetenzvermittlung und universitären Bildungszielen und regte im Rahmen der Arbeitsgruppe "Kompetenzerwerb durch Studium?" zu Nachdenklichkeit über das wissenschaftlich noch wenig bearbeitete Feld der Kompetenzvermittlung und -messung an. Vier parallele Arbeitsgruppe diskutierten "Kompetenzvermittlung durch Studium?", "Modularisierung: studierbar -lehrbar - verwaltbar", "Philipp international: fit für Internationalisierung?" und "Bologna und IT: unvorhergesehene Wechselwirkungen".
Die Veranstaltung endete mit einer von der Kanzlerin der Universität Graz, Dr. Maria Edlinger moderierten Podiumsdiskussion, an der Präsident Prof. Dr. Volker Nienhaus, Vizepräsident Dr. Michael Schween, der Dekan des Fachbereichs Erziehungswissenschaften, Prof. Dr. Wolfgang Seitter, der Studiendekan des Fachbereichs Gesellschaftswissenschaften und Philosophie, Prof. Dr. Thorsten Bonacker, der Referent Prof. Dr. Ulrich Bartosch und die Studierendenvertreter Tobias Klös und Patrick Voyé teilnahmen. Die Podiumsdiskussion öffnete sich nach einer Weile zum Publikum hin, sodass eine rege Beteiligung entstand.