18.05.2009
Einstehen für freie Meinungsäußerung
Umstrittener Kongress in den Räumen der Marburger Universität
Die Akademie für Psychotherapie und Seelsorge (APS) hat für ihren 6. Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge Räume der Philipps-Universität angemietet. Der Kongress hat das Thema „Identität“. Gegner dieses Kongresses sprechen von einem „Homophobie-Kongress“ und werfen den Veranstaltern die Unterstützung von „Umpolungsseminaren“ für Homosexuelle vor. Dieser Vorwurf wurde ursprünglich damit begründet, dass zwei oder drei Referenten/innen in der Vergangenheit entsprechende Veranstaltungen durchgeführt haben sollen.
„Das Präsidium der Philipps-Universität Marburg hat Verständnis dafür, dass Betroffene und Minderheiten sensibel auf Veranstaltungen reagieren, bei denen sie damit rechnen, dass dort ihren Grundüberzeugungen fundamental widersprechende und diskriminierende Positionen vertreten werden“, sagt Universitätspräsident Prof. Dr. Volker Nienhaus. Das Universitätspräsidium stehe gegen Diskriminierung und für die Wahrnehmung von Minderheitenrechten ein. In gleicher Weise stehe es für freie Meinungsäußerung ein, die nicht leichtfertig zur Disposition gestellt werden dürfe.
Inzwischen wird dem Kongress generell Pseudowissenschaftlichkeit und die Verfolgung religiös-fundamentalistischer Ziele vorgeworfen, die anschlussfähig für rechtsextremes Gedankengut seien. Der Veranstalter, die Akademie für Psychotherapie und Seelsorge, hat die Vorwürfe wiederholt zurückgewiesen. Aus dem Misstrauen der Gegner kann das Präsidium der Philipps-Universität Marburg keine Rechtfertigung für ein präventives Redeverbot einzelner Referenten/innen oder gar für die Kündigung des Mietvertrags ableiten. Das Präsidium hat allerdings den Veranstalter dazu aufgefordert, dass Transparenz hergestellt wird und die Aussagen überprüfbar werden.
Wissenschaft und Demokratie leben davon, dass man sich mit den Meinungen anderer und vermeintlichen Irrlehren argumentativ auseinandersetzt. Die Gruppe der Studierenden im Senat hatte geltend gemacht, dass Studierenden diese Auseinandersetzung faktisch wegen des Tagungsbeitrags von 130 Euro nicht möglich sei. Das Präsidium hat sich gegenüber dem Veranstalter dafür eingesetzt, zehn vom Allgemeinen Studierendenausschuss AStA zu benennenden Studierenden eine kostenfreie Teilnahme am Kongress zu ermöglichen. Der Senat hat diesen Vorschlag gutgeheißen. Der Veranstalter ist auf diesen Vorschlag eingegangen. Der AStA hat diese Möglichkeit zur kritischen Begleitung des Kongresses jedoch abgelehnt und er fordert gemeinsam mit dem Studierendenparlament stattdessen vom Präsidium, dem Kongress die gemieteten Räume der Universität zu entziehen. Dieses faktische kollektive Redeverbot für alle Referentinnen und Referenten des Kongresses wird vom Präsidium strikt abgelehnt.