21.01.2010
Was geht vor: Gesundheit oder Privatheit?
460.000 Euro Förderung für Forschungsprojekt des Marburger Theologen Peter Dabrock zu Gendatenbanken
Gemeinsam mit Politikwissenschaftlern um Prof. Dr. Herbert Gottweis von der Wiener Universität, Juristen um Prof. Dr. Jochen Taupitz von der Universität Mannheim und Soziologen von der finnischen Universität von Helsinki um Dr. Ilpo Helen wird untersucht, welche Auswirkungen die zunehmend Bedeutung gewinnende Biobankenforschung für das rechtlich wie lebensweltlich so hoch geachtete Konzept „Schutz der Privatsphäre“ besitzt. In der neueren Biobankenforschung sollen nämlich enorme Mengen an Daten, von genetischen bis hin zu Lebensstil bezogenen, gesammelt werden, um die Interaktion von genetischen, umweltbezogenen und verhaltensbezogenen Ursachen zu erforschen. Dazu benötigen die Forscher aber nicht nur eine große Menge stark Personen bezogener Daten. Sie beabsichtigen auch, ihre Forschungsergebnisse großflächig in internationalen Verbünden auszutauschen. Ziel ist unter anderem, komplexen Krankheitsursachen, insbesondere den so genannten Volkskrankheiten, stärker auf den Grund zu kommen.
„Trotz des hehren Ziels, die weit verbreiteten Volkskrankheiten besser therapieren zu können, stellen sich erhebliche ethische, rechtliche, politische und soziologische Fragen“, sagt Dabrock. Fragen seien zum Beispiel: Sind die Daten gesichert, insbesondere dann, wenn große Forschungsnetze ihre Ergebnisse oder Daten austauschen? Ist die Privatheit der Menschen nachhaltig geschützt? Erleben wir eine schleichende Veränderung des überlieferten Verständnisses von Privatheit? Gibt es vielleicht gar nicht dieses Ideal des umfassenden Schutzes der Privatsphäre? Oder ist eine solche Abwendung von diesem Ideal gar um des hohen Zieles der Verbesserung der Gesundheitsvorsorge erwünscht?
„Das Thema Gendatenbank erzeugt bei vielen Menschen einerseits Ängste, andererseits Hoffnungen. Diese sozialen und individuellen Spannungen wollen wir in unserem Projekt interdisziplinär untersuchen und vor diesem Hintergrund verantwortbare Handlungsstrategien für die Entscheidungsträger auf nationaler wie europäischer Ebene entwickeln“, beschreibt Dabrock die Zielsetzung des Verbundes.
Zur Erarbeitung solcher Fragen werden existierende Biobankeninfrastrukturen in Deutschland (Helmholtzkohorte München/Heidelberg), Österreich (Biobank der Medizinischen Universität Graz) und Finnland (Biobank of the National Institute for Health and Welfare) auf ihren Umgang mit Privatheit ebenso untersucht wie weitere Experteninterviews durchgeführt und analysiert und auf ihre Bedeutung für ethisch und rechtlich verantwortliche governance-Strategien hin befragt. Darüber hinaus ist der Forschungsverbund eingebettet in das weltweit größte Forschungsnetzwerk zu Biobanken, das „Biobanking and Biomolecular Resource Research Infrastructure“ Projekt. Weitere User des Forschungsverbundes, die auf dem Felde der Biobanken-Forschung aktiv sind, wie u.a. die Biodatenbank CRIP des Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT in Potsdam oder die Telematikplattform – Verbund zur Förderung vernetzter Medizinischer Forschung (TMF) in Berlin.
So ermöglicht das breit angelegte interdisziplinäre Forschungsprojekt ein professionelles Zusammenarbeiten von fachlich hochqualifizierten internationalen Netzwerken. Projektergebnisse werden nicht nur in Form von wissenschaftlichen Publikationen veröffentlicht, sondern auch im Rahmen von Tagungen, Dialogveranstaltungen oder Leitlinien diversen Interessensgruppen und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden.
Kontakt:
Prof. Dr. theol. Peter Dabrock, M.A.
Philipps-Universität Marburg,
Fachbereich
Evangelische Theologie, Fachgebiet Sozialethik
Lahntor 3, D- 35037 Marburg
Telefon + 49 (0) 6421-282-2447,
Fax + 49 (0)
6421-282-2462
www.theologische-bioethik.de