29.10.2010
„In bedrückender Weise spannend“
Das Buch „Das Amt und die Vergangenheit. Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“ ist am Donnerstag, dem 28. Oktober 2010, in Berlin offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt worden.
Schon im Vorfeld hatten die Ergebnisse der vierjährigen Forschung einer Historikerkommission unter Vorsitz des Marburger Professors Dr. Eckart Conze über die Beteiligung des Auswärtigen Amtes an der Gewaltpolitik der Nationalsozialisten für großes Aufsehen gesorgt – entsprechend war auch der Andrang bei der Veranstaltung im Berliner „Haus der Kulturen der Welt“.
„Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen“: Mit diesem Zitat des amerikanischen Schriftstellers William Faulkner betonte der ehemalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier in seiner Ansprache die Aktualität des historischen Sachbuchs. Dieses sei für ihn das „Sachbuch des Jahres“. An die Verfasser gewandt erklärte Steinmeier: „Sie haben dafür gesorgt, dass dieses Buch lesbar, in bedrückender Weise spannend geworden ist.“
Sein Amtsvorgänger Joschka Fischer, der im Jahr 2005 im Zuge der so genannten „Nachrufaffäre“ die Historiker-Kommission eingesetzt hatte, sagte, er habe damals „nicht gewusst, was ich damit angeschoben habe“. Offensichtlich seien die Nachrufe „im amtsinternen Blättchen des Auswärtigen Amtes“ der Generation der ehemaligen Mitarbeiter deshalb so wichtig, weil es ihr „um den letzten, über den Tod hinausreichenden Persilschein“ gehe, so Fischer.
In der von der Journalistin Tissy Bruns moderierten Diskussionsrunde, an der neben Fischer und Conze die Historiker und Mitautoren Professor Dr. Norbert Frei, Professor Dr. Peter Hayes und Professor Dr. Moshe Zimmermann sowie der frühere Staatsminister im Auswärtigen Amt Gernot Erler teilnahmen, waren dann auch die Kontinuität und die Karriere ehemaliger Nationalsozialisten im Auswärtigen Amt nach Kriegsende das vorherrschende Thema. Conze erklärte die „Langlebigkeit des Wirkens“ folgendermaßen: „Wir reden über eine Generation der um das Jahr 1910 Geborenen, die bei Kriegsende noch vergleichsweise jung waren – umso intensiver stricken sie an ihrer Selbstrechtfertigung.“
Zur Frage, wie es überhaupt dazu kommen konnte, dass die „hoch kultivierten Eliten“ des Auswärtigen Amtes derart offensichtlich an den Verbrechen der Nationalsozialisten beteiligt waren, sagte Conze, es habe ein „Prozess der Selbstgleichschaltung“ stattgefunden, die Ziele der konservativen Eliten der Weimarer Republik und der Nationalsozialisten hätten im Grunde übereingestimmt: „Der Amtswechsel von Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath zum Nationalsozialisten Joachim von Ribbentrop war keine tiefe Zäsur.“ Für Fischer war die Antwort auf diese Frage kurz und eindeutig: „Vielleicht waren diese Eliten einfach nicht hochkultiviert.“
Dem amtierenden Außenminister Guido Westerwelle hatten die Historiker ihr Werk bereits am Donnerstagnachmittag überreicht. Conze lobte die „richtigen Äußerungen Westerwelles, die sehr stark darauf abheben, dass die Studie ein historisches Thema behandelt, aber auch in die Zukunft weist“. Ein Anliegen für die Zukunft haben die Historiker: Das Archiv des Auswärtigen Amtes solle seine Sonderrolle aufgeben und in das Bundesarchiv überführt werden, um so für Nachforschungen leichter zugänglich zu werden.
Weitere Informationen:
Neuere Geschichte im Internet:
www.uni-marburg.de/fb06/ng
Verlagsankündigung: www.randomhouse.de/book/edition.jsp?edi=349860
Siehe auch: „Auswärtiges Amt wirkte an Nazi-Verbrechen mit“ ( www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2010a/1025a )
Kontakt
Professor Dr. Eckart Conze
Seminar für Neuere Geschichte
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