28.05.2010
Kultur der Ermutigung in schwierigen Zeiten
Podiumsdiskussion thematisierte Folgen des Hochschulpakts
„Bildung ist in den vergangenen Jahren ein bedeutendes Politikfeld geworden“ – mit diesen Worten umriss Uni-Präsidentin Professorin Dr. Katharina Krause eine Botschaft aus der Diskussionsveranstaltung zum Hessischen Hochschulpakt, zu der das Präsidium gestern Abend in die Aula der Alten Universität geladen hatte. Über 200 Interessierte debattierten unter der Moderation von Professor Dr. Mathias Bös mit der Hochschulleitung und Vertretern von Studierenden und Fachbereichen über die aktuelle Bildungspolitik und die angekündigten Kürzungen.
„Eine offene Diskussion ist die Voraussetzung dafür, geschlossen gegen Kürzungen im Bildungs- und Wissenschaftsbereich vorzugehen, aber auch gegen daraus resultierende, konkrete Missstände in Marburg“, hatte Krause die Initiative zu der Veranstaltung begründet. Zusammen mit den anderen Podiumsteilnehmern nahm sie eine bildungs- und gesellschaftspolitische Einschätzung des Hessischen Hochschulpakts vor. Die Vereinbarung, die am 18. Mai unterschrieben worden war, verpflichtet die hessischen Hochschulen zu einer Budgetkürzung von über 30 Millionen Euro pro Jahr. Dem stehen steigende Leistungsanforderungen gegenüber, die auf die Universitäten zukommen – unter anderem aufgrund der doppelten Abiturjahrgänge, die demnächst ins Studium drängen.
Gemeinsam mit dem Auditorium suchten die Podiumsteilnehmer nach einem Weg, wie den guten Argumenten für ein größeres Gewicht von Bildung und Wissenschaft in der Politik Gehör zu verschaffen sei. Viele Wortmeldungen hoben hervor, die angekündigten Kürzungen verdankten sich nicht fiskalischen Zwängen, sondern politischem Kalkül: „Was wir jetzt erleben, ist die logische Konsequenz einer seit langem vorherrschenden Tendenz, das Bildungswesen zu privatisieren“, erklärte zum Beispiel Stephanie Dziuba-Kaiser, studentisches Mitglied im Senat der Philipps-Universität. Professor Dr. Rachid Ouaissa kam aufgrund internationaler Vergleichszahlen zu einem ähnlichen Schluss. „Für die Akteure im Bildungsbereich ist typisch, dass sie sich als Wähler sehr uneinheitlich verhalten; dieser Mangel an Homogenität schwächt“, ergänzte der Politologe aus dem „Centrum für Nah- und Mitteloststudien.
Bleibt die Frage: Was tun? Die Diskutanten teilten die Einschätzung der Präsidentin, dass man „trotz aller Kritik an der Unterzeichnung des Hochschulpakts nicht dem Kalkül der Landesregierung folgen dürfe, die politische Auseinandersetzung in lang anhaltende hochschulinterne Konflikte und Zerwürfnisse zu transformieren.“ Auf die Nachfrage von Professorin Dr. Ina Merkel, wie das Präsidium konkret mit der Kürzung umgehen werde, sprach sich Krause dafür aus, nicht technokratisch, sondern sachangemessen mit der jetzt notwendigen Verteilung der größer werdenden Lasten umzugehen. „Dann wären wir besser als der Hochschulpakt der Landesregierung, und diesen Ehrgeiz habe ich schon“, betonte die Präsidentin. Angesichts der größer werdenden Lasten für alle müsse man eine Kultur der Ermutigung aufbauen.
Senatsmitglied Professor Dr. Ulrich Wagner forderte, man müsse gegenüber der Politik deutlicher machen als bisher, wie sich die Kürzungen auf die Bevölkerung auswirke – und somit auf die Wähler. Weitere Redebeiträge mahnten an, Koalitionen mit anderen Betroffenen zu schließen: „Wir müssen raus aus der Uni!“, lautete dementsprechend das Fazit von Josephine Bergmeier, der stellvertretenden Vorsitzenden des Allgemeinen Studierendenausschusses der Philipps-Universität. Professorin Dr. Heike Ackermann wandte sich gegen Bestrebungen, Bildung ausschließlich auf den Aspekt der Nützlichkeit zu verengen. Auch eine Vertreterin des Landeselternbeirats Hessen betonte das Anliegen der Eltern, Bildung müsse mehr sein als reines „Bulimie-Lernen“, das keine Persönlichkeitsentwicklung erlaube. Hinter all den Kürzungen stehe schließlich die prinzipielle gesellschaftspolitische Frage, was derzeit unter Bildung verstanden würde – und wie viel diese der Gesellschaft wert sei.