05.07.2010
Wissenschaft hautnah erlebt
Fachbereich Gesellschaftswissenschaften und Philosophie veranstaltete Forschungstag
Orientierung in der Vielfalt geistes- und sozialwissenschaftlicher Projekte – das bot der Fachbereich Philosophie und Gesellschaftswissenschaften an seinem ersten Forschungstag, der am vergangenen Mittwoch in den Räumlichkeiten des Marburger Rathauses stattfand. Unter dem Motto „Forschung hautnah erleben und verstehen“ präsentierten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Vorträgen und Diskussionsrunden ihre Vorhaben, deren inhaltliches Spektrum von politologischen und soziologischen Fragestellungen über kulturwissenschaftliche und sozialanthropologische Inhalte bis zu religionswissenschaftlichen und philosophischen Themen reicht.
„Die Forschung des Fachbereichs greift eine Vielzahl aktueller Probleme auf und setzt sich damit kritisch auseinander“, sagte zur Begrüßung Professorin Dr. Maria Funder, die Dekanin des Fachbereichs. In dieselbe Richtung wies auch das Grußwort von Professor Dr. Frank Bremmer, dem Uni-Vizepräsidenten für Forschung, der sich „beeindruckt von der Vielfalt der Themen“ zeigte.
Vielfalt und Aktualität zeigten sich anschließend in einem dicht gepackten Programm, das zahlreiche Beiträge zu drei Komplexen bündelte: Deren erster beschäftigte sich unter dem Titel „Tod – Alter - Demografie“ mit der sich verändernden Altersentwicklung der Bevölkerung. Neben dem Beispiel Demografie im Rathaus wurde die „Generation 80+“ mit den so genannten „Hochaltrigen“ in den Blick genommen. Philosophische Sichtweisen auf den Tod und den toten Körper wurden verbunden mit dem sich wandelnden Umgang der Lebenden, zum Beispiel der Angehörigen mit dem Tod. Im Schwerpunkt „Geschlecht – Macht – Arbeit“ ging es um die fortbestehende geschlechtsbezogene Diskriminierung in der Arbeitswelt und in der Arbeitsmarktpolitik.
Schließlich erlaubten die Zentren für Konfliktforschung sowie für Nah- und Mitteloststudien unter der Überschrift „Konflikt – Politik – Religion“ einen Einblick in ihre Arbeit: Wie schwierig eine nachhaltige Friedensentwicklung in ehemaligen Kriegsgebieten ist, stellten ein Nachwuchsforscher und eine Nachwuchsforscherin an den Beispielen Bosnien-Herzegowina und Sierra Leone dar. Das Projekt zur Außenpolitik moderat islamistischer Parteien verwies auf deren hohes Demokratisierungspotenzial.
Die Organisatoren nutzen vielfältige Vermittlungsformen wie Diskussionen, Poster, Buch- und Filmpräsentationen, die auch Raum für weitere Themen boten, die nicht durch die Schwerpunkte abgedeckt wurden. So griff eine Gesprächsrunde mit der Politikwissenschaftlerin Professorin Dr. Ursula Birsl und weiteren Wissenschaftlern die aktuelle Bildungsdebatte auf, wobei insbesondere die Rolle der gesellschaftswissenschaftlichen Forschung zu diesem Thema in den Blick genommen wurde. „Das Thema Bildung ist in der Politikwissenschaft erst im Kommen“, sagte Birsl; bisher sei es eher eine Domäne der Erziehungswissenschaft und Soziologie, „die Disziplinen finden erst langsam zusammen“.
Ein außergewöhnliches Vorhaben wurde von der Sozialethikerin Dr. Ruth Denkhaus, dem Soziologen Professor Dr. Matthias Bös und dem Philosophen Professor Dr. Christoph Demmerling vorgestellt. Gefördert durch die Hessische Landes-Exzellenzinitiative „LOEWE“, soll das Projekt „Cultural Neuroscience“ dem neuronalen Korrelat von sozialen Konflikten auf die Spur kommen, wobei medizinische und naturwissenschaftliche Forschung durch geistes- und gesellschaftswissenschaftliche Studien begleitet wird. Hierbei geht es etwa um die Zuweisung zu gesellschaftlichen Gruppen oder um eine möglichst feinkörnige Beschreibung psychischer Zustände wie der Depression.
Zwischen den Vorträgen und Diskussionsveranstaltungen bestand immer wieder Gelegenheit, um in lockerem Rahmen miteinander ins Gespräch zu kommen, zum Beispiel im Erzählcafe, in dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre neuesten Bücher vorstellten. So konnte man von dem Sozialanthropologen Professor Ernst Halbmayer erfahren, dass es bei der von ihm untersuchten südamerikanischen Sprachfamilie der Cariben den in unserem Kulturkreis verankerten Gegensatz von Natur und Kultur nicht gebe. Die lebhaften Unterhaltungen während der Pausen belegten eindrucksvoll, dass der erste Forschungstag dem Anspruch gerecht wurde, zum regen Austausch zwischen den Fachgebieten beizutragen. Fortsetzung nicht ausgeschlossen.
Weitere Informationen:
Ansprechpartnerin: Dr. Ina Drescher-Bonny,
Fachbereich Philosophie und Gesellschaftswissenschaften
Tel.: +49-6421 28-25396
E-Mail:
ina.drescherbonny@staff.uni-marburg.de