26.04.2011
Wissenschaftsgeschichte in Tafelbildern
Philipp Goldbachs künstlerische Inszenierung von historischen Kreidetafeln im Museum für Kunst und Kulturgeschichte
Seit vergangenen Donnerstag zeigt das Museum für Kunst und Kulturgeschichte in seinen Sonderausstellungsräumen im 2. Obergeschoß erstmals eine Auswahl von 28 Fotografien Philipp Goldbachs von historischen Kreidetafeln aus 16 deutschen Universitäten – aufgenommen von 2009 bis 2011 mit einer analogen Kamera. Der Titel der bis Anfang Juli dauernden Ausstellung, erklärt bei der Vernissage Museumsdirektorin Dr. Agnes Tieze, "Philipp Goldbach Tafelbilder" spiele mit einer Doppelsinnigkeit: Ist die in der Lehre mit dem Tafelbild gleichgesetzte Tafelanschrift gemeint? Oder handelt es sich um Gemälde auf Holz, die in der bildenden Kunst auch als Tafelbilder umschrieben werden?
Goldbachs Beschäftigung mit dem Thema entstand durch den malerischen Aspekt der Kreide- und Schwammspuren auf Kreidetafeln. Der mehrteilige Aufbau von Kreidetafeln mit klappbaren Flügeln erinnert mitunter selbst an Triptychen. Uni-Vizepräsident Prof. Dr. Joachim Schachtner identifizierte in seiner Eröffnungsrede dagegen eine mobile, aufklappbare „Koffertafel“ als sein Lieblingsstück: „Eine Art früher Laptop“, findet er. Kreidetafeln als Orte der einstigen Wissensvermittlung seien auch im Zeitalter von Beamern und interaktiven Whiteboards als gängige Instrumente moderner Hochschullehre in ihrer Funktion als identifikationsstiftendes Element einer Universität durchaus noch erhaltenswert. Sie regten zum Sinnieren an über die Geistesgrößen und Denkerpersönlichkeiten, die einst vor und an Kreidetafeln ihr Wissen vermittelt hatten. Der besondere Reiz bestünde darin, dass offen bliebe, welche Ideen auf den fotografierten Tafeln kurzfristig sichtbar waren. „Die minimalistische Reduktion bei Goldbachs Tafelbildern auf Stätten der Wissenschaftsgeschichte lädt dazu ein, die künstlerische Beschäftigung als eine Methode zu begreifen, sich mit historischen Gegenständen sinnstiftend auseinanderzusetzen“, fasst Schachtner zusammen.
Zum ersten Mal stelle er an dem Ort aus, wo er auch fotografiert habe, erklärte Goldbach in seiner Begrüßung. Die Marburger Ausstellung zeigt nämlich neben Tafeln aus dem Landgrafenhaus und der ehemaligen Frauenklinik auch eine aus einem Seminarraum des Ernst-von-Hülsen-Hauses, das auch das Museum beherbergt. „Dass in diesem Gebäude auch noch das Bildarchiv Foto Marburg seinen Sitz hat, das neben dem Universitätsarchiv zur Ausstellung historisches Material beisteuerte, gibt dem Ganzen zusätzlich eine besondere Note“, hob Goldbach hervor. Darunter ist auch eine Fotografie von Barbara Klemm, die zwei Philosophen der Frankfurter Schule, Theodor W. Adorno und Max Horkheimer vor einer nicht-akademischen Tafelanschrift mit dem Hinweis „Bitte rauchen unterlassen“ zeigt.
Philipp Goldbach (*1978) studierte an der Universität zu Köln Kunstgeschichte, Soziologie und Philosophie. Er lehrte 2008 Fotografie an der Kunsthochschule für Medien Köln, wo er ebenfalls den Diplomstudiengang absolvierte. Der mit mehreren Stipendien und Preisen ausgezeichnete Künstler zeigte bisher Werke aus seiner künstlerischen Auseinandersetzung mit Schrift und Bild in verschiedenen Medien unter anderem in London, New York, Washington, Köln, München, Berlin und Düsseldorf. Ein Teil der mittlerweile an 20 Universitäten aufgenommenen Kreidetafeln war bereits Gegenstand der Ausstellung „Blackboards and Micrographs“, die 2010 in London (Annely Juda Fine Art) gezeigt wurde.
Am 26. Mai um 18 Uhr lädt das Museum zum Künstlergespräch mit Philipp Goldbach und Prof. Dr. Hubert Locher, Direktor des Deutschen Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte, Bildarchiv Foto Marburg.
Weitere Informationen:
Philipp Goldbach: Tafelbilder (22.4.-3.7.2011)
http://www.uni-marburg.de/uni-museum/aktuelles/goldbacheroeffnung
http://www.pgoldbach.de/index.html
Kontakt
Dr. Agnes Tieze
Museum für Kunst und Kulturgeschichte der Philipps-Universität Marburg, Biegenstraße 11, D-35032 Marburg
Tel.:
06421/28-22355
E-Mail