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04.04.2011

Faszination bakterielles Zellwachstum

VAAM-Forschungspreis 2011 an Martin Thanbichler

Wie erhält eine Bakterienzelle ihre Form, wieso teilt sie sich in der Mitte, wie bildet sich ein Oben und Unten? Das sind Fragen, mit denen sich die Arbeitsgruppe von Dr. Martin Thanbichler beschäftigt. Für spannende Antworten auf diese und ähnliche Fragen erhielt der Marburger Mikro­biologe heute den Forschungspreis der Vereinigung für Allgemeine und Angewandte Mikrobiologie (VAAM). Den mit 10.000 Euro dotierten Preis für herausragende aktuelle Forschungsarbeiten auf dem Gebiet der Mikrobiologie überreichte VAAM-Präsident Prof. Axel Brakhage auf der diesjährigen VAAM-Jahrestagung in Karlsruhe.

Die VAAM zeichnet damit erneut einen erfolgreichen Nachwuchs­wissen­schaftler aus. Seit 2007 leitet Thanbichler eine selbstständige Forschungsgruppe am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikro­bio­logie in Marburg; zudem erhielt er 2008 den Ruf auf eine neu eingerichtete Juniorprofessur an der Universität Marburg in Nachfolge von Prof. Rudolf Thauer. „Thanbichlers Forschung trägt erheblich dazu bei, die molekularen Hintergründe und die faszinierende Steuerung in Bakterien zu verstehen, die schließlich zur Gestalt der Zellen, ihrer Teilung und ihren vielfältigen Aufgaben führen“, begründete das Auswahlkomitee seine Entscheidung. „Mit international beachteten Veröffentlichungen in hoch­rangigen Zeitschriften hat er auf dieses spannende Forschungsgebiet aufmerksam gemacht – und verspricht auch für die Zukunft weitreichende neue Erkenntnisse.“

Modellorganismus für Thanbichlers Untersuchungen ist Caulobacter crescentus – frei übersetzt mit „sichelförmig wachsendes Stielbakterium“. Das winzige Bakterium, etwa ein Hundertstel dünner als ein Haar, bildet bei seiner Vermehrung zwei unterschiedliche Arten Tochterzellen: Die eine besitzt einen Zellfortsatz, mit dem sie sich an feste Oberflächen heften kann; die andere kann sich mit Hilfe einer Geißel frei im Medium bewegen. Für die Steuerung dieser Prozesse sind komplexe regulatori­sche Netzwerke nötig: Die Tei­lungsstelle muss mar­kiert, die Aus­richtung der Zelle erkannt, der Zell­tei­lungs­apparat aktiviert und Chromosomen müssen verteilt werden. „Mit einem breit ange­leg­ten methodischen Ansatz unter­sucht Thanbichler außerordentlich erfolgreich die Mechanismen, die diesem faszinierenden Ent­wick­lungs­programm zu Grunde lie­gen“, so das internationale Gutach­ter­gremium. „Seine heraus­ra­gen­den Arbeiten zur Chromosomen­segregation, zur Zellpolarität, zum Zellteilungsapparat und zur Mor­­phogenese haben ihm international hohe Anerkennung verschafft.“

Mehr als 20 wissenschaftliche Arbeiten hat der 37-Jährige mittlerweile publiziert, unter anderem in so namhaften Zeitschriften wie Cell, EMBO Journal, Proceedings of the National Academy of Sciences USA sowie Molecular Microbiology. „Der VAAM-Preis unterstreicht die Bedeutung zellbiologischer Ansätze in der Mikrobiologie“, freut sich Thanbichler über seine Auszeichnung. „Er macht auf die erstaunliche Komplexität von Bakterien aufmerksam und verdeutlicht, dass diese vermeintlich einfachen Organismen selbst nach Jahrzehnten intensiver Forschung immer noch jede Menge Überraschungen zu bieten haben.“ Sein nächstes großes Ziel ist es, sich an die Analyse von Bakterien zu wagen, die bisher trotz ihrer faszinierenden Zellbiologie auf Grund fehlender genetischer Methoden kaum molekular untersucht wurden.

Thanbichler studierte Biologie mit dem Schwerpunkt Mikrobiologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Seine Promotionsarbeit bei Prof. August Böck handelte über den Mechanismus, der für den Einbau der ungewöhnlichen Aminosäure Selenocystein in Proteine verantwortlich ist. Im Anschluss verbrachte er vierJahre im renommierten Labor von Lucy Shapiro an der Stanford University (USA). Seit 2007 leitet er die Forschungsgruppe “Prokaryotische Zellbiologie” am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie in Marburg. Seit 2008 hat er eine Juniorprofessur für Mikrobiologie an der Philipps-Universität Marburg inne.