05.07.2011
„Liebeserklärung an die Philipps-Universität“
Podiumsdiskussion zu Reinhard Brandts Buch „Wozu noch Universitäten?“ - Audioaufzeichnung als Download
Unter dem Motto „Wozu noch Universitäten?“ hat am Donnerstag, dem 30. Juni 2011, an der Philipps-Universität eine Podiumsdiskussion stattgefunden. Mit Prof. Dr. Reinhard Brandt, dem Autor des gleichnamigen, vor Kurzem erschienenen Buches, diskutierten Uni-Präsidentin Prof. Dr. Katharina Krause und Prof. Dr. Jochen Maas, Mitglied des Hochschulrats der Philipps-Universität und des Vorstands der Sanofi-Aventis Deutschland GmbH.
Moderator Jürgen Kaube, der bei der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) für den Bereich Wissenschafts- und Bildungspolitik zuständig ist, hätte gerne „die Position des Bösewichts“ besetzt gesehen, doch übten die Diskussionsteilnehmer vor allem in Bezug auf die Einführung der Bachelor- und Masterstudiengänge und der damit einhergehenden Modularisierung des Studiums einstimmig Kritik. „Wir brauchen keine Studierenden, die nach Stundenplan lernen, sie sollen selbst aktiv werden“, forderte Maas. Die Frage danach, wer Schuld habe an der gegenwärtigen Situation der Universitäten, sei eine akademische: „Wichtiger ist die Frage, wie die Reform reformiert werden kann.“
Krause, die Brandts Buch als „eine wunderbare Liebeserklärung an die Philipps-Universität“ bezeichnete, wünschte sich, dass diese in begrenztem Umfang den Beweis antreten dürfe, „dass sie mit einer anderen Studienorganisation erfolgreich ist. Außerdem wünsche ich mir eine besser informierte Berichterstattung über das, was an der Universität und in der Wissenschaft passiert.“ Sowohl Forschung als auch spätere Anwendungsmöglichkeiten des Studiums seien wichtig; Universitäten hätten die Aufgabe, Transferkompetenzen herzustellen – „dafür bleibt beim Bachelorstudium aber meistens zu wenig Zeit“, sagte Krause.
Brandt betonte den Unterschied zwischen „Wissen“ und „Erkennen“ und sieht heutzutage, besonders zu Beginn des Studiums, die Erkenntniskultur in Gefahr. Die Universität stehe nicht im Dienst außeruniversitärer Zwecke, sondern solle zum Studium der Wissenschaften zurückkehren. Für Jochen Maas, der es im Gegensatz zu Brandt durchaus für wichtig hält, dass sich Studiengänge auch an den Anforderungen der Industrie orientieren, stehen vor dem Erwerb von Wissen und dem Erkenntnisgewinn die reinen Informationen. Er beklagte, dass ein Großteil der Studierenden die Universitäten „als Weiterführung des Gymnasiums“ betrachteten und dementsprechend nur über Informationen verfügten – „kreative Mitarbeiter müssen aber zumindest Wissen haben, wenn schon nicht Erkenntnis“. Er erwarte keine Absolventen, die sofort in den Beruf einsteigen können, sie sollten aber Eigeninitiative zeigen. Kritik an einer zu starken Einflussnahme der Industrie auf die Universitäten durch Drittmittel wehrte er ab. Dieser werde oft überschätzt, stimmte ihm die Präsidentin zu. Wichtiger sei es ihrer Meinung nach, dass die Landesregierungen den Universitäten mehr Autonomie zugeständen.
Reinhardt Brandt empfahl den Universitäten, „sich in der Außenwirkung stärker selbst zu reflektieren“. Außerdem müsse man den Studierenden Mut machen, „gegen die Zerstörung ihrer eigenen Biografien zu protestieren“. In seinem Buch geht es ihm um die Verteidigung der Idee und der Institution der Universität als Stätte der freien Forschung und Lehre, die er durch die Reform von Bologna bedroht sieht.
Die Podiumsdiskussion wurde von der Marburger Universitätsbuchhandlung Elwert unterstützt. Die Audioaufzeichnung kann hier herunter geladen werden.
Fotos: Markus Farnung