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19.01.2012

„Unter Canadiensern, Irokesen und Rebellen“

Marburger Historiker legen Tagebuchedition zum Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg vor

Abenteuerliche Erlebnisse im amerikanischen Unabhängigkeitskrieg und persönliche Eindrücke von Land und Leuten stehen im Zentrum des Tagebuchs eines hessischen Kriegsteilnehmers, das Marburger Historiker nun erstmals in einer wissenschaftlichen Edition zugänglich gemacht haben. Die Aufzeichnungen des Philipp Jakob Hildebrandt (1733-1783) entstanden während seines Einsatzes mit den Hessen-Hanauer Jägern.

Holger Gräf, Lena Haunert (Hg.): Unter Canadiensern, Irokesen und Rebellen. Das Tagebuch des Hessen-Hanauer Jägers Philipp Jakob Hildebrandt aus den Jahren 1777-1781 (=Untersuchungen und Materialien zur Verfassungs- und Landesgeschichte 29), Hessisches Landesamt für geschichtliche Landeskunde 2011, ISBN 978-3921254790, 180 Seiten, 19,80 Euro

Hessen stellte zur Zeit des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges das mit Abstand größte Kontingent in englischen Diensten, erläutert Professor Dr. Holger Gräf, der das Werk zusammen mit Lena Haunert herausgegeben hat: „Im Laufe des Krieges waren rund 20.000 hessische Söldner in Nordamerika – er war somit in unserer Landesgeschichte ein Generationenerlebnis wie sonst nur der Erste und der Zweite Weltkrieg!“

Gräf hatte die Aufzeichnungen erst vor wenigen Jahren in einem privaten Nachlass entdeckt. Die Besonderheit, die diesem Tagebuch ihre herausragende Bedeutung verleiht, lässt sich dem Historiker zufolge in drei Punkte fassen: Anders als in den Regimentsjournalen werden hier die sehr persönlichen Eindrücke von Land und Leuten ebenso wie die Erlebnisse während der Kampfhandlungen und in den monatelangen Winterquartieren beschrieben. Darüber hinaus liefert Hildebrandt den einzigen Bericht über die Beteiligung der Hessen-Hanauer an der abenteuerlichen Expedition des britischen Brigadegenerals Barry St. Leger und der Belagerung des Fort Stanwix im August 1777, deren Scheitern wiederum als eine Voraussetzung für den amerikanischen Erfolg bei Saratoga und damit für die militärische Wende des Krieges gilt. Schließlich lernte Hildebrandt die Lebensgewohnheiten und Kriegsbräuche der Indianer und der „Canadienser“, also der Frankokanadier, aus nächster Nähe kennen, wodurch seine Aufzeichnungen als einzigartige Quelle für die Gesellschaft im erst anderthalb Jahrzehnte zuvor in britischen Besitz gelangten Kanada gelten dürfen.

„Mit dieser Edition wird somit wichtiges Material zur Verfügung gestellt, das die Geschichte des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und den Einsatz der hessischen Truppen ebenso berührt wie die frühe Landeskunde und Ethnographie Kanadas sowie die Fragen der Selbst- und Fremdwahrnehmung im inter- und transkulturellen Kontakt“, führt Gräf aus. In Zusammenarbeit mit dem Marburger Zentrum für Kanadastudien wird bereits an einer Übersetzung gearbeitet, die um die Jahreswende 2012/13 in einem kanadischen Verlag erschienen soll.

Nach den im Jahr 2010 erschienenen Briefen und dem Tagebuch des Georg Ernst von und zu Gilsa (1740-1798) wird in Kooperation des Hessischen Landesamtes für geschichtliche Landeskunde und dem Fachgebiet Frühe Neuzeit mit diesem Band eine zweite, bislang unbekannte Quelle zum Einsatz hessischer Truppen im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg vorgelegt.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Professor Dr. Holger Gräf,
Fachgebiet Frühe Neuzeit
Tel.: 06421 28-24579
E-Mail: graef@staff.uni-marburg.de