17.04.2012
Sensible Materie
Marburger Jurist veröffentlicht Lehrbuch zum Internationalen Strafprozessrecht
„Die Achillesferse des Völkerstrafrechts“ – so ist das internationale Strafprozessrecht charakterisiert worden. Inwiefern die Metapher trifft, lässt sich in einem aktuellen Lehrbuch überprüfen, das der Völkerstrafrechtler Professor Dr. Christoph Safferling von der Philipps-Universität soeben vorgelegt hat. Das englischsprachige Werk unter dem Titel „International Criminal Procedure“ stellt die Verfahrensregeln des Internationalen Strafgerichtshofs umfassend dar, vergleicht sie mit den prozessualen Normen anderer internationaler Tribunale und entwickelt eine grundlegende Theorie für internationale Strafverfahren.
„Das Strafverfahrensrecht ist eine höchst sensible Materie“, erklärt der Autor. „Während einerseits der gesellschaftliche Strafanspruch durchgesetzt werden soll, muss zugleich auf die Rechte des Angeklagten Rücksicht genommen werden.“ Zusätzlich werden Opferinteressen im Strafverfahren immer bedeutsamer. „All dies gilt insbesondere im internationalen Strafrecht“, betont Safferling.
Das aktuelle Werk des Marburger Völkerrechtlers nimmt eine umfassende Systematisierung des Verfahrensrechts an Internationalen Tribunalen vor. Es analysiert die Organisationsstruktur des Internationalen Strafgerichtshofs, die übergreifende Prozessordnung sowie einzelne Verfahrensregeln, die mit denen anderer Völkerstrafgerichte verglichen werden. Safferling verfolgt in seinem Buch die historische Entwicklung, beginnend mit dem Militärtribunal in Nürnberg, bis hin zu aktuellen Völkerrechtsprozessen, die sich mit Menschenrechtsverletzungen in Jugoslawien, Ruanda, Kambodscha und anderswo befassen und allesamt unterschiedlichen Regeln folgen. Dabei treten eine Reihe ungelöster prozessualer Probleme zutage: Etwa die Rechte der Angeklagten, die Veröffentlichung von Beweismaterial, die Beteiligung von Verbrechensopfern und der Zeugenschutz.
„Während das nationale Strafverfahrensrecht auf lange gewachsene Traditionen zurückblicken kann, ist das internationale Verfahrensrecht eine Erscheinung der 1990er Jahre, ohne Tradition und philosophische Wurzeln“, legt Safferling dar. Eine Vereinheitlichung auf internationaler Ebene müsse die unterschiedlichen Rechtstraditionen berücksichtigen, die in verschiedenen Ländern herrschen, um global akzeptabel zu sein. Ausgehend vom „Römischen Statut“ für den Internationalen Strafgerichtshof, entwickelt der Autor eine grundlegende Theorie für internationale Strafverfahren, die nicht auf einer bestimmten Rechtskultur basiert.
“Das Buch versucht, die Strukturen internationaler Strafverfahren so zu beschreiben, wie sie sich einem Außenseiter darstellen“, sagt Safferling, der selbst kein Praktiker des Völkerrechts ist. Indem er einige kritische Fragen aufwerfe, hoffe er, aus der Perspektive des Theoretikers ein wenig zur Weiterentwicklung des internationalen Strafverfahrensrechts beizutragen.
Christoph Safferling ist Professor für Internationales Strafrecht an der Philipps-Universität; er steht dem Marburger Forschungs- und Dokumentationszentrum für Kriegsverbrecherprozesse als Geschäftsführender Direktor vor und ist Mitglied der unabhängigen wissenschaftlichen Kommission beim Bundesministerium der Justiz, die dessen NS-Vergangenheit aufarbeiten soll. Die Arbeit an der aktuellen Veröffentlichung wurde von der Fritz-Thyssen-Stiftung finanziell gefördert.
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Christoph Safferling,
Fachgebiet Völkerstrafrecht
Tel.: 06421 28-
23119
E-Mail:
christoph.safferling@jura.uni-marburg.de
Verlagsinformationen im Internet:
http://ukcatalogue.oup.com/product/9780199562886.do