18.05.2012
Erklärung zur Finanzsituation der Philipps-Universität
Angespannte Lage, aber kein Liquiditätsproblem
Als Reaktion auf aktuelle Presseberichte zur Finanzsituation der Philipps-Universität erklärt Dr. Friedhelm Nonne, Kanzler der Universität:
„Die Philipps-Universität Marburg hat in einer eingehenden Analyse des Jahresverlusts 2011 von 29,4 Millionen Euro festgestellt, dass darin Sondereffekte des Geschäftsjahres, die zum Teil bilanztechnische Gründe haben, mit einem Verlustvolumen von mehr als 22 Millionen Euro zu Buche schlagen und deshalb ein überzogen negatives Bild von der Finanzsituation der Universität entsteht. Diese negativen Sondereffekte werden auf das Jahr 2011 beschränkt bleiben. Dennoch besteht ein strukturelles Finanzproblem in einer Größenordnung von 7 Millionen Euro pro Jahr. Es betrifft sowohl die Finanzsituation von zentralen Einrichtungen und der Verwaltung als auch die finanzielle Lage der Fachbereiche.
Die strukturellen Probleme auf der zentralen Ebene sind dem Präsidium seit langem bekannt und sowohl gegenüber dem Senat als auch gegenüber dem Wissenschaftsministerium wiederholt thematisiert worden. Als wesentliche Ursachen sehen wir finanzielle Sonderlasten der Philipps-Universität wie zum Beispiel überdurchschnittliche Heizkosten und von der Universität finanzierte Einrichtungen mit Sonderfunktionen, die im Finanzierungssystem des Landes nicht angemessen abgebildet werden. Die Mehrausgaben auf der Ebene der Fachbereiche waren in den meisten Fällen nicht etwa Fehler in der Finanzsteuerung, sondern beruhen in der Regel auf der bewussten Entscheidung, vorhandene Reserven zu verausgaben, um möglichst viele Studienplätze bereitzustellen – aus Verantwortung gegenüber den Studieninteressenten, aber auch wegen des geltenden Hochschulpakts, in dem die Zahl der Studierenden der wichtigste Indikator für die Höhe der Landeszuweisung ist.
Ein wichtiger Sondereffekt des Geschäftsjahres 2011 geht darauf zurück, dass das Land im vergangenen Herbst vor dem Bundesarbeitsgericht einen Prozess zum Tarifrecht verloren hat mit der Folge, dass im ganzen Land einmalige Gehaltsnachzahlungen in erheblicher Höhe fällig werden. An der Universität Marburg sind bis zu 7,1 Millionen an die Angestellten wegen der Unzulässigkeit der Lebensalterstufen im alten Bundesangestelltentarif (BAT) nachzuzahlen. Dafür musste eine Rückstellung in dieser Höhe gebildet werden, bei der wir allerdings hoffen, dass das Land diese Nachzahlungen gesondert erstatten wird. Im Jahresabschluss 2011 ist dieser Betrag korrekt als Belastung abgebildet worden.
Ein anderer Sondereffekt beruht auf einer besonderen kaufmännischen Buchungslogik des Landes. Die Universität hat in den letzten Jahren Sondermittel für die Finanzierung von Studienplätzen aus den Mitteln des Hochschulpakts 2020 angespart. Es wurde in den vergangenen Jahren übersehen, dass diese Mittel nach den Bilanzierungsvorschriften des Landes in eine Sonderrücklage zu buchen sind. Dies wurde 2011 nachgeholt und führt zu einem rechnerischen Verlust von insgesamt 9,5 Millionen Euro. Faktisch ist dieser Betrag weiterhin verfügbar, er wurde nur einer anderen Bilanzposition zugeordnet. Ein dritter erheblicher Sondereffekt rührt aus dem Umstand, dass es seit mehreren Jahren keine Einigung über die sogenannte Trennungsrechnung mit dem privatisierten Universitätsklinikum gibt, sondern nur Abschlagszahlungen. Hier muss die Universität seit mehreren Jahren Rückstellungen bilden, wobei 2011 aufgrund von nachträglich eingereichten Unterlagen des Klinikums rückwirkend für 2010 eine zusätzliche Rückstellung in Höhe von 2,9 Millionen Euro gebildet wurde. Zusammen mit zwei weiteren kleineren Sondereffekten – Erhöhung der Rücklage für Sondermittel des Landes zur Verbesserung der Qualität der Lehre und tarifbedingter Anstieg der Urlaubsrückstellungen – ergibt sich ein anteiliger Gesamtverlust von 22,2 Millionen Euro durch Sondereffekte, die sich in den folgenden Jahren zu einem erheblichen Teil durch korrespondierende Gewinne wieder ausgleichen werden.
Diese Sondereffekte wurden in den Quartalsprognosen der Universität bisher nicht angemessen berücksichtigt. Wir arbeiten an der Verbesserung der Prognosen – durch Organisationsveränderungen und durch Wissenstransfer aus anderen Universitäten – und sind auch dabei, die Liquiditätssteuerung auf der Ebene der Fachbereiche zu verbessern.
Ungeachtet des Verlusts in der Gewinn- und Verlustrechnung ist die Liquiditätslage der Universität zu keinem Zeitpunkt kritisch gewesen. Vielmehr sind die kassenmäßigen Reserven in den letzten Jahren kontinuierlich angestiegen und betrugen – ohne Drittmittelreste – zuletzt mehr als 30 Millionen Euro.
Aus den genannten Gründen ist fest davon auszugehen, dass sich der hohe Verlust des Jahres 2011 im Jahr 2012 nicht wiederholen wird.
Wir haben mit der Wissenschaftsministerin Eva Kühne-Hörmann vereinbart, dass ein externes Beratungsunternehmen eine gründliche Analyse der Finanzsituation der Marburger Universität durchführt und in diesem Zusammenhang auch prüft, durch welche Maßnahmen innerhalb des betont wettbewerbsorientierten hessischen Hochschulfinanzierungssystems ein ausgeglichener Haushalt erreicht werden kann. Natürlich haben wir selbst schon Vorstellungen dazu. Wir werden intern noch einmal alle Ausgaben kritisch prüfen. Aber dies wird nach unserer Einschätzung nicht ausreichen, um die finanziellen Strukturprobleme zu bewältigen. Deshalb muss auch gefragt werden, wie die Einnahmen gesteigert werden können. Ich begrüße es sehr, dass wir mit der geplanten Untersuchung eine neutrale Einschätzung zur Gesamtproblematik bekommen.“
Kontakt
Dr. Friedhelm Nonne
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