15.06.2012
RAN – Marburger „Rückenschmerz ANpacken“ Studie erfolgreich angelaufen
Es gibt noch freie Plätze für Schmerzpatienten
Chronische Rückenschmerzen betreffen inzwischen mehr als 20% der deutschen Bevölkerung. Trotz ständiger Weiterentwicklung medizinischer Maßnahmen zur Behandlung von Rückenschmerzen erreichen viele nicht den erwünschten Erfolg, und die Häufigkeit dieser Erkrankung nimmt stetig zu. Eine der Erklärungen für dieses Phänomen ist, dass ein wichtiger Baustein der modernen Rückenschmerzbehandlung, nämlich psychologische Therapie, weniger als 10% der Patientinnen und Patienten angeboten wird.
Außerdem wird Rückenschmerzpatienten erst zur psychologischen Mit-Behandlung ihrer Schmerzen geraten, wenn ihre Schmerzen schon seit vielen Jahren oder gar Jahrzehnten bestehen und alle anderen Therapien versagt haben. Therapieplätze, insbesondere im ambulanten Bereich, sind zudem rar. Dabei gehört psychologische Schmerztherapie zu den wenigen von Experten überhaupt als „wirksam“ eingestuften Verfahren zur Behandlung von Rückenschmerzen (siehe auch backpaineurope.org). Je früher die Patienten diese Therapie erhalten, desto höher sind ihre Chancen, die Chronifizierung der Schmerzen aufzuhalten und zu einem erfüllten, aktiven Leben zurückzukehren.
Trotz bereits guter Wirksamkeit muss psychologische Schmerztherapie weiter entwickelt werden. Denn nicht alle Patienten profitieren gleichermaßen von den psychologischen Therapieelementen, wie sie zum Beispiel in der stationären Rehabilitation angeboten werden. Oft wird zum Beispiel die Sorge der Patienten, dass sie sich durch bestimmte Bewegungen oder Aktivität verletzen können, nicht genügend aufgegriffen. Deswegen arbeiten viele Wissenschaftler, zum Beispiel in den Niederlanden, Schweden und Kanada an neuen, noch wirksameren und ökonomischeren Interventionen zur Schmerzbewältigung.
Seit einem Jahr erproben auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler am Fachbereich Psychologie der Philipps-Universität Marburg in Kooperation mit den Universitäten Leuven/Belgien und Maastricht/Niederlande eine neue Therapieform zur Bewältigung chronischer Rückenschmerzen. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt, weshalb für die teilnehmenden Patienten oder ihre Krankenkassen keine Kosten entstehen. Bei der im Universitätsklinikum Maastricht entwickelten Methode lernen die Erkrankten durch gezielte Übungen ihre Angst vor Verletzung und Schmerzen zu überwinden und dadurch ihre Aktivität im Alltag zu steigern. Bei 18 von den bisher 20 behandelten Patienten kam es durch die 10 bis maximal 15stündige Therapie zur deutlichen Abnahme der Beeinträchtigung im Alltag, Schmerzreduktion und Verbesserung der Stimmung.
Die Ergebnisse sind bisher den anderen herkömmlichen Schmerzbewältigungsprogrammen deutlich überlegen. Viele der teilnehmenden Patienten konnten längst aufgegebene Tätigkeiten wie zum Beispiel länger Sitzen, Stehen, Bücken, Reiten oder Fahrrad fahren durch die erfolgreiche Zusammenarbeit mit ihrem Therapeuten wieder aufnehmen. Besonders hervorzuheben ist die Ökonomie des Verfahrens – nach bereits 10 Therapiesitzungen geht es vielen Patienten deutlich besser. Falls die Patienten noch weitere Probleme zusätzlich zum Rückenschmerz aufweisen, z.B. eine Depression, sind mehr Behandlungsstunden nötig. Diese können unabhängig von der Teilnahme an der Studie im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung erfolgen.
Um noch einen der freien Plätze zur Erprobung der vorgestellten Methode zu ergattern, müssen Patientinnen und Patienten seit mindestens drei Monaten unter chronischen Rückenschmerzen leiden, die sie im Alltag einschränken.
Das Team um Dr. Julia Glombiewski erforscht seit acht Jahren chronische Schmerzen und bietet Behandlungsprogramme für Betroffene an. Ihre Arbeiten zu diesem Thema wurden in renommierten wissenschaftlichen Zeitschriften, wie zum Beispiel Archives of Internal Medicine oder Pain veröffentlicht. Zusammen mit dem Leiter der Psychotherapie-Ambulanz, Prof. Dr. Winfried Rief, und weiteren Kooperationspartnern war das Team zudem 2011 und 2012 unter den Preisträgern der Integrierten Versorgung Rückenschmerz für herausragende Therapieerfolge in der interdisziplinären Behandlung von Patienten mit chronifizierten Rückenschmerzen.
Ansprechpartnerin: Dr. Julia Glombiewski
Tel.: 06421-2823617
E-mail
jg@uni-marburg.de
,
Schmerzstudie@uni-marburg.de