15.08.2012
Von Behring-Röntgen-Stiftung würdigt herausragende Leistungen in der medizinischen Forschung
Professor Dr. Horst Kern mit Von Behring-Röntgen-Forschungsmedaille geehrt
Am 14. August 2012 hat die Von Behring-Röntgen-Stiftung im Rahmen eines Festakts in der Aula der Alten Universität Marburg fünf Wissenschaftler für ihre besonderen Leistungen in der medizinischen Forschung geehrt. Die mit jeweils 2500 Euro dotierten Von Behring-Röntgen-Nachwuchspreise wurden an die Marburger Dr. Sören Krach, Dr. Sebastian Irle und Dr. Aparna Renigunta sowie den Gießener Dr. Nico Lübbing verliehen.
Mit der Von Behring-Röntgen-Forschungsmedaille hat die Stiftung zum zweiten Mal die Lebensleistung eines Wissenschaftlers in der medizinischen Forschung gewürdigt. Preisträger ist der ehemalige Präsident der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Horst F. Kern.
Von Behring-Röntgen-Nachwuchspreise
Der Psychologe Dr. Sören Krach hat den Von Behring-Röntgen-Nachwuchspreis für seine Arbeit erhalten, die den Zusammenhang von Fremdscham und dem Mitfühlen von Schmerzen aufklärt. Mit seinen Untersuchungen konnte Krach zeigen, dass Beobachter unangenehmer, peinlicher Situationen umso stärker mit eigenen Empfindungen, der sogenannten Fremdscham, reagierten, desto deutlicher ihre Fähigkeit zum Mitgefühl ausgeprägt war. Dieser Zusammenhang zeigte sich durch Aktivierungsparameter in der funktionalen Magnet-Resonanzbildgebung in Hirnarealen, die normalerweise aktiviert sind, wenn Personen mit den Schmerzen anderer mitleiden. Dieses Gefühl stellte sich unabhängig davon ein, ob die beobachtete Person sich blamiert fühlte oder nicht. Der 34-Jährige, der seine Promotion mit „summa cum laude“ abgeschlossen hat, ist seit 2009 wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Philipps-Universität Marburg.
Dr. Nico Lübbing wurde mit dem Von Behring-Röntgen-Nachwuchspreis für seine Arbeit zur Zöliakie geehrt, einer chronischen Erkrankung der Darmschleimhaut, die zu Verdauungsstörungen, eingeschränkter Nährstoffaufnahme und Entwicklungsstörungen führen kann. Die Zöliakie entsteht durch eine Überempfindlichkeit gegen Bestandteile von Gluten, das in vielen Getreidesorten enthalten ist. Von der Erkrankung Betroffene müssen bisher lebenslang eine glutenfreie Diät halten. Lübbing konnte zeigen, dass die Erkrankung bei genetisch veranlagten Kindern durch die Zugabe von Antikörpern gegen Gliadin, dem auslösenden Peptid im Getreide, sowie Gliadin möglicherweise verhindert werden kann. Seine wegweisenden Forschungsergebnisse lassen vermuten, dass in der Muttermilch enthaltene Gliadin-Antikörper einen ähnlichen Effekt ausüben. Darüber hinaus vermittelt Lübbings Arbeit, die mit „ausgezeichnet“ bewertet wurde, grundlagenwissenschaftliche Erkenntnisse zur Darmphysiologie.
Dr. Aparna Renigunta hat den Von Behring-Röntgen-Nachwuchspreis für ihre biochemische Arbeit zu den molekularen Mechanismen des Salztransportes in der Niere erhalten. Ihre international beachteten Forschungsergebnisse tragen zum grundlegenden Verständnis der Entstehung seltener angeborener Nierenerkrankungen bei. Dr. Renigunta ist seit 2005 als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin in Marburg tätig. Die 33-jährige Humanbiologin wurde bereits mit verschiedenen Wissenschaftspreisen geehrt.
Für seine wegweisende interdisziplinäre Arbeit zwischen Medizin und Mathematik wurde Dr. Sebastian Irle mit dem Von Behring-Röntgen-Nachwuchspreis geehrt. Seine international beachtete Arbeit trägt zur Lösung für ein Problem klinischer Studien bei. Das Design klinischer Studien, bestehend aus Fallzahl, Zwischenauswertungszeitpunkten, usw., muss bereits zu Beginn festgelegt werden und kann im Fall von Fehlplanungen nachträglich ohne Anwendung spezieller statistischer Verfahren nicht mehr verändert werden. Die bislang entwickelten Verfahren boten entweder eine große Flexibilität oder die Möglichkeit, Designänderungen sehr präzise vorzunehmen, nicht jedoch beide Vorzüge zugleich. In seiner mit „summa cum laude“ bewerteten Arbeit konnte der 28-Jährige Mathematiker eine statistische Methode zur Anpassung klinischer Studiendesigns entwickeln, die erstmals beides vereint: Große Flexibilität und große Präzision. Irle ist seit 2010 am Institut für Biometrie und Epidemiologie der Philipps-Universität Marburg angestellt.
Die Vorstellung der Preisträger hat die Anatomieprofessorin Prof. Dr. Eveline Baumgart-Vogt im Rahmen eines Wissenschaftsgesprächs übernommen. Als Leiterin des Gießener Graduiertenzentrums für Lebenswissenschaften verstand sie es, durch gezielte Fragen, die komplexen Forschungsthemen der Geehrten auch dem fachfremden Publikum verständlich zu machen.
Von Behring-Röntgen-Forschungsmedaille
Mit der Von Behring-Röntgen-Forschungsmedaille wurde der Wissenschaftsmanager Prof. Dr. Horst F. Kern für seine Lebensleistung in der Medizin geehrt. „Prof. Dr. Kern hat mit seiner Persönlichkeit, mit Exzellenz und Kompetenz, außerordentliche Maßstäbe gesetzt“, betonte Stiftungspräsident Friedrich Bohl.
Prof. Dr. Kern habilitierte sich 1968 für Anatomie, Histologie und Embryologie in Heidelberg, wo er nach Forschungsaufenthalten in Kanada und den USA 1972 Professor für Anatomie wurde. 1976 kam er nach Marburg und wurde Direktor des Instituts für KlinischeZytobiologie und Zytopathologie. Kern war Projektleiter von drei Marburger Sonderforschungsbereichen und von 1990 bis 1996 Sprecher des Graduiertenkollegs „Zell- und Tumorbiologie“. Zweimal war er Dekan des Fachbereichs Medizin der Philipps-Universität Marburg. Von 2000 bis 2003 war Prof. Kern Präsident der Philipps-Universität Marburg.
Prof. Dr. Kern gehörte zahlreichen wissenschaftspolitischen Beratergremien an. Von 1986 bis 1991 war er Mitglied des deutschen Wissenschaftsrates und von 2003 bis 2009 Mitglied des österreichischen Wissenschaftsrates. Für seine Leistungen und sein Engagement erhielt er 1970 den Ferdinand-Bertram-Preis der Deutschen Gesellschaft für Diabetesforschung, 1992 wurde er mit dem Verdienstkreuz 1. Klasse des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Die Ehrung Kerns übernahm sein Amtsnachfolger, der Marburger Zellbiologe Prof. Dr. Roland Lill, der nicht nur sein wissenschaftliches, sondern auch sein persönliches Lebenswerk würdigte.
Die Präsidentin der Philipps-Universität Marburg, Prof. Dr. Katharina Krause, erklärte zudem, dass Prof. Dr. Kern in seiner Amtszeit als wegweisender Wissenschaftsgestalter zahlreiche Denkanstöße zur Überwindung interdisziplinärer Grenzen gegeben habe.Über die Stiftung:
Die Von Behring-Röntgen-Stiftung wurde am 8. September 2006 vom Land Hessen zur Förderung der Hochschulmedizin an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg errichtet. Mit ihrem Stiftungskapital in Höhe von 100 Millionen Euro, aus dessen Zinserträgen die Förderung erfolgt, gehört sie zu den größten Medizinstiftungen in Deutschland. Gegründet wurde die Von Behring-Röntgen-Stiftung im Zuge der Fusion der Universitätskliniken Gießen und Marburg im Jahr 2005 und der anschließenden Privatisierung 2006, mit dem Ziel, an beiden Standorten neue Perspektiven für die Hochschulmedizin zu entwickeln und zu sichern.