14.11.2013
„Transparenz entsteht durch Licht auf beiden Seiten“
Die Philipps-Universität und die Stadt Marburg informierten über die bauliche Entwicklung der Universität (14.11.2013).
Campus Firmanei
Das Projekt, das das Stadtbild wohl am stärksten prägen wird, die neue zentrale Universitätsbibliothek, stellten der Projektleiter des Hessischen Baumanagement HBM, Raphael Kückmann, und der Architekt Norbert Sinning vom Büro sinning architekten vor. Das Vorhaben gliedere sich in zwei Teilmaßnahmen, führte Kückmann aus. Die erste Maßnahme, zu der die Verlegung der technischen Infrastruktur und die Baufeldfreimachung gehörten, sei nun abgeschlossen. Siebzehn Gebäude seien dafür rückgebaut worden, darunter die ehemalige Frauenklinik und das Schwesternwohnheim. Alle Maßnahmen seien im vorgesehenen Termin- und Kostenrahmen geblieben, freute sich der Projektleiter. Insgesamt beliefen sich die Kosten für die erste Teilmaßnahme auf 15 Millionen Euro. Die zweite Teilmaßnahme, die den Neubau der Bibliothek und den Umbau der Hautklinik umfasst, soll nach der Winterpause im ersten Quartal 2014 beginnen.
Der Architekt der neuen Bibliothek, Norbert Sinning, erläuterte die Gestaltungsmaximen, die den Entwurf bestimmen: Vor allem die Besonderheiten Marburgs, allen voran die vielen Treppen und Ebenen der Oberstadt, seien in den Entwurf eingeflossen. Aber auch der Sandstein des benachbarten Schäfer-Baus und der ehemaligen Hautklinik finde seine Entsprechung in der Farbigkeit der Fassaden. Analog zur Terrassierung der Oberstadt solle die Haupttreppe im Inneren das Gebäude bis zum Dach erlebbar machen und sich auch in sogenannten Leseterrassen spiegeln, die anstelle eines zentralen Lesesaals geplant sind. Insgesamt werden rund 1.000 Leseplätze zur Verfügung stehen, nach Möglichkeit alle mit Internetzugang.
Trotz seiner Größe werde das Gebäude sich nicht zur Stadt und zum Garten hin abriegeln, betonte Sinning. Dafür sorge schon das gläserne Atrium mit Café, das den Bürgern von der Elisabeth-Kirche kommend als Durchgang zum Botanischen Garten diene. Der Übergang von innen und außen werde fließend sein; dies bilde sich auch in der durchgehenden Pflasterung ab. Das Gebäude sei barrierefrei, Blindenleitstreifen sollten die Orientierung zusätzlich erleichtern. Da es sich hier um keine Versammlungsstätte handele und das Atrium zudem belüftet sei, könne man beim Atrium auf reflektierendes Glas verzichten, erklärte Sinning auf Nachfrage aus dem Publikum: „Transparenz entsteht durch Licht auf beiden Seiten“, erklärte der Architekt. Dies sei bei dem Neubau gegeben.
Eine weitere Frage beantwortete die Uni-Präsidentin: Einen Aufzug vom Pilgrimstein in den Botanischen Garten werde es auf absehbare Zeit nicht geben, erklärte sie: „Solange die Universität noch darum kämpft, zentrale historische Gebäude, wie die Alte Universität, barrierefrei zu erschließen, muss ein Aufzug zum Botanischen Garten zurückgestellt werden.“ Durch das Atrium des Neubaus erhalte der Botanische Garten allerdings künftig einen zusätzlichen barrierefreien Zugang, erklärte die Präsidentin.
Parkplätze im Lahntal
Der Leiter des Dezernats vier, Dr. Eckhard Diehl, stellte die Pläne der Universität für die Schaffung von Parkplätzen vor. Insgesamt erfordere die Baumaßnahmen auf dem Campus Firmanei und dem ehemaligen Brauereigelände 505 neue Stellplätze, 290 allein für die Bibliothek. Um dieses Problem zu lösen, plane die Universität die Errichtung eines Parkdecks mit 1.000 Stellflächen unmittelbar an der Kurt-Schumacher-Brücke. Dieses solle eine direkte Anbindung an die B3 und an die Wilhelm-Röpke-Straße erhalten. Außerdem werde das Parkdeck auf dem obersten Geschoss ebenerdig mit einem überdachten Fahrradstellplatz und einer Bushaltestelle an der Kurt-Schumacher-Brücke verbunden sein. Ein Shuttle-Bus könne dann das Parkdeck und die Bibliothek direkt verbinden. Dort seien weitere 400 Stellplätze für Radfahrer geplant.
Da die Universität nur 500 PKW-Parkplätze benötige, stünden weitere 500 für die Öffentlichkeit zur Verfügung. Man stelle sich vor, diese Maßnahme in Zusammenarbeit mit einem privaten Investor als Publik-Private-Partnership-Projekt durchzuführen, führte der Baudezernent aus. Die Universität verfolge idealerweise das Ziel, das Parkdeck und die damit verbundene Infrastruktur bereits 2015, also zwei Jahre vor Eröffnung der UB, fertig zu stellen. Die Frage nach der möglichen Gestaltung beantwortete Diehl mit dem Verweis auf das attraktiv gestaltete Parkhaus auf den Lahnbergen. Er könne sich eine Begrünung zur B3 hin vorstellen, sagte er. Die Kosten für die Gesamtanlage bezifferte er mit ca. 12 Millionen Euro. Dass es in der neuen UB keine Tiefgarage geben könne, begründete Diehl damit, dass das Untergeschoss für Buchmagazine benötigt werde. Da man sich unmittelbar an der Elisabeth-Kirche auf einem sehr sensiblen Baugrund befinde, könne man aber nicht unbegrenzt tief graben. Dies schließe weitere Tiefgeschosse aus. Wenn das Studentenparlament dem in der nächsten Woche zustimme, werde die Uni auf Initiative des AStA-Verkehrsreferats den Platz für Fahrradverleihsysteme sowohl für das Lahntal als auch für die Lahnberge bereitstellen, kündigte Diehl an.
Auf Nachfrage erläuterte Bürgermeister Dr. Franz Kahle, dass die Etablierung eines Job-Tickets für die Universitätsbeschäftigten zwar sehr wünschenswert, in Anbetracht der über den Landkreis und darüber hinaus verstreuten Wohnsituation der Beschäftigten aber herausfordernd sei. Uni-Kanzler Dr. Friedhelm Nonne beantwortete die Frage, ob es auch weiterhin kostenlose Parkplätze für Mitarbeiter geben werde: „ Ich kann nicht garantieren, dass dies auch in der Zukunft so bleibt“, sagte er. Rechnungshof und andere hessische Hochschulen seien in dieser Frage aktiv.
Studentisches Wohnen
Stadtplaner Reinhold Kulle vom Stadtbauamt erläuterte ein Projekt des Studentenwerks, auf dem Gelände des ehemaligen Arbeitsgerichts in der Gutenbergstraße ein studentisches Wohnheim zu errichten. „Dies ist der richtige Standort“, sagte Kulle. In bester Innenstadtlage biete sich die Chance, für diesen aktuellen städtebaulichen „Un-Raum“ neue Visionen zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit dem Frankfurter Architekten Ferdinande Heide hätten Studentenwerk und Universität Planungsmöglichkeiten für das Areal zwischen dem Institut für Psychologie und dem ehemaligen Arbeitsgericht entwickelt, die allerdings noch viel Spielraum für Varianten ließen. Insgesamt sollen auf dem Grundstück 60 Wohneinheiten entstehen. Nach dem geplanten Umzug des Sozialgerichts in das Behördenzentrum könne auch dieses Gebäude für Studentenwohnungen umgebaut werden, führte Kulle weiter aus. Das Arbeitsgericht selbst werde von der Universität zu Seminarräumen und Büros umgebaut. Außerdem sei es denkbar, die für das Südviertel typische Blockrandbebauung in einem Neubau fortzusetzen, der auf einem als Parkplatz genutzten Grundstück entstehen könne. Dies werde allerdings derzeit noch geprüft. Das Gesamtprojekt werde in mehreren Bauabschnitten realisiert werden.
Lahnberge
Den Stand der Baumaßnahmen und der weiteren Planungen auf dem Campus Lahnberge referierten der Projektmanager der Universität Gunnar Kuhl und der Landschaftsarchitekt Dirk Désor, vom Wiesbadener Büro „plan D“. Gleich drei große Bauprojekte auf dem Campus Lahnberge stehen kurz vor der Fertigstellung, berichtete Kuhl: Das Zentrum für Tumor- und Immunbiologie und das Zentrum für Synthetische Mikrobiologie würden bereits im ersten Quartal 2014 den Nutzern übergeben, der Neubau für den Fachbereich Chemie werde im Frühsommer fertig. Kuhl betonte, dass man die Bauten auf dem Campus nicht isoliert betrachten könne. Daher habe das hessische Baumanagement das Büro „plan D“ mit einer Konzeptstudie zur infrastrukturellen Entwicklung und zur „identitätsstiftenden Freiraumplanung“ beauftragt. Diese habe das Ziel, den 2009 erstellten Masterplan Lahnberge zu detaillieren und weiterzuführen. Nach ihrer Erörterung im Gestaltungsbeirat und am „Runden Tisch Tiefbau“ werde die Studie im ersten Quartal 2014 vorliegen.
Architekt Désor benannte zu Beginn seiner Ausführungen zunächst die Defizite der bestehenden Bebauung: Nicht nur die Gebäude und die Wege seien in die Jahre gekommen, sondern auch die Orientierung auf dem Areal sei höchst problematisch, erklärte er. Künftig solle der Campus Fußgängern, Radfahrern und Bussen vorbehalten sein, womit die Erschließung des Campus wesentlich verbessert werde. Die Busspur werde einer von Nord nach Süd verlaufenden Grünachse folgen und so eine Art Boulevard ausbilden, der alle Gebäude verbinde. Er stelle sich eine großzügige Campusanlage vor, auf der man sich gerne bewege und in deren Zentrum Sportfelder und Grünflächen zu einem „Campus-Gefühl“ beitrügen, sagte der Landschaftsarchitekt.
Dies solle durch ein einheitliches Farb- und Materialkonzept unterstützt werden, bei dem Atriumstufen zum Sitzen einladen und farbige Kuben und mit Naturstein gefüllte Gabionen Akzente setzen. Groß geschrieben werde auch das Thema Barrierefreiheit: Ein Leitsystem für Blinde und Sehbehinderte solle sich über den ganzen Campus spannen, und bereits jetzt werde ein zum Uniklinikum führender Weg, der aufgrund seines Gefälles nicht für Rollstuhlfahrer geeignet ist, durch eine neue barrierefreie Rampe ergänzt.
Marburger Systembauten
Die Frage aus dem Publikum, ob der Denkmalschutz auf dem Campus Lahnberge eingehalten werde, beantwortete die Uni-Präsidentin. Von Anbeginn der Planungen habe es mit der Landesdenkmalbehörde den Konsens gegeben, das ehemalige Staatsbauamt in der Karl-von-Frisch-Straße, das jetzt vom Fachbereich Medizin genutzt werde, als Referenzobjekt für das Marburger System zu erhalten, betonte Krause. Der erste Entwurf sei in einem Ortstermin mit dem Landesdenkmalpfleger erörtert worden. Die Universität habe eine Studie in Auftrag gegeben, um mehrere Varianten für eine denkmalgerechte Sanierung zu erhalten. Man suche nach einer Lösung, wie man den Sichtbetonbau in seiner ästhetischen Qualität unter den heutigen Anforderungen erhalten könne, sagte die Architekturhistorikerin. Die Bauten des Marburger Systems seien zu einer Zeit errichtet worden, als der Liter Heizöl 3 Pfennig gekostet habe und fossile Energieträger unbegrenzt verfügbar schienen, erläuterte sie. Neben bauphysikalischen und energetischen Problemen wiesen die Systembauten auch Probleme der Nutzung sowie des Arbeitsschutzes auf, die keineswegs profan seien, fuhr Krause fort. Die Gebäude seien schadstoffbelastet, die damals verwendete Mineralfaser mache unter Umständen eine vollständige Entkernung notwendig. All diese Faktoren würden nun mit ingenieurmäßigem Sachverstand geprüft und in Sanierungsvarianten berücksichtigt.
Wenn die Studie vorliege, werde die Universität das Ergebnis mit dem Landeskonservator Dr. Buchstab erneut besprechen und mit einem Vorschlag an die zuständigen Ministerien des Landes herantreten. Das Land und somit die Steuerzahler seien es schließlich, die die Mittel für die Sanierung aufbringen müssten. „Wenn aber, wie dies jetzt schon der Fall ist, die Systembauten nicht einmal zwanzig Jahre nach der Sanierung bereits erneut zum Sanierungsfall werden, dann ist dies nicht tragbar“, betonte Krause. „Nicht für die Universität und nicht für den Steuerzahler.“ „Ich werde es dem Fachbereich Medizin nicht zumuten, Denkmalpflege auf den Lahnbergen zu betreiben“, fuhr sie fort. In den Gebäuden auf den Lahnbergen müsse Spitzenforschung betrieben werden. Wenn dies aus baulichen Gründen nicht möglich sei, dann gefährde dies auch den Erhalt der Universität, warnte die Präsidentin. „Wir wollen die Gebäude erhalten, aber nur, wenn dies auch nachhaltig und funktionsgerecht möglich ist“, schloss sie ihre Ausführungen.
Zur finanziellen Situation erklärte Krause, dass von den rund 900 Millionen Euro, die die Sanierung aller universitären Bauten erfordere, derzeit 560 Millionen Euro durch das Land Hessen gesichert seien. „Das ist ein ganz schöner Brocken“, brachte sie es auf den Punkt. "Und wir sind dem Land dankbar für die geleisteten Investitionen."
Lesen Sie hierzu auch die Pressemitteilung der Stadt .
Nachfolgende Präsentationen der Info-Veranstaltung stehen zum Download bereit:
Neue Zentrale Universitätsbibliothek
Machbarkeitsstudie zum studentischen Wohnen in der Gutenbergstraße