04.11.2013
Atomare Einsichten
Hans-Hellmann-Lecture geht an Klaus Ruedenberg
Professor Dr. Klaus Ruedenberg (Iowa State University) ist an der Philipps-Universität mit der Hans-Hellmann-Lecture geehrt worden. Professorin Dr. Stefanie Dehnen, Vorsitzende des Ortsverbandes Marburg der Gesellschaft Deutscher Chemiker, und Professor Dr. Andreas Seubert, Dekan des Fachbereichs Chemie, betonten in ihrer Begrüßung die Freude darüber, dass diese Auszeichnung 2013 zum ersten Mal verliehen werde. In seiner Laudatio hob Professor Dr. Gernot Frenking, Hans-Hellmann-Forschungsprofessor am Marburger Fachbereich Chemie, das breite Spektrum von grundlegenden Arbeiten Ruedenbergs auf dem Gebiet der Quantenchemie hervor, die von einem großen Verständnis der Verknüpfung von klassischen chemischen Fragestellung mit ihrer elementaren mathematischen Behandlung zeugen. In den Jahren zwischen 1955 - 1970 wurden von ihm Pionierarbeiten in der noch sehr jungen Disziplin der quantentheoretischen Behandlung der chemischen Bindung publiziert, die zu den Grundlagen der theoretischen Chemie zählen. „Das wissenschaftliche Werk von Klaus Ruedenberg gehört zu den fundamentalen Beiträgen in der Quantenchemie“, schloss Frenking.
Professor Dr. Ulrich Koert, Vizepräsident für Forschung, Transfer und wissenschaftlichen Nachwuchs, überreichte dem Geehrten die Urkunde. Anschließend trug Ruedenberg zum Thema “Three Millennia of Atoms, Molecules and Bonds – the Growth of Scientific Insights in the Atomistic Structure of Matter from Democritus to Quantum Chemistry” vor.
Weitere Informationen:
Die Hans-Hellmann-Lecture wird 2013 erstmals im Rahmen der Hans-Hellmann-Seniorprofessur an einen hochrangigen Vertreter des Fachs Chemie verliehen. Ihr Namensgeber Hans Gustav Adolf Hellmann (1903-1938) gilt als Begründer der Theoretischen Chemie als eine Schlüsselfigur in der Entwicklung der Quantenchemie. Sein 1937 erschienenes Lehrbuch über Quantenchemie war das erste seiner Art. Hans Hellmann wurde vier Jahre nach seiner Emigration nach Russland im Jahr 1938 in der Zeit des „großen Terrors“ hingerichtet. Eine eigene Schule der Theoretischen Chemie zu begründen, war ihm daher nicht möglich
Klaus Ruedenberg, geboren 1920 in Bielefeld, emigrierte als Jude während des Nationalsozialismus in die Schweiz. Während des Chemiestudiums in Fribourg entwickelte sich ein großes Interesse an der mathematischen Behandlung von interatomaren Wechselwirkung, so dass Klaus Ruedenberg für seine Promotion einen Wechsel in die theoretische Physik vornahm. Er wurde 1945 von Gregor Wentzel an der Universität Zürich als Doktorand angenommen und besuchte Vorlesungen und Seminare u. a. von Wolfgang Pauli, Erwin Schrödinger und Werner Heisenberg. 1948 folgte er seinem Doktorvater an die University of Chicago, wo dieser eine Professur für Theoretische Physik übernahm. Dort hörte er Vorlesungen u. a. von Enrico Fermi, Edward Teller und Maria Goeppert-Mayer. Seine Promotion mit dem Titel „Zur Theorie der starken Kopplung zwischen Nucleonen und pseudovektoriellen Mesonen“ hat Klaus Ruedenberg 1951 formal an der Universität Zürich abgeschlossen.
Das wissenschaftliche Interesse von Klaus Ruedenberg galt der Verbindung von Chemie und Quantentheorie, was zu dieser Zeit eine höchst exotische wissenschaftliche Disziplin war, die noch in den Anfängen steckte. Es war ein Glücksfall, dass an der University of Chicago Robert S. Mulliken arbeitete, einer der Pioniere der Quantenchemie. Von 1951 bis 1955 war Klaus Ruedenberg als Postdoktorand bei Mulliken und arbeitete an elementaren mathematischen Problemen der Berechnung von Integralen. Es gelang ihm, die sechsdimensionalen Austauschintegrale auf eine eindimensionale Quadratur von Ladungsfunktionen zu reduzieren. Mit diesem Ansatz war es 1955 möglich, mit Hilfe eines elektrischen Tischcomputers die erste Ab-Initio-Berechnung für ein größeres Molekül als H 2 durchzuführen. Dabei handelte es sich um eine SCF-Rechnung des N 2 mit minimalem Basissatz.
1955 begann Klaus Ruedenberg seine unabhängige akademische Karriere an der Iowa State University, wo er mit Ausnahme einer kurzen Unterbrechung an der Johns Hopkins University (1962 - 1964) bis heute als Professor für Chemie und Physik und seit 1978 als Distinguished Professor für Geistes- und Naturwissenschaften tätig ist. Die wissenschaftlichen Leistungen von Klaus Ruedenberg umfassen ein breites Spektrum von grundlegenden Arbeiten auf dem Gebiet der Quantenchemie, die von einem großen Verständnis der Verknüpfung von klassischen chemischen Fragestellungen mit ihrer elementaren mathematischen Behandlung zeugen. So geht die Transformation der delokalisierten Molekülorbitale zu lokalisierten Orbitale, die dem gängigen Bild der Lewis-Strukturen der chemischen Bindung entsprechen, auf seine Pionierarbeiten mit Clyde Edmiston zurück. Das inzwischen akzeptierte physikalische Verständnis der kovalenten Bindung als ein Effekt der kinetischen und nicht der potentiellen Energie der Bindungselektronen und die Auflösung des paradoxen scheinbaren Widerspruchs zum Virialtheorem verdanken wir der ersten Energiedekompositionsanalyse, die von Klaus Ruedenberg entwickelt wurde. Sein lebenslanges Interesse galt dem Verständnis der Natur der chemischen Bindung auf der Grundlage von quantentheoretischen Postulaten sowie der Veränderung der elektronischen Struktur bei einer chemischen Reaktion. Weitere grundlegende Arbeiten, die Eingang in gängige Programme der Quantenchemie wie MOLPRO und GAMESS gefunden haben, erfolgten auf dem Gebiet der Methodenentwicklung für die Erfassung der Korrelationsenergie und der Berechnung von Reaktionskoordinaten. Klaus Ruedenberg ist wissenschaftlich noch immer sehr aktiv und publiziert bis auf den heutigen Tag quantenchemische Arbeiten zum Verständnis der chemischen Bindung.
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Professor Dr. Gernot Frenking
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