08.02.2013
Neuer LOEWE-Schwerpunkt für Integrative Pilzforschung mit Marburger Beteiligung
Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann übergab Förderbescheide in Frankfurt
Die Philipps-Universität Marburg ist an einem neuen LOEWE-Schwerpunkt für „Integrative Pilzforschung“ beteiligt. Staatsministerin Eva Kühne-Hörmann (Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst) übergab am 6. Februar in Frankfurt die Förderbescheide für dieses und drei weitere Projekte mit einem Gesamtvolumen von knapp 19 Millionen Euro.
Pilze sind neben den Bakterien die am weitesten verbreitete Lebensform auf der Erde. Als Hefe- oder Edelpilze spielen sie eine wichtige Rolle in der Herstellung von Lebensmitteln und Medikamenten, die Medizin braucht sie zum Beispiel für die Herstellung von Penicillin. Die Industrie setzt auf Pilze unter anderem bei Oberflächenbeschichtungen oder Kunststoffbausteinen. Pilze sind artenreicher als Pflanzen, Fische und Säugetiere zusammen, doch nur ein Bruchteil der Pilzarten ist bislang überhaupt bekannt.
Die Marburger Biologen Professor Dr. Gerhard Kost und Professor Dr. Michael Bölker arbeiten im LOEWE-Schwerpunkt „Integrative Pilzforschung“ (IPF) mit, um das Wissen über die Pilzvielfalt zu erweitern und neue Nutzungsmöglichkeiten und Herstellungsverfahren zu erforschen. Die Förderung für das Projekt beträgt 4,3 Millionen Euro bis zum Jahr 2016. Beteiligte Partner sind die Goethe-Universität Frankfurt (Federführung), die Justus-Liebig-Universität Gießen, die Philipps-Universität Marburg, die Universität Kassel und die Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt.
Der Marburger Biologe Prof. Dr. Gerhard Kost widmet sich der Erforschung der Biodiversität von Pilzen in Hessen und Yunnan (SW-China) zur Ermittlung ihres biotechnologisch nutzbaren Potenzials. In heimischen und tropischen Waldökosystemen gewährleisten Pilze einerseits das Recycling und den Abbau sehr unterschiedlicher Abfallstoffe und andererseits die Nährstoffversorgung durch den Nährstofftransfer von Mineralstoffen aus dem Boden und Humus in die Wurzelzellen ihrer Wirtspflanzen (Mykorrhizasymbiose-Pilze).
Die Region Yunnan im Südwesten Chinas wurde als ein Biodiversitäts-Hotspot von globaler Bedeutung für viele Organismengruppen erkannt. Dort wurde bislang nur ein kleiner Bruchteil der Artenvielfalt der Pilze beschrieben. Im dichtbesiedelten Europa ist ein hoher Biodiversitätgrad von Pilzen lediglich noch in naturnahen Gebieten wie zum Beispiel dem Untersuchungsgebiet Nationalpark Kellerwald-Edersee zu erwarten.
Erstes Ziel dieses Projektes ist es, die Diversität der Großpilze und zusätzlich mykoparasitischer Pilze in Hessen und in Yunnan zu analysieren und bislang unbekannte Pilzarten zu identifizieren und neu zu beschreiben. Mykoparasiten, also Pilzarten, die von anderen Pilzen leben und auf diesen Pilzen parasitieren, besitzen im Waldökosystem eine besondere Bedeutung . Sie stellen vermutlich ein außergewöhnlicheres Reservoir an bislang ungenutzten Pilzarten dar, die eine Anwendung im biologischen Pflanzenschutz zur Bekämpfung von Pilzkrankheiten an Pflanzen finden könnten. Durch Isolierung und Kultivierung der dort lebenden Pilze soll die Möglichkeit erschlossen werden, die spezifischen Fähigkeiten der verschiedenen Pilzarten zu erkennen und sie für eine biotechnologische Anwendung und kommerzielle Nutzung einsetzbar zu machen.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Gerhard Kost arbeitet eng mit den anderen Kooperationspartnern des IPF zusammen. Die Untersuchungen zur Pilzartendiversität in Yunnan werden in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Z.L. Yang (KIB - Kunming Institut of Botany, China) durchgeführt. Die wissenschaftlichen Studien werden unter strenger Berücksichtigung der Richtlinien der CBD (Convention on Biological Diversity) durchgeführt.
Die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Michael Bölker untersucht Pilze, die hochwirksame Biodetergenzien produzieren. Diese Stoffe dienen zur Anheftung der Organismen an hydrophobe Oberflächen, zur Erschließung wasserunlöslicher Nahrungsquellen und zur Abwehr konkurrierender Mikroorganismen. In dem geplanten Projekt sollen neuartige Biodetergenzien durch das Screening vieler bislang nicht untersuchter Pilzspezies identifiziert werden. Durch die Charakterisierung der beteiligten Gene sollen neuartige Biosynthesewege aufgeklärt werden und das Spektrum dieser Verbindungen deutlich erweitert werden. Die Identifizierung der beteiligten Gene erlaubt auch die Steigerung der Ausbeute durch metabolisches Engineering von Produktionsstämmen.
Innerhalb des Forschungsverbundes ist eine enge Zusammenarbeit mit Gruppen vorgesehen, die über ein breites Wissen der pilzlichen Biodiversität verfügen. Dadurch wird es möglich sein neuartige Produzenten und Substanzen zu isolieren, die auch auf antibiotische Eigenschaften untersucht werden sollen. Eine interessante Anwendung von Biodetergenzien produzierenden Pilzen liegt auch im Einsatz als Biocontrol-Organismen im biologischen Pflanzenschutz.
Weitere Informationen:
Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums für Wissenschaft und Kunst vom 6.2.2013
Internetseite
"Integrierte Pilzforschung" (IPF)
Weitere Informationen:
Professor Dr. Gerhard Kost
Fachbereich Biologie, Spezielle Botanik und Mykologie
E-Mail:
kost@biologie.uni-marburg.de
Professor Dr. Michael Bölker
Fachbereich Biologie, Genetik
E-Mail:
boelker@biologie.uni-marburg.de