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27.03.2013

Schluss mit dem Fasten

Internationale Forschergruppe analysierte Genom einer Rotalge

"La vie en rouge" - Click here for press release in english

Erst abnehmen, später kräftig zulegen: Die vielzellige Rotalge Irisch Moos zeichnet sich durch ein ungewöhnlich kompaktes Genom aus – das hat ein internationaler Forschungsverbund unter Marburger Beteiligung herausgefunden, der die Genomsequenz der Alge ermittelte. Die Schwestergruppe aller grünen Pflanzen hat im Laufe der Stammesgeschichte ihr Erbgut stark reduziert, vermuten die Wissenschaftler, deren Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins "Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA" (PNAS) nachzulesen sind.

Die Rotalge Irisch Moos unter Wasser (Foto: Kontos / Commons)

Wer in der Gezeitenzone einer Felsenküste unterwegs ist, begegnet zahlreichen Algenarten, deren Farbigkeit – im Gegensatz zum Grün von Gräsern, Kräutern oder Gehölzen – von Rot- und Brauntönen dominiert wird. "Trotz ihrer großen biologischen Bedeutung sind Rotalgen bislang genetisch kaum charakterisiert", erklärt der Zellbiologe Professor Dr. Stefan Rensing von der Philipps-Universität, Koautor der aktuellen Veröffentlichung. Die Gruppe der Rotalgen und die grünen Pflanzen sind Schwestergruppen, das heißt, sie gehen auf einen gemeinsamen Vorläufer zurück, der vor etwa anderthalb Milliarden Jahren lebte; damals trennten sich die evolutiven Wege der beiden Pflanzengruppen. Um mehr über die Naturgeschichte der Rotalgen zu erfahren als bisher, sequenzierte das Konsortium unter Führung der nordfranzösischen Forschungsstation Roscoff das Genom eines typischen Vertreters, nämlich des Knorpeltangs Chondrus crispus (Irisch Moos).

Das Ergebnis: Das Genom der Alge weist eine ungewöhnliche Struktur auf. Es enthält Regionen mit vielen Genen, die von Bereichen mit zahlreichen Wiederholungen und transponierbaren Elementen umgeben sind. Wie stark verdichtet das Genom ist, zeigt sich unter anderem daran, dass sehr wenige Introns enthalten sind – das sind Genbereiche, die keine Anweisungen für den Bau von Proteinen enthalten. Noch dazu sind die wenigen Introns vergleichsweise kurz. Die Forscher fanden auch keinerlei Hinweise darauf, dass umfangreiche Verdoppelungen des genetischen Materials vorliegen. Chondrus verfügt für viele Funktionen lediglich über eine Minimalausstattung an Genen.

Die Algen produzieren Zellulose mithilfe von Enzymen, für die es bei grünen Pflanzen keine Entsprechung gibt. Das zeigt den Autoren zufolge, dass die Biosynthese von Zellulose mehrmals unabhängig entstanden ist. So lässt sich erklären, dass sich bei verschiedenen Arten stark voneinander abweichende Enzyme finden, die ganz ähnliche Funktionen erfüllen.

Professor Dr. Stefan Rensing (Foto:privat)

Die Wissenschaftler präsentieren ein Szenario für die Evolution der Algen, dem zufolge deren Vorfahren extreme Lebensräume aufsuchten, die eine Reduktion des Genoms erzwangen. Als die Algen später, unter besseren Umweltbedingungen, die verloren gegangenen Funktionen ersetzten, entstanden Gene, die nirgendwo sonst vorkommen. „Seine einzigartigen genetischen Eigenschaften empfehlen Chondrus als neues Modell, an dem sich studieren lässt, wie sich Eukaryoten im Verlauf der Evolution verändert haben“, schließen die Autoren aus ihren Resultaten.

An der zugrunde liegenden Forschungsarbeit waren neben Stefan Rensings Arbeitsgruppe Wissenschaftler aus Frankreich und weiteren Ländern beteiligt, so aus Ägypten, Griechenland, Norwegen, Spanien und der Tschechischen Republik.

Originalveröffentlichung: Jonas Collén & al.: Genome structure and metabolic features in the red seaweed Chondrus crispus shed light on evolution of the Archaeplastida, PNAS 110 (13)/2013, 5247-5252, 10.1073/pnas.1221259110

Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Professor Dr. Stefan Rensing,
Fachgebiet Zellbiologie
E-Mail: stefan.rensing@biologie.uni-marburg.de
Internet: http://plantco.de