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23.05.2013

Von bakteriellen Kommunikationsmodulen, synthetischen Chromosomen und zellulären Adressen

Antrittsvorlesungen der vier neuen SYNMIKRO-Mitglieder

Am Mittwochnachmittag haben sich gleich vier Professoren und Nachwuchsgruppenleiter, die im Laufe des vergangenen Jahres nach Marburg gekommen waren, um  im Rahmen von SYNMIKRO zu forschen, mit ihren Antrittsvorlesungen in der Aula der Alten Universität der Öffentlichkeit vorgestellt. Dass es gelungen sei, diese herausragenden Wissenschaftler nach Marburg zu holen, sei eindeutig ein Ergebnis der großzügigen Förderung durch die LOEWE-Forschungsförderung des Landes Hessen, sagte Professor Dr. Bruno Eckhardt, geschäftsführender Direktor von SYNMIKRO, in seiner Begrüßung. Doch man sei noch nicht am Ende, fügte er gleich hinzu: Bis zum Jahresende sollten noch drei weitere Nachwuchswissenschaftler das SYNMIKRO-Team verstärken, und erst vor wenigen Tagen habe man Professor Dr. Victor Sourjik von der Universität Heidelberg als Direktor der vierten Abteilung am Max-Planck-Institut gewinnen können. „Bis zum Jahresende sollte SYNMIKRO damit vollständig sein“, so Eckhardt.

Die erste Antrittsvorlesung hielt dann Professorin Dr. Anke Becker. Sie sprach über sogenannte Rhizobien, Bodenbakterien, die den in der Luft vorkommenden elementaren Stickstoff zu Ammoniak umwandeln können und damit erst biologisch verfügbar machen. Leben die Rhizobien in Gemeinschaft mit Hülsenfrüchtlern, so versorgen sie diese sehr effizient mit dem für das Pflanzenwachstum notwendigen Stickstoff – sie düngen sie quasi -, und werden umgekehrt von ihren Wirtspflanzen mit Sauerstoff und anderen Nährstoffen versorgt. Die Rhizobien seien deshalb ein interessantes Modellsystem, so Becker. An ihnen könne man einerseits den Signalaustausch zwischen den Bakterien und die Kommunikation zwischen Bakterien und ihrer Wirtspflanze mit den Methoden der Synthetischen Biologie untersuchen, etwa, indem man die entsprechenden Elemente im Erbgut der Rhizobien verändere und dadurch etwas über deren Funktionweise lerne. Andererseits könne man aber auch von den Rhizobien für die Synthetische Mikrobiologie lernen - beziehungsweise leihen -, indem man ihre Kommunikationsmodule so anpasse, dass sie auch in anderem Kontext und in anderen Bakterien funktionierten und damit als Kommunikations-Bausteine universell einsetzbar seien.

Professor Dr. Torsten Waldminghaus beschäftigt sich in seiner Forschung mit Chromosomen, jenen Strukturen einer Zelle, in denen das Erbmaterial DNA in Eiweisse verpackt vorliegt und die bei jeder Zellteilung kopiert und an die zwei Tochterzellen vererbt, also verteilt werden müssen. Doch was genau mache eigentlich ein Chromosom aus, fragte Waldminghaus, welche Bestandteile sorgten für Erhalt und Funktion? Dieser Frage gehen er und sein Team wiederum mit Hilfe synthetischer Methoden nach, indem sie ein synthetisches Chromosom erstellen und ausprobieren, mit welchen Bestandteilen es „funktioniert“. Waldminghaus verglich diese Herangehensweise mit einem Gedichtband, der für das Funktionieren einer Liebesbeziehung nötig sei. Welche Elemente die entscheidenden seien, könne man testen, indem man einzelne Seiten streiche; ob man es wirklich verstanden habe, zeige sich aber erst, wenn man selbst ein Gedicht schreibe und auch das die Liebesbeziehung gedeihen lasse.

Professor Dr. Peter Graumann und seine Mitarbeiter befassen sich unter anderem mit der Frage, wie die Zellen des Modell-Bakteriums Bacillus subtilis ihre sogenannte Stäbchen-Form erhalten, eine zylindrische Form mit einem konstanten Durchmesser und zwei definierten Enden, den Polen. Dies geschehe durch fadenförmige Strukturen eines Proteins, die seine Gruppe mit höchster Auflösung visualisiert habe, erklärte Graumann. Diese Strukturen bewegen sich im Minutentakt unterhalb der Zellmembran und scheinen Proteine, die die Zellwand der Zellen aufbauen, in der Membran in eine 3D-Struktur zu bringen. Ein weiteres Thema, mit dem sich Graumanns Arbeitsgruppe beschäftigt, ist das der sogenannten natürlichen Kompetenz: Bacillus subtilis nimmt gezielt Erbmaterial aus seiner Umgebung auf und baut dieses in sein eigenes Erbgut ein. Man wolle herausfinden, warum sich der Proteinkomplex, der wie ein Mund die DNA aus der Umgebung aufnehme, nur an einem Zellpol zusammensetze, und wie die aufgenommene DNA von dort zum bakteriellen Chromosom transportiert werde, so Graumann. All das seien grundlegende Mechanismen einer Zelle, die man verstehen wolle, und deren Prinzipien interessant für synthetisch-biologische Ansätze sein könnten.

Dr. Gert Bange sprach in seiner Antrittsvorlesung über die Lokalisierung der bakteriellen Fortbewegungsorgane, der sogenannten Flagellen. Diese würden nicht zufällig irgendwo auf der Zelloberfläche eingebaut, erklärte Bange, sondern je nach Bakterienspezies unterschiedlich angeordnet. So gebe es Bakterien mit einem oder mehreren Flagellen an einem oder beiden Polen, Bakterien mit Flagellen an den Seiten und Bakterien, deren Flagellen gleichmäßig über die Zelle verteilt seien. Bei all diesen Bakterien dirigiert die gleiche Art zellulärer Schalter die Flagellenbausteine an die jeweilige Adresse, und diese verschiedenen Schalter haben sich alle im Laufe der Evolution aus jenem Schalter entwickelt, der die bakterielle Zellteilungsebene bestimmt. Bange und sein Team gehen nun der Frage nach, in welcher Hinsicht die verschiedenen atomaren Veränderungen in diesem Schalter seine Funktion – und damit die Adresse – verändert haben. „Wenn wir das verstehen, können wir auch synthetische Adress-Schalter bauen“, so Bange.

Im Anschluss an die Vorlesungen bekamen die vier „Neuberufenen“ von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch ein Geschenk überreicht – eine Torte, auf der alle vier „in einem Boot“ abgebildet waren.

Weitere Informationen: http://www.synmikro.com

Kontakt

Vera Bettenworth
Philipps-Universität Marburg
SYNMIKRO - LOEWE-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie Öffentlichkeitsarbeit Hans-Meerwein-Straße, Mehrzweckgebäude Ebene 06, Kern C, Raum Nr. 13

Tel.: (0)6421 28-2258