24.07.2013
Handlungsmacht entscheidet, wie Sprache verstanden wird
Neurolinguisten messen Hirnreaktionen auf Äußerungen Prominenter
Die Position eines Sprechers im Machtgefüge einer Gesellschaft entscheidet, wie seine Äußerungen von Zuhörern wahrgenommen werden. Dies ist das Ergebnis einer Studie, die die Marburger Neurolinguistin Professorin Dr. Ina Bornkessel-Schlesewsky zusammen mit dem Mainzer Sprachwissenschaftler Professor Dr. Matthias Schlesewsky sowie Sylvia Krauspenhaar am 24. Juli 2013 im frei zugänglichen Wissenschaftsjournal PLOS ONE publiziert hat.
Beispielsweise gehen Zuhörer davon aus, dass Politiker wie der ehemalige US-Präsident Ronald Reagan eher in der Lage sind, seinem historischen Aufruf “Tear down this wall!“ Taten folgen zu lassen als einfache Bürger. Für die Studie führte das Wissenschaftlerteam den Probanden Videoaufnahmen mit plausiblen und nicht plausiblen Äußerungen eines politisch einflussreichen Entscheidungsträgers, eines bekannten Nachrichtensprechers und einer unbekannten Person vor. Die Sprecherrollen waren mit dem damaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück und Nachrichtensprecher Ulrich Wickert prominent besetzt. Die Reaktionen des Gehirns auf nicht plausible Aussagen zu aktuellen Ereignissen (z.B. „Die Bundesregierung verkündet den Austritt aus dem NATO-Verbund.“) fielen je nach Sprecher verschieden aus: Politiker erzeugten andere Reaktionswerte als die restlichen Sprecher. Unwahrscheinliche Aussagen zu allgemein bekannten Themen (z.B. „Fidel Castro ist ein Popsänger.“) führten hingegen bei allen drei Sprechern zu ähnlichen Hirnreaktionen.
Die Effekte treten sehr schnell auf, nämlich innerhalb von 150-450 Millisekunden, nachdem der Proband die Äußerung gehört hat. „Dies weist darauf hin, dass der soziale Status des Sprechers direkt die Reaktion beeinflusst”, erklärt Bornkessel-Schlesewsky. „Dabei ist es wichtig, ob der Hörer davon ausgeht, dass der Sprecher tatsächlich die Macht hat, das Gesagte in die Tat umzusetzen. Politischen Entscheidungsträgern wird deutlich mehr zugetraut als einfachen Bürgern oder anderen prominenten Persönlichkeiten.“ Bisher sei man nur davon ausgegangen, dass zu den zahlreichen Faktoren, die Hirnreaktionen auf sprachliche Äußerungen hervorrufen, beispielsweise das Allgemeinwissen des Zuhörers oder auch seine momentane Gemütsverfassung gehören.
Weitere Informationen:
Ina Bornkessel-Schlesewsky, Sylvia Krauspenhaar, Matthias Schlesewsky: „Yes, you can? A speaker’s potency to act upon his words orchestrates early neural responses to message-level meaning”. In: PLos ONE, 24.7.2013
Link zur Originalpublikation: http://dx.plos.org/10.1371/journal.pone.0069173
Kontakt
Professorin Dr. Ina Bornkessel-Schlesewsky
LOEWE-Schwerpunkt „Fundierung linguistischer Basiskategorien“
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