20.01.2014
Was Elektronen zum Zittern bringt
Bewegungen in Halbleitern erzeugen Strahlung mit Rekordbandbreite.
Moderne Hochgeschwindigkeitselektronik basiert auf winzigen Halbleiter-Strukturen, in denen Elektronen mit Hilfe von elektrischen Feldern auf immer höhere Geschwindigkeiten beschleunigt werden. Bald schon dürften Feldstärken erreicht werden, die zu einer neuen Klasse von Quantenphänomenen führen. Physiker der Universitäten Marburg, Regensburg und Paderborn haben nun nachgewiesen, dass sich Elektronen unter diesen Bedingungen nicht mehr monoton in eine Richtung bewegen, sondern extrem schnelle Oszillationen ausführen, die Licht über einen superbreiten Spektralbereich ausstrahlen. Die Ergebnisse sind in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Photonics“ nachzulesen.
Vor 85 Jahren beschrieb Felix Bloch, einer der Väter der modernen Festkörperphysik, die Bewegungen von Elektronen in einem Festkörper mit quantenmechanischen Wellen. Die Bewegungen sind dabei mit den Bewegungen von Wellen auf dem Wasser vergleichbar: Treffen sie auf ein Hindernis, etwa einen Stein, dann werden sie gestreut und auf der Wasseroberfläche bildet sich ein Muster kleiner Wellen aus. In einem Festkörper führt die enorme Anzahl periodisch angeordneter Atome zu einem hochkomplexen Streumuster der Elektronen und zu einer überraschenden Vorhersage: In einem starken elektrischen Feld sollten sich Elektronen demnach nicht – wie intuitiv erwartet – gleichförmig in eine Richtung bewegen, sondern beginnen zu oszillieren. Dieses merkwürdige Verhalten konnte aber bislang nur in künstlichen Modellsystemen beobachtet werden, weil die Wellennatur der Elektronen durch ihre Wechselwirkung untereinander sowie mit dem Atomgitter eines natürlichen Festkörpers schnell verwischt.
Die Arbeitsgruppen der Professoren Dr. Stephan W. Koch und Dr. Mackillo Kira von der Universität Marburg entwickelten nun gemeinsam mit Professor Dr. Torsten Meier von der Universität Paderborn ein quantenmechanisches Modell, das die komplexen Vorgänge im Halbleiter nachbildet und empirische Daten eindeutig als dynamische Bloch-Oszillationen identifiziert. Die Theoretischen Physiker stützen sich auf Ergebnisse, die ein Team um Professor Dr. Rupert Huber von der Universität Regensburg in einem bahnbrechenden Experiment generiert hat. Den Regensburger Forschern gelang es, elektrische Felder in der Größenordnung von 10 Milliarden Volt pro Meter mit einer Präzision von billiardstel Sekunden an Halbleiter anzulegen und die Oszillation der Elektronen zu beobachten, bevor sie verwischt. Mit einer extrem schnellen Zeitlupenkamera konnten die Wissenschaftler zudem zeigen, dass die oszillierenden Elektronen elektromagnetische Strahlung vom Mikrowellen- bis zum Ultraviolett-Bereich ausstrahlen.
Die Ergebnisse vermitteln einen spektakulären Einblick in eine Quantenwelt, die für künftige Generationen von Halbleiterbauelementen entscheidend werden dürfte. Was vielleicht noch wichtiger ist: Sie zeigen, dass sich elektrische Ströme auf Zeitskalen einzelner Lichtschwingungen kontrollieren lassen. Die Elektronik der Zukunft könnte also auch bei optischen Taktraten funktionieren. Nicht zuletzt emittieren Bloch-Oszillationen ultrakurze Lichtblitze im infraroten Spektralbereich in einer Rekordbandbreite. Diese Lichtquelle dürfte demnach ein wertvolles Forschungsinstrument für die Ultrakurzzeitphysik werden. (Pressetext: Uni Regensburg)
Originalveröffentlichung:
O. Schubert & al.:
„Sub-cycle Control of Terahertz High-Harmonic Generation by Dynamical
Bloch Oscillations“, Nature Photonics 2014, DOI:
10.1038/nphoton.2013.349
Die Publikation im Internet:
http://dx.doi.org/10.1038/nphoton.2013.349
Weitere Informationen:
Ansprechpartner: Ulrich Huttner,
Arbeitsgruppe Theoretische Halbleiterphysik
Tel: 06421 28-24335
E-Mail:
ulrich.huttner@physik.uni-marburg.de