26.11.2014
Land- und Forstwirtschaft schützen den Regenwald
Studie untersucht Landnutzungs-Konzepte in tropischen Bergwäldern
Gemeinsame Pressemitteilung der Philipps-Universität Marburg und der Justus-Liebig-Universität Gießen
Wie lässt sich die Abholzung von tropischen Regenwäldern eindämmen? Ein Ansatz ist, brach liegendes Kulturland wieder zu bewirtschaften, wie ein internationales Forschungsteam mit Beteiligung der Forschungsallianz Gießen-Marburg in Nature Communications zeigt. Die Geographen Prof. Dr. Jörg Bendix von der Philipps-Universität und Prof. Dr. Lutz Breuer von der Justus-Liebig-Universität sowie weitere nationale und internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler untersuchten Bergregionen in Ecuador: Dort war neben der Aufforstung die intensive Graslandnutzung besonders erfolgreich. Beide Konzepte haben nicht nur eine günstige Ökobilanz, sondern auch klare wirtschaftliche Vorteile.
Jährlich verschwinden 130.000 Quadratkilometer Regenwald von der Erde - das entspricht der Fläche Griechenlands. Die gerodeten Gebiete werden größtenteils landwirtschaftlich genutzt. Dies gilt auch für die Regenwälder in Gebirgsregionen. Allerdings wird das Land schnell wieder mit Unkraut, insbesondere Adlerfarn, überwuchert. Adlerfarn lässt sich weder mit Unkrautvernichtungsmitteln noch durch Abbrennen dauerhaft entfernen. Die Farmer geben das Land daher häufig nach wenigen Jahren wieder auf - um neue Flächen kahl zu schlagen. Das Projektteam zielt darauf, diesen Kreislauf zu durchbrechen und hat daher untersucht, unter welchen Voraussetzungen sich aufgegebene Viehweiden rekultivieren lassen.
Die verschiedenen Konzepte wurden nicht nur nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen bewertet - erstmals flossen auch ökologische und soziokulturelle Kriterien ein. Dazu zählten zum Beispiel die Bindung von Kohlen- und Stickstoff in der Pflanze und im Boden, die Biomasse-Produktion, die Bodenqualität, die Klimawirksamkeit und der Wasserhaushalt sowie die Akzeptanz durch die Landwirte.
Das Untersuchungsgebiet (circa 150 Hektar) befindet sich in den ecuadorianischen Anden auf einer Höhe von 1.800 bis 2.100 Metern. Die Forscherinnen und Forscher untersuchten fünf verschiedene Konzepte:
• keine Bewirtschaftung - aufgegebene Weideflächen bleiben sich selbst überlassen,
• forstwirtschaftliche Nutzung - Bepflanzung mit einer einheimischen Erlenart,
• forstwirtschaftliche Nutzung - Bepflanzung mit einer eingeführten Kiefernart,
• extensive Weidenutzung - mechanische Unkrautbekämpfung, dann Nutzung nach anfänglicher Düngung,
• intensive Weidenutzung - chemische Unkrautbekämpfung, dann Nutzung mit regelmäßiger Düngung.
Als besonders nachhaltig erwies sich die Aufforstung mit Erlen und Kiefern. Langfristig schützen bewaldete Regionen auch am besten vor Erosion. "Außerdem hat unsere Studie gezeigt, dass die Aufforstung mit der einheimischen Andenerle die Klima- und Wasserregulation deutlich günstiger beeinflusst als die anderen Nutzungsoptionen", erklärt Projektsprecher Prof. Jörg Bendix von der Universität Marburg. „Allerdings ist die Bewertung der Wasserregulation in zweifacher Hinsicht zu bewerten“, führen Prof. Dr. Lutz Breuer und Dr. David Windhorst von der Universität Gießen aus. „Ein hoher Abfluss ist positiv für die in Ecuador verbreitete Wasserkraftnutzung, kann aber auch den Verlust von dringend benötigten Pflanzennährstoffen auf den Weiden durch Auswaschung bedeuten“.
In den aufgeforsteten Regionen können sich zudem nach und nach wieder typische Pflanzen und Tiere des Regenwalds ansiedeln. Intensiv genutzte Viehweiden erzielten einen deutlich besseren ökologischen Wert als die extensive Weidenutzung. Der wirtschaftliche Nutzen ergibt sich durch den Verkauf von Holz (Aufforstung) oder von Fleisch und Milch (Viehweiden). Dabei erzielten Erlenplantagen die größten Erträge.
Wegen der besseren Ökobilanz von Wäldern und den langfristig besseren Verdienstmöglichkeiten sehen auch die meisten Viehhalter die Aufforstung als bevorzugte Nutzungsoption - so das Ergebnis einer Befragung. "Um den Erfolg von Rekultivierungskonzepten zu sichern, sollten immer auch die Landnutzer einbezogen werden", erläutert Bendix.
Die nachhaltigen Nutzungsansätze sind mit Kosten verbunden. Über 20 Jahre gerechnet haben die Farmer bei Verzicht auf Brandrodung jedes Jahr geringere Einnahmen: 87 US-Dollar pro Hektar bei der Aufforstung und 100 US-Dollar pro Hektar bei intensiver Weidenutzung. Nach Ansicht der Wissenschaftler sind Ausgleichszahlungen für die Rekultivierung ein wichtiger Anreiz, um frühere Weideflächen neu zu bepflanzen. Langfristig könnte hier der Handel mit CO 2 -Zertifikaten eine zusätzliche Einnahmequelle bieten.
Die Forscher sehen ihre Studie auch als Modell für die Bewertung von Rekultivierungskonzepten in anderen tropischen Bergwäldern, zum Beispiel in Brasilien oder Afrika. "Aufgegebene landwirtschaftliche Flächen bilden eine riesige, bislang ungenutzte Ressource“, resümiert Thomas Knoke von der Technischen Universität München, Erstautor der Studie. "Derzeit laufen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützte Projekte, um die Ergebnisse der Studie zusammen mit Landwirten in Ecuador umzusetzen", ergänzt Prof. Erwin Beck von der Universität Bayreuth, der vor 17 Jahren die Forschung dort initiiert hat.
Der Projektanteil der Forschungsallianz Gießen-Marburg umfasst insbesondere die Aspekte Klima (Marburg) und Hydrologie (Gießen) und fußt auf einer langjährige Zusammenarbeit beider Universitäten in Ecuador. „Wir mussten die Regulation der Klima- und Wasserflüsse über einen Zeitraum von 20 Jahren simulieren, um vor allem auch die Forstoptionen, die ja langfristig zu betrachten sind, abbilden zu können“, erklärt Bendix. Dazu entwickelte die Marburger Arbeitsgruppe ein sogenanntes SVAT (Soil-Vegetation-Atmosphere Transfer) - Vegetationswachstums-Modell. Mit dessen Hilfe wurden die Klimaflüsse wie Verdunstung und Turbulenzproduktion in Anbetracht der Nutzungsoptionen Aufforstung, Weidwirtschaft und Brache mit Adlerfarn berechnet. Das Modell wurde mit den Klimamessungen vor Ort angetrieben und durch ebenfalls durchgeführte Messungen, zum Beispiel zu Photosyntheseparameter der beteiligten Pflanzen, für das Gebiet parametrisiert.
Um zusätzlich den Abfluss berechnen zu können, wurde dieses Modell über ein Pyhthon Interface mit in dem in der Gießener Arbeitsgruppe entwickelten Catchment Modelling Framework (CMF) gekoppelt. So entstanden mit Hilfe des gekoppelten Modells aus Marburg und Gießen die Ergebnisse zur Bewertung der Klima- und Wasserregulation der verschiedenen Landnutzungsoptionen.
An der Studie unter Münchner Federführung beteiligten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler folgender Institutionen: Technische Universität München; Universität Bayreuth; Philipps-Universität Marburg; Friedrich-Alexander-Universität Erlangen/Nürnberg; Technische Universität Dresden; Justus Liebig-Universität Gießen; National University of Loja, Ecuador; Universidad Técnica Particular de Loja, Ecuador; FLACSO, Quito, Ecuador; CATIE, Turrialba, Costa Rica. Die Studie wurde von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert (Forschergruppen 402 und 816).
(Text: Barbara Wankerl/Susanne Langer)
Weitere Informationen : http://www.tropicalmountainforest.org
Originalpublikation
Afforestation or intense pasturing improve the ecological and economic value of abandoned tropical farmlands; Thomas Knoke, Jörg Bendix, Perdita Pohle, Ute Hamer, Patrick Hildebrandt, Kristin Roos, Andrés Gerique, María L. Sandoval, Lutz Breuer, Alexander Tischer, Brenner Silva, Baltazar Calvas, Nikolay Aguirre, Luz M. Castro, David Windhorst, Michael Weber, Bernd Stimm, Sven Günter, Ximena Palomeque, Julio Mora, Reinhard Mosandl & Erwin Beck, Nature Communications, DOI: 10.1038/ncomms6612.
Englische (Teil-)version der Pressemitteilung : http://www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2014d/forest
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