12.05.2014
Mit synthetischen Stoffwechselwegen zu Biotreibstoffen
Das vierte SYNMIKRO-Symposium füllt die Alte Aula
Am vergangenen Mittwoch hat in der Alten Aula der Universität Marburg das SYNMIKRO-Symposium „Microbial Formation of Biofuels and Platform Chemicals“ stattgefunden. Schon in den letzten drei Jahren war die Veranstaltung jeweils gut besucht gewesen, dieses Mal war sie sogar Wochen im Voraus ausgebucht. Die Teilnehmer kamen aus ganz Deutschland und sowohl aus der akademischen Grundlagenforschung als auch aus der Industrie. Mit diesem Format wolle man nicht nur Gelegenheit für wissenschaftlichen Austausch bieten, sondern auch für das Knüpfen und Pflegen von Kontakten, erklärte Prof. Erhard Bremer, der das Symposium gemeinsam mit Prof. Rolf Thauer organisiert hatte. Sein besonderer Dank gehe deshalb auch an den Mitorganisator der Tagung, die Hessen Trade & Invest GmbH, der dieses Konzept nun bereits zum vierten Mal unterstützt habe.
Den wissenschaftlichen Teil des Symposiums eröffnete Rolf Thauer, Direktor am Max-Planck-Institut für terrestrische Mikrobiologie und Mitautor einer 2012 publizierten Studie der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zum Thema Bioenergie, mit einem Vortrag über die Verfügbarkeit und Verwendbarkeit von Biomasse. Derzeit würden rund vierzig Prozent der Netto-Primärproduktion an Biomasse vom Menschen genutzt, als Nahrung, Futter oder eben auch als Energiequelle, sagte Thauer. Dieser Anteil könne jedoch höchstens auf 50 Prozent gesteigert werden. Oberhalb dieser Grenze rechne man mit nicht-linearen, sprunghaften Umweltveränderungen wie einer Übersäuerung der Ozeane, Störungen der CO 2 -Konzentration der Atmosphäre oder der Ozon-Konzentration in der Stratosphäre. Dies wiederum bedeute, dass höchstens 10 Prozent der weltweiten Netto-Primärproduktion als Energiequelle genutzt werden könnten, so Thauer weiter. Das reiche jedoch bei weitem nicht aus, um den Bedarf zu decken. „Die Energie der Zukunft muss also ein Mix aus Wasser-, Wind-, Sonnen- und Bioenergie sein.“ Biomasse biete sich dabei vor allem als Ausgangsstoff für Flugzeug- und Dieseltreibstoffe an, da diese nicht so leicht aus anderen alternativen Energiequellen hergestellt werden könnten.
Die Produktion solcher „Biofuels“ durch Bakterien war denn auch das Thema des nächsten Sprechers, Prof. Jay Keasling von der University of California in Berkeley, der mit der Herstellung einer direkten Vorstufe des Malariamedikaments Artemisinin mittels eines synthetischen Stoffwechselwegs in Bakterien- und Hefezellen über die Fachwelt hinaus berühmt geworden ist. Keaslings Team hat dem Modellbakterium Escherichia coli zunächst mit Hilfe entsprechender Gene aus Pflanzen wie der Küstentanne Abies grandis , aber auch aus anderen Bakterienspezies beigebracht, aus Fettsäuren oder Isoprenoiden eine Reihe verschiedener Biotreibstoffe zu produzieren und in ihr Wachstumsmedium abzugeben. Letzteres erleichtere die Reinigung der Treibstoffe ungemein, meinte Keasling..
Damit diese dann allerdings auf dem Markt mit den konventionellen Treibstoffen konkurrieren können, muss die Ausbeute der synthetischen Stoffwechselwege noch deutlich verbessert werden. Dieses „metabolic engineering“ geschieht auf allen Ebenen: So kann die Ablese-Rate der Gene über verschiedene sogenannte Promotoren gesteigert werden – Keaslings Arbeitsgruppe hat beispielsweise Promotoren identifiziert, die über ein toxisches Zwischenprodukt der Biotreibstoff-Synthese angedreht werden, und hat diese als synthetischen Feedback-Mechanismus in den entsprechenden Stoffwechselweg eingebaut, wodurch sich die Produktionsrate der gewünschten Biotreibstoffe immerhin verdoppelte. Weitere Tricks des „metabolic engineering“ sind das Einbringen stärkerer Ribosomenbindestellen, die die Proteinsynthesemaschinerie aktiver rekrutieren und so dafür sorgen, dass größere Stückzahlen der Enzyme des synthetischen Stoffwechselwegs hergestellt werden, und das Herstellen räumlicher Nähe zwischen diesen Enzymen. Letzteres erreicht man je nach Zahl der Enzyme entweder, in dem diese schlicht zu einem einzigen Protein fusioniert und damit „in Reihe“ schaltet, oder aber über ein Gerüst, an dem die verschiedenen Enzyme verankert werden. Beide Varianten verhindern zum einen, dass Zwischenprodukte des synthetischen Stoffwechsels von der Zelle für andere Zwecke abgezweigt werden, und sorgen zum anderen dafür, dass toxische Zwischenprodukte sich nicht anhäufen.
Thema des Symposiums waren aber nicht nur synthetische Stoffwechselwege und Produktionsorganismen, sondern auch das Erschließen neuer Ausgangsstoffe, denn Zucker als Kohlenstoffquelle für diese Produktionsorganismen – und damit als Bioenergiequelle – sind wegen ihrer Überschneidung mit dem Nahrungsmittelsektor durchaus umstritten, und darüber hinaus auch noch teuer. Mögliche Alternativen wären Abfallprodukte: Zum einen Cellulose, die gut 60 Prozent der Netto-Primärproduktion an Biomasse ausmacht und zwar ebenfalls aus Zuckern besteht, die aber bedingt durch die Art der chemischen Verknüpfung nur schwer zugänglich sind. Prof. Ferdi Schüth, Direktor am Max-Planck-Institut für Kohlenforschung in Mühlheim und Vize-Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG), hat hier gemeinsam mit Kollegen einen Weg entwickelt, um diese Zucker zugänglich zu machen: die mechano-katalytische Konversion, bei der die Cellulosequellen – etwa Schnipsel aus Buchen- oder Kieferholz, aber zum Beispiel auch Stroh – erst mit Schwefelsäure oder einer anderen starken Säure imprägniert und anschließend in einer Kugelmühle mechanisch zerkleinert werden. Nach zwei Stunden sei alle Cellulose zu Zuckern abgebaut und in Wasser lösbar, und stehe damit als Nahrungsquelle für maßgeschneiderte Mikroorganismen zur Verfügung, erklärte Schüth. Andere alternative Kohlenstoffquellen für mikrobielle Zellfabriken wären Abgase wie Kohlenmonoxid und Kohlendioxid oder aber Syngas, eine Mischung aus Kohlenmonoxid und Wasserstoff, das z.B. bei der Stahlherstellung in großen Mengen anfällt. Das sei nicht nur umweltfreundlich, sondern man gewinne auch eine gewisse geographische Freiheit, meinte Thomas Haas von Evonik Industries in Marl. Schließlich fänden sich industrielle Abgase überall auf der Welt in ausreichenden Mengen, und damit könne man immer „nah am Kunden“ produzieren.
Weitere Informationen: http://www.synmikro.com/de/
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Vera Bettenworth
LOEWE-Zentrum für Synthetische Mikrobiologie
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