07.05.2014
Die erste Sternwarte Südamerikas
Marburger Astronom initiiert im 19. Jahrhundert eine US Expedition nach Chile
Es war die Idee von Christian Ludwig Gerling, Professor für
Mathematik, Astronomie und Physik von 1817 bis 1864 in Marburg:
„anstelle auf das sehr seltene Ereignis eines Venustransits zu warten,
solle der Geschwisterplanet Venus
in der Nähe der Umkehrpunkte
seiner Bahnschleife
von zwei weit auseinander liegenden Orten aus
vermessen werden.“ Das Ziel war kein Geringeres als die Bestimmung der
Größe unseres Sonnensystems!
In der jungen nordamerikanischen Wissenschaft fand dieser
Vorschlag eine euphorische Zustimmung. Die beiden entfernten
Beobachtungsorte sollten das gerade gegründete Observatorium in
Washington und eine neu zu errichtende Station in der Nähe von
Santiago, Chile, unter der Leitung von James M. Gilliss werden. Der
amerikanische Kongress rüstete eine Expedition aus, die von 1849 bis
1852 umfangreiche astronomische, aber auch meteorologische und
magnetische Messungen in Santa Lucia in der Nähe von Santiago vornahm.
Durch Vergleich dieser Messungen mit denen der Station auf dem
nordamerikanischen Kontinent konnte ein neuer Wert für die
Astronomische Einheit, die Entfernung Erde-Sonne, ermittelt werden,
obwohl unvollständige Daten der nördlichen Station das Ergebnis sehr
beeinträchtigt hatten.
Diese Expedition stellt die Geburtsstunde der chilenischen
Astronomie dar! Die Station in Santa Lucia wurde von der Universität
Santiago als Universitätssternwarte übernommen, der erste Direktor war
Prof. Dr. Carl W. Moesta aus Ziegenhain, ein Schüler von Gerling und
Absolvent der Philipps-Universität. Ein besonderes Merkmal dieser
Expedition ist das für damalige Verhältnisse große internationale
Interesse: Berichte und Teilergebnisse wurden zwischen Südamerika,
Nordamerika und Europa ausgetauscht und kommentiert. Auch Alexander von
Humboldt, der große Erforscher des südamerikanischen Kontinents, stand
in engem Kontakt mit Gerling und Gilliss. Seine Wertschätzung dieser
Expedition drückt er in einem Schreiben an Gerling aus.
Alexander von Humboldts Brief existiert noch heute und ist einer
der Schätze in Marburgs Universitätsbibliothek. Als Reproduktion fand
er nun sogar den Weg auf die Titelseite der neuesten Ausgabe des
„European Physical Journal - H“.
Originalveröffentlichung:
A. Schrimpf: „An international campaign of the 19th century to determine the solar parallax – The US Naval expedition to the southern hemisphere 1849 – 1852“
Eur. Phys. J. H 39 2 (2014) 225-244,
DOI: 10.1140/epjh/e2013-40036-2
Weitere Informationen
A. Schrimpf: „An international campaign of the 19th century to determine the solar parallax – The US Naval expedition to the southern hemisphere 1849 – 1852“
Eur. Phys. J. H 39 2 (2014) 225-244,
DOI: 10.1140/epjh/e2013-40036-2
Weitere Informationen
Ansprechpartner:
Priv. Doz. Dr. Andreas Schrimpf
Fachbereich Physik
Renthof 5
Tel: 06421 28-21338
E-Mail: andreas.schrimpf@physik.uni-marburg.de
Priv. Doz. Dr. Andreas Schrimpf
Fachbereich Physik
Renthof 5
Tel: 06421 28-21338
E-Mail: andreas.schrimpf@physik.uni-marburg.de