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07.05.2014

Die erste Sternwarte Südamerikas

Marburger Astronom initiiert im 19. Jahrhundert eine US Expedition nach Chile

Letzte Seite des Briefes von A. v. Humboldt an Chr. L. Gerling vom 15. Dezember 1851.
Der Gründer der Marburger Sternwarte, Christian Ludwig Gerling, gab den Anstoß zur Errichtung des ersten Observatoriums in Südamerika, um von dort aus die Bahn der Venus zu vermessen; der Astronom erhielt für seine Initiative den Zuspruch Alexander von Humboldts, dessen Brief noch heute in der Marburger Universitätsbibliothek aufbewahrt wird. Der Physiker Dr. Andreas Schrimpf von der Philipps-Universität berichtet über Gerlings Initiative und ihre Folgen in der jüngsten Ausgabe der Fachzeitschrift "European Physical Journal ".
Es war die Idee von Christian Ludwig Gerling, Professor für Mathematik, Astronomie und Physik von 1817 bis 1864 in Marburg: „anstelle auf das sehr seltene Ereignis eines Venustransits zu warten, solle der Geschwisterplanet Venus in der Nähe der Umkehrpunkte seiner Bahnschleife von zwei weit auseinander liegenden Orten aus vermessen werden.“ Das Ziel war kein Geringeres als die Bestimmung der Größe unseres Sonnensystems!
In der jungen nordamerikanischen Wissenschaft fand dieser Vorschlag eine euphorische Zustimmung. Die beiden entfernten Beobachtungsorte sollten das gerade gegründete Observatorium in Washington und eine neu zu errichtende Station in der Nähe von Santiago, Chile, unter der Leitung von James M. Gilliss werden. Der amerikanische Kongress rüstete eine Expedition aus, die von 1849 bis 1852 umfangreiche astronomische, aber auch meteorologische und magnetische Messungen in Santa Lucia in der Nähe von Santiago vornahm. Durch Vergleich dieser Messungen mit denen der Station auf dem nordamerikanischen Kontinent konnte ein neuer Wert für die Astronomische Einheit, die Entfernung Erde-Sonne, ermittelt werden, obwohl unvollständige Daten der nördlichen Station das Ergebnis sehr beeinträchtigt hatten.
Diese Expedition stellt die Geburtsstunde der chilenischen Astronomie dar! Die Station in Santa Lucia wurde von der Universität Santiago als Universitätssternwarte übernommen, der erste Direktor war Prof. Dr. Carl W. Moesta aus Ziegenhain, ein Schüler von Gerling und Absolvent der Philipps-Universität. Ein besonderes Merkmal dieser Expedition ist das für damalige Verhältnisse große internationale Interesse: Berichte und Teilergebnisse wurden zwischen Südamerika, Nordamerika und Europa ausgetauscht und kommentiert. Auch Alexander von Humboldt, der große Erforscher des südamerikanischen Kontinents, stand in engem Kontakt mit Gerling und Gilliss. Seine Wertschätzung dieser Expedition drückt er in einem Schreiben an Gerling aus.
Alexander von Humboldts Brief existiert noch heute und ist einer der Schätze in Marburgs Universitätsbibliothek. Als Reproduktion fand er nun sogar den Weg auf die Titelseite der neuesten Ausgabe des „European Physical Journal - H“.
Originalveröffentlichung:
A. Schrimpf: „An international campaign of the 19th century to determine the solar parallax – The US Naval expedition to the southern hemisphere 1849 – 1852“
Eur. Phys. J. H 39 2 (2014) 225-244,
DOI: 10.1140/epjh/e2013-40036-2

Weitere Informationen
Ansprechpartner:
Priv. Doz. Dr. Andreas Schrimpf
Fachbereich Physik
Renthof 5
Tel: 06421 28-21338
E-Mail: andreas.schrimpf@physik.uni-marburg.de