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26.06.2014

Von Rom verschmäht

Marburger Geschichtswissenschaftler korrigiert historisches Irlandbild.

Neuigkeiten aus der Antike: Irland war den alten Römern zu unattraktiv für eine Invasion – zu diesem Befund gelangt der Marburger Althistoriker Patrick Reinard aufgrund eingehender Quellenstudien. Das römische Imperium ließ die Insel demnach erkunden, sah aber nach gründlicher Kosten-Nutzen-Abwägung von einem militärischen Engagement ab. Reinard berichtet über seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Marburger Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte“.

Patrick Reinard (Foto: Pressestelle der Philipps-Universität / Reinhold Eckstein)

Römer in Irland? „In der Forschung war man bisher stets der Meinung, dass die Insel keineswegs im römischen Interessengebiet gelegen habe“, erklärt Reinard. „Eine römische Präsenz, vielleicht sogar eine militärische Invasion, wurde immer ausgeschlossen.“ Dabei fänden sich bei den Autoren Juvenal und Tacitus, die noch dazu zeitgleich lebten, Angaben zu römischen Militäraktionen in Irland und sogar zu einer detaillierten Planung einer Einnahme der Insel; „Juvenal war als Soldat höchstwahrscheinlich in der Provinz Britannia stationiert“. Außerdem sei mit Drumanagh, nördlich von Dublin an der Ostküste gelegen, eine als römisch anzusprechende Anlage archäologisch nachgewiesen, die als Anlaufstelle für den Handelsverkehr diente.

Reinard zog für seine Untersuchung sämtliche literarischen und archäologischen Quellen aus der Antike heran und verglich sie mit Befunden zu anderen Grenzregionen der römischen Welt. Der Geschichtswissenschaftler kommt zu einem eindeutigen Ergebnis: „Die Römer waren definitiv auf der Insel!“

Römische Erkundungsfahrten hätten Irland mit Sicherheit sorgfältig erforscht. „Die Quellen zeigen, dass sich Rom an der ‚irischen Seegrenze‘ genauso wie an jeder anderen Grenze verhalten hat“, führt Reinard aus: „Land und Leute wurden genau untersucht, mögliche ökonomische, militärische und politische Potenziale ebenso beobachtet und bewertet wie die geographische und nautische Situation.“ Es müsse zudem intensive politische und wirtschaftliche Kontakte zwischen der britannischen Provinz und Irland gegeben haben.

Warum kam es dennoch nicht zu einer Invasion und einer dauerhaften Provinzialisierung Irlands? Reinard macht hierfür zwei Gründe geltend: Die ökonomische Leistung der Insel sowie die militärische Bedrohung durch sie waren letztlich zu gering. Dennoch blieb Irland keineswegs ein entlegener Teil der antiken Welt – von Mitte des 1. Jahrhunderts an gab es enge Handelsbeziehungen zur römischen Provinz Britannia.

„Tacitus nutzt das Thema der unterlassenen Irland-Invasion, um den verhassten Kaiser Domitian als unfähigen Herrscher abzuqualifizieren, der aus persönlichem Neid die günstige Gelegenheit der Einnahme einer bisher unbekannten Insel habe verstreichen lassen“, urteilt Reinard: Die Propaganda des Tacitus habe den klaren Blick auf die realen Beweggründe der römischen Außenpolitik verstellt.

Originalveröffentlichung: „arma ultra litora Iuvernae promovimus – Römer in Irland?“, in: Marburger Beiträge zur Antiken Handelsgeschichte 31 (2013), S. 1-36.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Patrick Reinard,
Fachgebiet Alte Geschichte
Tel.: 06421 28-2 5866 (WK)
E-Mail: reinard@Staff.Uni-Marburg.de