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03.12.2015

Zeugungsfähig dank dicht gepackter Spermien

Marburger Biologinnen erforschten Chromosomen-Kondensation.

Bei der Spermienbildung addieren sich die Effekte mehrerer unterschiedlicher Proteine, die zur Verkleinerung der Spermienkerne beitragen. Das folgern Marburger Biologinnen aus Experimenten an Fruchtfliegen-Männchen.  Die Forscherinnen behinderten die Verdichtung des Erbguts in den Spermien, woraufhin die betroffenen Tiere ihre Fähigkeit einbüßten, Nachkommen zu zeugen. Das Team veröffentlicht seine Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe der Online-Zeitschrift „Cell Reports“.

Effiziente Fortpflanzung kennzeichnet die Fruchtfliegen-Art Drosophila melanogaster, Lieblingshaustier der Entwicklungsbiologen. Die Marburger Biologie-Professorin Dr. Renate Renkawitz-Pohl und ihre Mitarbeiterinnen untersuchten, welche Faktoren an der Spermienbildung beteiligt sind.
(Foto: TheAlphaWolf / Commons)
Packender geht‘s kaum: Wenn Spermienvorläufer von Taufliegenmännchen reifen, lässt sich das Protamin Prtl99C nachweisen (grün gefärbt), während frühere Stadien noch eine Histon-basierte Verpackung des Erbguts enthalten (weiß). (mikroskopische Aufnahme: Zeynep Eren-Ghiani, Philipps-Universität Marburg)

Die Erbsubstanz DNA liegt im Zellkern in verpackter Form vor. In Körperzellen besteht die Verpackung aus speziellen Eiweißverbindungen, den Histonen. Diese werden durch Protamine ersetzt, wenn Spermien gebildet werden, was zu einer starken Verdichtung des Erbmaterials führt. „Unsere Ergebnisse belegen, dass mindestens drei Proteine bei der Umorganisation der Verpackung zusammenwirken, um das Erbgut in den Spermien zu verdichten“, erklärt Biologie-Professorin Dr. Renate Renkawitz-Pohl von der Philipps-Universität, Mitverfasserin der aktuellen Studie.

Spermien sind spezialisierte Zellen, die es ermöglichen, das väterliche Genom sicher zur Eizelle zu transportieren. Somit kann mit der Befruchtung ein gesundes, neues Leben gestartet werden. Der Zellkern verkleinert sich während der Spermienreifung bei Mäusen auf ein 20stel, bei der Taufliege Drosophila sogar auf ein 200stel seiner ursprünglichen Größe. Fehlen funktionsfähige Protamine, so führt dies bei Mäusemännchen  zu Unfruchtbarkeit, nicht hingegen bei männlichen Fliegen, deren Spermien zum größten Teil keine Deformationen aufweisen; die Fliegenspermien sind jedoch empfindlicher gegen Röntgenstrahlung als Mutagen. Dies legt die Annahme nahe, dass neben den Protaminen noch weitere Proteine an der Verdichtung der Chromosomenverpackung beteiligt sind.

Das Team untersuchte das Gen Prtl99C und dessen Genprodukte, die bei Drosophila an der Spermienbildung beteiligt sind. Das zugehörige Protein wird ausschließlich in den entstehenden Spermien synthetisiert. Die Wissenschaftlerinnen schalteten das Gen in den sich bildenden Spermien auf verschiedene Weise ab: Entweder indem sie das Gen zerstörten, oder indem sie seine Aktivität unterbanden.

Die betroffenen Fliegenmännchen weisen deformierte Spermien mit verlängertem Kern auf und sind unfruchtbar. Während der Verlust von Protamin die Spermienkerne nur um 8 Prozent verlängert, hat die Ausschaltung von Prtl99C eine weitaus stärkere Wirkung – die Kerne bleiben 35 Prozent größer als bei unbehandelten Tieren. Tritt beides in Kombination auf, so summieren sich die Effekte auf 47 Prozent Verlängerung.

„Wir nehmen aufgrund unserer Versuchsergebnisse an, dass die Chromosomen in Drosophila-Spermien durch mehrere verschiedene Proteine verdichtet werden, die zueinander parallel wirken, so dass sich die Effekte addieren“, interpretiert Renkawitz-Pohl ihre Befunde. Es könne durchaus sein, dass auch für Säugerspermien weitere Komponenten neben den Protaminen für die Verdichtung erforderlich sind, spekuliert die Hochschullehrerin. „Wenn man diese Komponenten findet, könnte dies helfen, die molekulare Grundlage männlicher Unfruchtbarkeit zu erklären.“

Professorin Dr. Renate Renkawitz-Pohl lehrt Entwicklungsbiologie der Tiere am Fachbereich Biologie der Philipps-Universität. Sie ist Mitglied im europäischen Stipendienprogramm zur Reproduktionsbiologie „Marie Curie Initial Training Network Repro-Train“ sowie im Wissenschaftsrat von Bund und Ländern. Die Forschungsarbeit, die der aktuellen Veröffentlichung zugrunde liegt, wurde durch Reprotrain finanziell gefördert; Koautorin Dr. Christina Rathke erhielt eine Zuwendung durch den Sonderforschungsbereich/ Transregio 81 der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Originalpublikation: Zeynep Eren-Ghiani & al.: Prtl99C acts together with protamines and safeguards male fertility in Drosophila , Cell Reports 2015

Weitere Informationen:

Ansprechpartnerin: Professorin Dr. Renate Renkawitz-Pohl,
Fachgebiet Entwicklungsbiologie der Tiere
Tel.: 06421 2821502
E-Mail: renkawit@biologie.uni-marburg.de

Homepage des TRR81: http://www.uni-giessen.de/cms/fbz/fb08/trr81/projects

Homepage von Reprotrain: http://reprotrain.eu/