Zurück zur Übersicht

07.03.2016

Briefedition bietet Modell für die Geisteswissenschaften

„Digital Humanities“: Online-Portal zur Schlegel-Korrespondenz wird weiter gefördert und findet das Interesse von Nachnutzern.

Die Unterbewertung eines Pioniers findet ihr Ende: Die elektronische Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels wird weiter gefördert. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft bewilligte 600.000 Euro für die Fortführung des Projekts, das der Philologe Professor Dr. Jochen Strobel von der Philipps-Universität gemeinsam mit Kooperationspartnern aus Dresden und Trier verfolgt. Bis zum Jahr 2019 sollen rund 5.000 Briefe vollständig ediert vorliegen, die der Frühromantiker Schlegel verfasste oder erhielt; viele davon sind bislang unveröffentlicht.

Der fleißige Briefschreiber August Wilhelm Schlegel (1767–1845) gilt als einer der Begründer der Romantik.

August Wilhelm Schlegel (1767–1845) wirkte als Übersetzer, Kritiker und Philologe und gilt als einer der Begründer der Romantik. „Der Schriftsteller ist unter den deutschsprachigen Vertretern der Romantik der vielseitigste, aber bis heute der am meisten unterschätzte“, erklärt Projektleiter Strobel: „Die defizitäre Erschließung des Nachlasses von Schlegel hat lange Zeit dessen Vernachlässigung in der Forschung mitbedingt.“

Das Forschungsprojekt „Digitalisierung und elektronische Edition der Korrespondenz August Wilhelm Schlegels“, das Strobel und seine Mitarbeiterinnen in enger Zusammenarbeit mit der Sächsischen Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB) und dem Trier Center für Digital Humanities durchführen, soll hier Abhilfe schaffen. Seit 2012 erarbeiten die Partner eine digitale Edition von Schlegels gesamter Korrespondenz. Das Volumen des Forschungsvorhabens beträgt für die erste und die jetzt bewilligte zweite Förderperiode zusammen mehr als eine Million Euro.

Schlegels Nachlass liegt in der Dresdener Bibliothek (zahlreiche Manuskripte sowie rund 3.800 Briefe), größere Briefbestände – rund 350 – besitzt die Universitäts- und Landesbibliothek Bonn; der Rest ist auf über hundert Archive weltweit verteilt. Bereits seit Juni 2014 ist die Präsentationsoberfläche des Open-Access-Projekts in einer Beta-Version online ( www.august-wilhelm-schlegel.de ). Rund 5.000 Briefe sind inzwischen online frei zugänglich.

Bei der Online-Zugriffsmöglichkeit auf die Digitalisate soll es aber nicht bleiben; vielmehr arbeiten die Beteiligten daran, die Korrespondenz wissenschaftlich zu erschließen, wie Strobel darlegt: „Endziel des Projekts ist es, den brieflichen Nachlass des einst in ganz Europa einflussreichen Romantikers vollständig ediert vorzulegen.“ Die digitale Edition, die vorwiegend in Marburg entsteht, bietet eine neue Grundlage für die Erforschung der europaweiten Vernetzung romantischer Diskurse und Praktiken. „Unsere Edition präsentiert zu jedem Brief das Handschriftenfaksimile – sofern zugänglich – und erarbeitet Metadaten, eine Transkription und eine inhaltliche Erschließung durch den Aufbau eines mehrgliedrigen Registers in digitaler Auszeichnung“, führt Projektmitarbeiterin Dr. Claudia Bamberg aus. Auch die bereits gedruckten Briefe werden in die Edition aufgenommen.

Ein weiteres Projektziel ist die Mitwirkung an dem gegenwärtig in den digitalen Geisteswissenschaften („Digital Humanities“) diskutierten  Standardisierungsprozess für digitale Editionen. „Wir bieten und verfeinern einen Open-Source-Workflow, der von ähnlich gelagerten Projekten nachgenutzt werden kann, insbesondere in Zusammenarbeit von Wissenschaft, Archiv und Bibliothek“, erläutert Strobel, den hierzu bereits zahlreiche Anfragen aus dem In- und Ausland erreichten. Der Workflow stellt für die Erfassung, Verzeichnung und die editorische Erschließung von Autographen, namentlich von Briefen, ein funktionierendes Modell bereit.

Gemeinsam für Schlegel – Marburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler beteiligen sich an dem Briefeditionsprojekt (von links nach rechts): Dr. Claudia Bamberg, Julia Dirlam, Dr. Olivia Varwig, Madelaine Stahl, Christian Senf, Thomas Hartmann, Clio Falk (Foto: Marvin Glodek / Philipps-Universität Marburg)

Standen zunächst der Aufbau des Workflows, die Freischaltung der Publikationsoberfläche sowie Digitalisierung und Verzeichnung von Handschriften und Drucken im Mittelpunkt, so hat sich das inzwischen vergrößerte Team für die zweite Hälfte der Projektlaufzeit vor allem vorgenommen, die Neutranskription von fast 2.500 bisher unedierten Briefen abzuschließen.

Weitere Informationen:

Ansprechpartner:

Philipps-Universität Marburg
Professor Dr. Jochen Strobel
Institut für Neuere deutsche Literatur
Tel.: 06421 28-24651
E-Mail: jochen.strobel@uni-marburg.de

Dr. Claudia Bamberg
Institut für Neuere deutsche Literatur
Tel.: 06421 28-24905
E-Mail: Claudia.bamberg@uni-marburg.de

Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden (SLUB)
Prof. Dr. Thomas Bürger
Generaldirektion
Tel.: 0351 4677-123
E-Mail: Thomas.Buerger@slub-dresden.de

Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften der Universität Trier
Geschäftsführung
Dr. Thomas Burch
Tel.: 0651 201-3364
E-Mail: burch@uni-trier.de

Schlegelnachlass im Internet: www.august-wilhelm-schlegel.de

Pressemitteilung zur Freischaltung des Schlegel-Portals 2014: www.uni-marburg.de/aktuelles/news/2014b/0623a