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04.05.2016

Genetischer Defekt verursacht extreme Frühgeburt bei männlichen Föten

Team des Marburger Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin weist Erbfehler nach

Frühgeburtlichkeit kann bei männlichen Föten familiär auftreten. Der Marburger Mediziner Dr. Martin Kömhoff hat mit einem internationalen Forschungsteam bei 15 Jungen genetische Defekte im Gen MAGED2 nachweisen können. Die Gruppe berichtet in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „New England Journal of Medicine“ über ihre Ergebnisse.

Die Funktion von MAGED2 war bislang nicht gut beschrieben.  „Nun wissen wir, dass MAGED2 in der fetalen Niere während der Schwangerschaft die  Urin-Produktion des ungeborenen Kindes kontrolliert“, erläutert Kömhoff. „Das erklärt, dass die Mütter von Jungen mit einem solchen Defekt sehr früh in der Schwangerschaft, nämlich in der 19. Schwangerschaftswoche plötzlich zu viel Fruchtwasser entwickeln, da das ungeborene Kind ab diesem Zeitpunkt mehr Flüssigkeit uriniert als der Mutterkuchen wiederaufnehmen kann.“ Diese enormen Fruchtwassermengen führe durch den Druck zu extremer Frühgeburtlichkeit, an der 4 der 15 Kinder verstarben.

Wie der Mediziner weiter ausführt, normalisierte sich bei den anderen Kindern die übermäßige Urinproduktion im Laufe weniger Wochen und die Jungen entwickelten sich weiter normal. „Jetzt wissen wir, welches Gen beteiligt ist, und können Schwangeren, die ab der 19. Woche extrem viel Fruchtwasser produzieren, den Gentest anbieten.“ Nach dem derzeitigen Kenntnisstand entwickelt ein betroffenes Kind keine bleibende Nierenerkrankung. „Wir können der Mutter und dem Kind viel unnötige Diagnostik und Therapie ersparen“, legt Kömhoff dar. „Die Geburt in einem Zentrum mit spezialisierter Neonatologie wie dem Marburger Zentrum ist dabei eine wichtige Voraussetzung für einen guten Verlauf.“

Eine extreme  Fruchtwasserproduktion tritt Kömhoff zufolge in zwei Prozent der Schwangerschaften auf und führt häufig zu Frühgeburtlichkeit. Die Ursachen seien weitgehend unbekannt. Da das Gen MAGED2 auch in der Niere von Erwachsenen nachweisbar ist, könnte es eine Rolle bei der Regulation des Blutdrucks spielen.

Die zugrunde liegenden Untersuchung hat Kömhoff an der Universitätskinderklinik in Groningen in den Niederlande durchgeführt, wo er die vergangenen acht Jahre als Leiter der Kindernephrologie tätig war. Die Erkrankung wurde erstmals im Jahr 1991 von Professor Dr. Hannsjörg W. Seyberth beschrieben, dem ehemaligen Direktor der Marburger Kinderklinik. Er etablierte damals ein international renommiertes Forschungsteam, das auch maßgeblich an dem jetzigen Projekt beteiligt ist. Martin Kömhoff wird zusammen mit Professorin Dr. Stefanie Weber die Erforschung von seltenen Nierenerkrankungen als wissenschaftlichen Schwerpunkt im Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin der Philipps-Universität weiter ausbauen. (Text: UKGM)

Originalveröffentlichung: Kamel Laghmani & al.: Polyhydramnios, Transient Antenatal Bartter's Syndrome, and MAGED2 Mutations, NEJM 2016, DOI: 10.1056/NEJMoa1507629

Weitere Informationen:

Ansprechpartner: Dr. Martin Kömhoff,
Zentrum für Kinder- und Jugendmedizin
Tel.: 06421 58-62650 (Klinik)
E-Mail: m.komhoff@umcg.nl