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04.08.2016

Generationenbeziehungen in Migrantenfamilien

Sylvia Langwald erhielt internationale Auszeichnung für ihre Dissertation über Diasporaliteratur in Kanada und Großbritannien

Prof. Dr. Kerstin Knopf (links), Universität Bremen und derzeitige Vize-Präsidentin der Gesellschaft für Kanada-Studien in den deutschsprachigen Ländern, hielt die Laudatio auf Dr. Sylvia Langwald (rechts) und überreichte ihr die Urkunde bei einer feierlichen Veranstaltung in Ottawa. Links im Hintergrund ist Dr. Susan Hodgett von der University of Ulster, Nordirland, und Präsidentin des International Council for Canadian Studies. Foto: Cristina Frias (Executive Director des ICCS)

Die Marburger Anglistin Dr. Sylvia Langwald hat vom International Council for Canadian Studies (ICCS) den Preis für die beste Dissertation des Jahres 2015 für ihre Forschung über Diasporaliteratur in Kanada und Großbritannien erhalten. In ihrer Doktorarbeit befasste sie sich mit der literarischen Verarbeitung von Generationenbeziehungen in Migrantenfamilien. Sie erforschte die Darstellung von Familien in der Diaspora und die Bedeutung von Generationenunterschieden für den Prozess der Identitätsbildung.

Langwalds Analyse konzentriert sich auf die karibische Diasporaliteratur. Sie spielt eine zunehmend wichtige Rolle, da Kanada und Großbritannien einen hohen Anteil an Migranten aus der Karibik haben. In der Forschung findet das Thema Generationenkonflikte in mehreren Fachrichtungen zunehmendes Interesse. „Die bisherige Forschung trug jedoch nicht der komplexen Dynamik diasporischer Identitäten und Familien Rechnung“, sagt Dr. Sylvia Langwald. „Es werden vor allem Generationenunterschiede und -konflikte beachtet. Ich vertrete dagegen die Auffassung, dass die Romane, obwohl sie Konflikte in den Vordergrund stellen, das Stereotyp der gestörten, konfliktbehafteten und zerrissenen Einwanderfamilie anfechten. Vielmehr zeigen sie die Ambivalenz von Familienbeziehungen auf, die von Problemen, aber auch von positiven, emotionalen Bindungen zwischen den Generationen geprägt sind.“ Langwald analysierte, dass Konflikte in den Romanen nicht aus Störungen in den Familien resultieren, sondern aus schwierigen Lebenssituationen wie den Auswirkungen von Kolonialismus und Migration.

Langwald wurde für ihre Arbeit ausgezeichnet, weil sie einen relevanten, innovativen Beitrag zur literaturwissenschaftlichen Debatte über Identität und Generationen geleistet hat. „In der Forschung bestand bislang die Tendenz zu einer statischen Denkweise über Generationenbeziehungen und generationsspezifische Identifikationsmuster in der Diasporaliteratur. Meist werden die passiven, traditionell eingestellten Eltern den progressiven Kindern gegenübergestellt“, berichtet Langwald. Dagegen erfasst  ihr dynamisches Konzept der „diasporischen Generationalität“ die Ambivalenz von Generationenbeziehungen und Identitätsbildung. „Meine Arbeit veranschaulicht, dass das Konzept der Generation ein nützliches Analysewerkzeug ist, und dass Diaspora ein wichtiger Begriff ist, der auch für die zweite Generation bedeutend ist“, erklärt Langwald.

Die Darstellung von Familien in der Diaspora, der zweiten Generation und den psychischen und emotionalen Folgen von Migration sind nicht nur in den Literaturwissenschaften relevant, sondern auch für die Multikulturalismusdebatte. Das Verstehen von familiären Konflikten und der Identitätsbildung der zweiten Generation biete viel Potenzial für Integrationspolitik und interkulturelle Kommunikation, betont Langwald.

Sylvia Langwald ist von der Gesellschaft für Kanada-Studien in den deutschsprachigen Ländern für den Dissertationspreis vorgeschlagen worden. Auf internationaler Ebene hat sie sich dann gegen Bewerber aus anderen Mitgliedsländern durchgesetzt. Eine wichtige Rolle für ihren Erfolg spielte aus Sicht von Langwald ihr Doktorvater Prof. Dr. Martin Kuester vom Institut für Anglistik und Amerikanistik der Philipps-Universität Marburg. „Prof. Küster hat mich immer ermutigt, über den Tellerrand zu schauen, und er hat mir Freiräume gegeben, um in Kanada und Großbritannien vor Ort zu forschen. Auch die gute Betreuung und Beratung waren wichtig“, sagt Langwald.

Die 33-jährige Wissenschaftlerin aus Frankenberg/Eder arbeitet heute als Bibliotheksreferendarin mit dem Schwerpunkt Kanadistik an der Universitätsbibliothek in Marburg.

Die wichtigsten von Dr. Sylvia Langwald untersuchten Romane sind:
Zadie Smith: White Teeth
Andrea Levy: Fruit of the Lemon
Caryl Phillips: In the Falling Snow
Dionne Brand: What We All Long For
Neil Bissoondath: The Worlds Within Her
David Chariandy: Soucouyant

Weitere Informationen:

Marburger Zentrum für Kanada-Studien: www.uni-marburg.de/mzks

Gesellschaft für Kanada-Studien in den deutschsprachigen Ländern: www.kanada-studien.org

Kontakt

Dr. Sylvia Langwald, Philipps-Universität Marburg, Universitätsbibliothek
Tel.: 06421 28-25123
E-Mail