15.03.2017
Wie Kristalle Wellen schlagen
Physiker der Universitäten Regensburg, Marburg und Michigan erzeugen maßgeschneiderte Lichtwellen per Kristallsymmetrie
Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen. Um die Eigenschaften von Licht möglichst präzise zu kontrollieren, möchte man daher am besten die zeitliche Form dieser Wellen direkt einstellen – ein umso schwierigeres Unterfangen, je höher die Schwingungsfrequenz ist. Ein Team von Physikern aus Regensburg (Deutschland), Marburg (Deutschland) und Ann Arbor (USA) hat nun eine Methode entwickelt, um Lichtwellen, die von beschleunigten Elektronen in einem Festkörper abgestrahlt werden, mit Hilfe der Kristallsymmetrie maßzuschneidern.
Seit einigen Jahren können Physiker extrem kurze ultraviolette Lichtblitze erzeugen. Zu diesem Zweck wird eine Methode eingesetzt, die sich „Generation Hoher Harmonischer“ nennt. Dabei entreißt ein intensiver Laser im nahinfraroten Spektralbereich gasförmigen Atomen ihre Elektronen, um sie wenig später wieder zurück in den Kern zu schleudern und bei der Kollision ultraviolettes Licht zu erzeugen. Dieser Prozess erfolgt derart rasant, dass das Licht in äußerst kurzen Impulsen emittiert wird, die nur einige zehn Attosekunden dauern. Seit Beginn unseres Universums sind noch nicht so viele Sekunden vergangen, wie Attosekunden in einer einzelnen Sekunde enthalten sind. Dieser unvorstellbar kurze Augenblick stellt jedoch die natürliche Zeitskala für die Bewegung von Elektronen in Atomen, Molekülen und Festkörpern dar.
Um solche Vorgänge zu beobachten, benutzen Forscher heute Attosekunden-Lichtblitze, mit denen sie eine Folge superschneller Schnappschüsse nach dem Prinzip einer Stroboskopkamera aufnehmen und zu einem Zeitlupenfilm zusammenfügen. Präzise Hochgeschwindigkeitsaufnahmen erfordern eine möglichst genaue Kontrolle dieser Lichtblitze. Am liebsten würde man die Wellenform eines Lichtimpulses selbst maßschneidern, anstatt nur seine Helligkeit oder Zeitdauer einzustellen. Nun gelang es einem Team von Physikern an den Universitäten Regensburg, Marburg und Ann Arbor, genau dies durch „Hohe-Harmonische-Generation“ in einem Festkörper-Kristall zu erreichen. Wenn man die Symmetrie des Kristalls geschickt ausnutzt, können ultrakurze Wellenformen mit einer Detailgenauigkeit geformt werden, die in atomaren Gasen fehlt.
Die Experimente wurden an der Hochfeld-Terahertz-Quelle an der Universität Regensburg durchgeführt, wo „Hohe Harmonische“ in einem Volumenhalbleiter erzeugt werden. Zum ersten Mal gelang es den Physikern, Details der Trägerwelle der „Hohen Harmonischen“ aufzulösen. Darüber hinaus zeigten sie, dass die Kristallorientierung die Lichtemission in einer verblüffenden Art beeinflusst: Für bestimmte Richtungen hat jeder zweite ausgesandte Lichtimpuls das genau umgekehrte Vorzeichen seines Vorgängers. Die Kristallsymmetrie kann außerdem dazu genutzt werden, eine beliebige Polarisation der Lichtwelle der „Hohen Harmonischen“ einzustellen. Die experimentellen Ergebnisse wurden durch eine quantenmechanische Simulation von den Physikern aus Marburg und Ann Arbor als raffinierter Interferenzmechanismus der angeregten und beschleunigten Elektronen erklärt.
Maßgeschneiderte Lichtwellen aus Festkörper-basierten Attosekunden-Quellen dürften schon bald in neuen superschnellen Zeitlupenkameras zum Einsatz kommen. Außerdem könnten sie als extrem schnelle Vorspannung genutzt werden, um elektrische Ströme zu treiben. Dieses Prinzip könnte eine qualitativ neue Art Lichtwellen-getriebener Elektronik ermöglichen, welche die Taktraten aktueller elektronischer Bauelemente millionenfach übertrifft. (Pressetext: Uni Regensburg)
Die Ergebnisse der Forschergruppe werden in der nächsten Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature Photonics“ veröffentlicht. Publikation: F. Langer, M. Hohenleutner, U. Huttner, S. W. Koch, M. Kira, and R. Huber: “Symmetry-controlled temporal structure of high-harmonic carrier fields from a bulk crystal”. DOI: 10.1038/nphoton.2017.29
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Prof. Dr. Stephan W. Koch
E-Mail:
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Ulrich Huttner
Tel.: 06421 28-24335
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ulrich.huttner@physik.uni-marburg.de