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1968: Eine Politik des Strebens nach Glück
Vortrag im Studium generale im Wintersemester 2017/18
Veranstaltungsdaten
06. Dezember 2017 20:15 – 06. Dezember 2017 21:45
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Audimax, Biegenstraße 14, Marburg
"Die Studentenbewegung hatte schon vor 1968 angehoben, an vielen großen Universitäten, auch in Marburg, begehrten die jungen Leute auf gegen das Gehabe der Ordinarien, veraltete Lehrpläne, obsolete Hierarchien und Nazis auf Lehrstühlen. Man wollte Mitbestimmung, Entrümpelung der Curricula, Gruppenarbeit, Lektüre und Rehabilitierung der unter den Nazis verfemten jüdischen Professoren und Schriftsteller, allen voran Karl Marx und Sigmund Freud. Man wollte eine umfängliche, umfassende ‚Kritik des Bestehenden‘. Das klingt heute fast trivial, war es damals aber nicht: Kritik zu üben kam für junge Personen nicht in Frage, die hatten zu gehorchen, punktum. Die alte Gesellschaft mit ihren im Grunde noch auf die Kaiserzeit zurückgehenden Gehorsamsgeboten war noch keineswegs versunken, im Gegenteil, sie stand zwischen Neubauten und Wirtschaftswunder wieder auf und pochte auf ihre Autorität: ‚Was, du jungsches Mädel, du grüner Knabe, ihr wollt hier mitreden, wollt überkommene Werte, Praktiken und Inhalte in Frage stellen? Da geht erstmal hin und leistet was, dann sprechen wir uns wieder!‘ ‚Was hast du denn geleistet, herablassender Chef, alter Opa, gestrenger Vorgesetzter – das Nazireich hast du mit aufgebaut, den Krieg mit geführt – sollen wir uns dich vielleicht zum Vorbild nehmen?‘ Das war natürlich eine prima Antwort, da wurden die alten Autoritäten zwar wütend, aber sie konnten nichts mehr sagen, und so kam die 68er Bewegung in Deutschland in Fahrt. In freie Fahrt. Es war so, als hätte meine Generation damals vom Schicksal oder von der Geschichte eine große Schiefertafel in die Hand gedrückt bekommen, dazu eine Kiste voll mit Kreide, und nun sollten wir drauf schreiben, worum es uns ging – die Aufmerksamkeit war garantiert. Und wir schrieben.“
– Barbara Sichtermann zu Ihrem Vortrag am 6. Dezember im Rahmen des Studium generale
Referierende
Barbara Sichtermann, Berlin
Veranstalter
Prof. Dr. Thorsten Bonacker, Zentrum für Konfliktforschung
Prof. Dr. Eckart Conze, Fachbereich Geschichte und Kulturwissenschaften